das 6. Deutsch-Arabische Wirtschaftsforum 4.-6. Juni 2003
„Chancen für deutsche Unternehmen im arabischen Raum so gut wie nie“
Hohe Teilnehmerzahl drückt Interesse an vertieften Wirtschaftsbeziehungen aus
Zum Auftakt des Wirtschaftsforums begrüßte Berlins Wirtschaftssenator Harald Wolf die Gäste der Konferenz, von denen 200 eigens anlässlich des Forums aus arabischen Ländern angereist waren, im Festsaal des Roten Rathauses der Hauptstadt. Wolf nahm in seiner Begrüßungsansprache Bezug auf den amerikanisch-arabischen Gipfel, der am selben Tag im ägyptischen Scharm al-Scheich stattgefunden hatte und gab seiner Hoffnung Ausdruck, dass damit eine Phase der friedlichen Entwicklung in Nahost eingeleitet würde, die letztlich auch den Wirtschaftsbeziehungen zu Gute käme. Der Senator verwies zudem auf die Wichtigkeit der arabischen Märkte mit rund 300 Millionen Einwohnern und einem Gesamt-BIP von 732 Mrd. US-$ sowie auf die enger werdende Kooperation zwischen den arabischen Ländern und der EU im Rahmen der Euro-Mediterranen Partnerschaft. Er erwähnte auch, dass das Wirtschaftsforum in Berlin insofern am idealen Ort stattfinde, als die Themen der Workshops des Forums solche Bereiche widerspiegelten, „in denen Berlin über große Potenziale verfügt und auf die wir Entwicklungsschwerpunkte unserer Wirtschaftspolitik legen“. Dem schlossen sich Grußworte von Dr. Günter Rexrodt, Präsident der GHORFA, Dr. Marwan Hamade, Wirtschaftsminister der Republik Libanon und von Prof. Dr. Udo Steinbach, Direktor des Orient-Institutes Hamburg, an. Die Gastredner betonten die Bedeutung der deutsch-arabischen Wirtschaftsbeziehungen und die Notwendigkeit ihrer Vertiefung, dankten dem Berliner Senat für den gastfreundlichen Empfang und wünschten den Teilnehmern des Wirtschaftsforums den bestmöglichen Erfolg für die Konferenztage. Professor Steinbach präsentierte überdies eine politische Analyse der veränderten internationalen Konstellationen in Bezug auf Deutschland und den Nahen Osten.
In seiner Begrüßung im Haus der Deutschen Wirtschaft wertete der Präsident des DIHK, Ludwig Georg Braun anderntags den großen Andrang zum Forum als Zeichen des Interesses, das arabische und deutsche Firmen der Veranstaltung entgegenbrächten. Braun verwies auf die kontinuierlich steigenden deutschen Exporte in die arabische Region, die Dynamik des Prozesses im Hinblick auf den angestrebten Euro-Mediterranen Freihandel sowie den Freihandel zwischen der EU und dem Golfkooperationsrat ab dem Jahr 2005. Der DIHK-Präsident ging insbesondere auf die Lage im Irak ein und mahnte eine faire wirtschaftliche Chance für dieses bedeutende arabische Land an. Es sei auch im Hinblick auf eine friedvolle Entwicklung wichtig, durch positive Ergebnisse beim Wiederaufbau und bei der Selbstbestimmung des Irak Vertrauen und Toleranz zwischen westlichen Ländern und der arabischen Welt herzustellen.
Günter Rexrodt, Präsident der GHORFA, hob in seiner Ansprache die lange Tradition der deutsch-arabischen Wirtschaftsbeziehungen hervor und verwies auf den stetig wachsenden Handelsaustausch. Die dabei zu verzeichnende Einseitigkeit der Handelsstrukturen sei durch eine anzustrebende Diversifizierung der arabischen Volkswirtschaften, deren Exporte noch immer weitgehend auf dem Rohstoff Öl beruhen, zu relativieren. Rexrodt betonte die Wichtigkeit gegenseitiger Investitionen, deren Volumen von deutscher wie von arabischer Seite noch relativ gering seien und verwies auf die schwierigen und tief greifenden, aber notwendigen wirtschaftlichen Umstrukturierungen in Deutschland wie in den arabischen Ländern. Insbesondere der deutsche Mittelstand im Industrie- wie auch im Dienstleistungssektor sei aber nach wie vor das Rückgrat innovativer deutscher Wirtschaftskraft, die in ihrer Substanz gesund sei, und strebe nach verstärkten Kontakten insbesondere nach Nahost, wobei die GHORFA eine wichtige Brücke darstelle. Das große arabische Interesse an einer verstärkten Kooperation, auch angesichts einer noch instabilen Lage in Nahost, sei besonders deutlich geworden auf den Delegationsreisen, die Herr Rexrodt für die GHORFA in den letzten Monaten geleitet habe.
Mit großer Aufmerksamkeit verfolgten die Zuhörer die Rede von Bundeswirtschaftsminister Wolfgang Clement, dem ranghöchsten deutschen Regierungsvertreter auf dem Forum. Der Minister ging auf die wirtschaftliche Lage in Deutschland ein, warb für das Reformpaket der Bundesregierung, die „Agenda 2010“, und betonte, dass Deutschland trotz aller ökonomischen Schwierigkeiten ein stabiles wirtschaftliches Umfeld aufweise und für ausländische Investoren attraktiv bleibe, was er mit aktuellen Zahlen belegte. Dabei sei Deutschlands zentrale Lage in der EU von großer Wichtigkeit. Clement hob hervor, dass für ein wirtschaftliches Gedeihen in Nahost Frieden unverzichtbar sei und bezog sich auf die von den USA, den Vereinten Nationen, der EU und Russland vorgelegte „Road map for peace“. In wirtschaftlicher Hinsicht hätten die G8-Staaten auf dem Evian-Gipfel zudem einen Plan für die Revitalisierung der palästinensischen Wirtschaft in Auftrag gegeben. Minister Clement ging überdies auf die Lage im Irak ein und betonte, dass die Rolle der Vereinten Nationen, von IWF und Weltbank beim Wiederaufbau gestärkt werden solle. Deutschland solle sich an der humanitären Hilfe und am Wiederaufbau des Landes beteiligen und könne dabei an Projekte und Erfahrungen aus der Zeit vor dem Kuwait-Krieg anknüpfen, sobald eine von der UNO unterstützte Interimsregierung im Irak die Arbeit aufnehme. Die Bundesregierung werde das Engagement der deutschen Industrie im Irak durch den Einsatz von Förderinstrumenten unterstützen. Insgesamt seien deutsche Unternehmen mit ihrer Technologie und Expertise in besonderer Weise befähigt, an der laufenden volkswirtschaftlichen Modernisierung und Diversifizierung der arabischen Länder mitzuwirken. Deshalb sei der arabische Raum eine Schwerpunktregion der Außenwirtschaftsförderung der Bundesregierung. Minister Clement ging ebenfalls auf das geplante Freihandelsabkommen mit den Staaten des Golfkooperationsrates und den meisten arabischen Mittelmeeranrainerstaaten und die damit verbundenen neuen Perspektiven ein. Zum anderen hob der Minister ausdrücklich hervor, dass das Bundesministerium für Wirtschaft und Arbeit „die Zusammenarbeit mit der GHORFA konstruktiv fortsetzen“ werde.
In seiner sich anschließenden Ansprache hob der jordanische Minister für Wasser und Bewässerung Dr. Hazim El-Naser hervor, dass Deutschland für das Königreich Jordanien stets Freund und wirtschaftliches Vorbild gewesen sei. Die enge Partnerschaft Jordaniens mit Deutschland und den übrigen EU-Staaten stehe in Zusammenhang mit den ehrgeizigen Plänen und innovativen Projekten, die das Königreich seit vielen Jahren verfolge und umsetze. Der Minister betonte, dass die großen Modernisierungsbemühungen seines Landes nicht zuletzt dem persönlichen Engagement von König Abdullah II. zu verdanken seien. Dadurch sei Jordanien heute ein Modell für Reform und Rechtsstaatlichkeit und habe der jordanische Privatsektor die Führung in der Volkswirtschaft übernommen. Viele privat betriebene Firmen seien nun konkurrenzfähig, der Service im Land wesentlich verbessert worden. Die zahlreichen Freihandelsabkommen Jordaniens mit Staaten in der Region und auf internationaler Ebene sowie vorbildliche Anreize für Investoren und der gute Ausbildungsstand der Jordanier hätten zudem vermehrt zu ausländischen Investitionen geführt. Trotz zum Teil erheblicher Spannungen in der Region biete Jordanien ein stabiles Umfeld und arbeite zukunftsorientiert zum Wohl der Bevölkerung.
Dr. Elias Ghantous, Generalsekretär der Generalunion der Kammern für Handel, Industrie und Landwirtschaft der arabischen Länder, wies in seinem Eröffnungsbeitrag sowohl auf die tief greifenden wirtschaftlichen Reformen hin, die die arabischen Länder unternähmen, als auch auf die zunehmende Verzahnung der arabischen Volkswirtschaften als einen Schritt hin zu einem gemeinsamen Wirtschaftsraum, für den die EU ein Vorbild sei. Dr. Ghantous betonte, dass der Prozess der wirtschaftlichen Öffnung der arabischen Länder unumkehrbar sei. Damit sei auch die Rolle des Privatsektors in den Mittelpunkt der deutsch-arabisch Wirtschaftsbeziehungen gerückt.
Der Botschafter der Republik Jemen und Doyen der arabischen Botschafter in Deutschland Mohy Ad-Din Al-Dhabbi konzentrierte sich in seiner Rede auf die Wichtigkeit des gegenseitigen wirtschaftlichen Engagements deutscher und arabischer Unternehmer gerade in Zeiten schwieriger weltwirtschaftlicher Begleitumstände. Eine Vertiefung solcher Beziehungen sei auch insofern bedeutsam, als sie dem Gedanken des Kampfes der Kulturen und Religionen entgegenwirke.
Es war Scheich Abdulrahman Al Jeraisy, Präsident des Verbandes der saudischen Handelskammern, vorbehalten, über den Aspekt des gegenseitigen Verstehens und der Toleranz zu sprechen. Er wies das insbesondere nach den Anschlägen von Riad von manchen Medien vermittelte negative Image von Saudi-Arabien zurück und betonte die toleranten und humanitären Prinzipien des Islam, denen sich das Königreich verpflichtet wisse und betonte, dass entgegen einer im Westen verbreiteten Annahme auch saudische Frauen eine immer größere Rolle im Wirtschaftsleben des Landes spielten. Al Jeraisy betonte, Saudi-Arabien bleibe ein Land von enormer Wirtschaftskraft mit einem vielfältigen industriellen Potenzial und wolle die Kooperation mit ausländischen und insbesondere deutschen Partnern fortsetzen und verstärken.
Auf einer sich anschließenden Pressekonferenz stellten sich Günter Rexrodt und Ludwig Georg Braun den Fragen von Journalisten. GHORFA-Präsident Rexrodt verwies auf die zunehmende Wichtigkeit von qualifizierten Dienstleistungen im internationalen Geschäft und betonte, dass deutsche Firmen auch in diesem Bereich in besonderem Maße konkurrenzfähig seien. Es gelte, die Chancen zu nutzen, die sich aus den deutlich liberalisierten Investitionsvorschriften der meisten arabischen Länder ergäben. Wie groß der Spielraum für deutsche Unternehmer sei, hätten auch die von der GHORFA organisierten Delegationsreisen in fünf arabische Länder im laufenden Jahr gezeigt. Auf die Frage nach den im letzten Jahr wieder gesunkenen arabischen Exporten nach Deutschland erklärte DIHK-Präsident Braun, dass dies nicht nur mit dem arabischen Angebot zu tun habe, sondern teilweise auch mit der schwachen deutschen Konjunktur und dem damit verbundenen geringeren Konsum. Zu einer Frage nach Handelshindernissen ergänzte Herr Rexrodt, dass die Öffnung der europäischen Märkte für Produkte aus Entwicklungsländern, zu der sich Deutschland bekenne, eine gesamteuropäische Aufgabe sei, deren Umsetzung auf Grund divergierender Auffassungen innerhalb der EU nicht schnell zu bewältigen sei. Der DIHK-Präsident verwies auf die in der Öffentlichkeit zu wenig wahrgenommene zunehmende Wichtigkeit der arabischen Märkte und hob das Beispiel der Länder des Golfkooperationsrates hervor, die bis 2005 den zollfreien Warenverkehr mit der EU realisieren wollen. Zudem werde sich durch den sich erweiternden innerarabischen Freihandel die Zerstückelung der arabischen Märkte für europäische Investoren verringern. Die arabische Wirtschaft sei auch deswegen interessant, weil die arabischen Regierungen einen Prozess der Reformen eingeleitet hätten und dabei seien, große Infrastrukturprojekte umzusetzen, aus denen sich gute Chancen für deutsche Firmen ergäben. Das gelte nicht nur für den Irak, für den ein stabiler und tragfähiger Wiederaufbau auch wichtig sei, um politische Stabilität zu erreichen. Dafür mahnte Braun einen Schuldenerlass für das Land an. Im Weiteren zeigte sich Braun zuversichtlich, dass die Auftragsvergabe im Irak nicht nur aus politischen Erwägungen gesteuert, sondern sich schon bald am Bedarf orientieren werde, wodurch sich für deutsche Firmen gute Einstiegschancen ergäben.
In sieben unterschiedlichen Workshops zu den Themenkreisen Medizintechnik, IT, Energie, Infrastruktur und Umwelttechnologie, Irakgeschäft und Rechtliche Rahmenbedingungen wurden am selben Tag knapp 50 Referate zu verschiedensten Themen vorgetragen. Besonderen Zulauf verzeichnete das Irak-Panel, wo deutsche und arabische Experten, von denen viele den Irak kurz zuvor bereist hatten, ihre Einschätzungen zur aktuellen Situation und zu den voraussichtlichen Entwicklungen im Nachkriegsirak darlegten. In den Ausführungen der Sprecher wurde deutlich, dass rechtlich noch keine Situation eingetreten ist, die im Zweifelsfall Sicherheit für Irakgeschäfte bietet. Abgesehen davon sei es aber denkbar, bereits jetzt in der Frühphase Vertriebsnetze im Land aufzubauen. Eine rechtliche Absicherung von Handelsverträgen sei allerdings erst nach Ablauf mindestens eines Jahres wahrscheinlich. Eine Registrierung deutscher Firmen beim US-Konzern Bechtel als der mit dem Wiederaufbau beauftragten Firma sei nicht ratsam, da hier meist Klauseln unterschrieben werden müssten, die vom deutschen Gesetz nicht gedeckt seien. Auch von Reisen nach Irak wurde wegen des noch geschlossenen Flughafens und der instabilen Sicherheitssituation im Land abgeraten, obschon es möglich sei, von Jordanien aus auf dem Landweg ohne Visum einzureisen. Einigkeit bestand in der Erwartung, dass sich sowohl die logistische Situation, beispielsweise mit der Wiedereröffnung des Flughafens von Bagdad in einigen Wochen oder Monaten, als auch die administrative Situation im Irak im Laufe der nächsten Monate verbessern werde. Zudem wurde darauf verwiesen, dass es trotz allem ratsam sein könne, zumindest alte Geschäftskontakte nach Irak wieder aufzunehmen, um zu einem späteren Zeitpunkt wieder aktiv einzusteigen.
In der das Wirtschaftsforum abschließenden Plenarsitzung wurden Finanzierungsfragen und Aspekte der allgemeinen und rechtlichen Rahmenbedingungen für Investitionen in den arabischen Golf- und Maghrebstaaten, insbesondere in Katar, Jemen, Jordanien und Libyen behandelt.