Eine Designerhandtasche aus alten Plastiktüten, poppige Teppiche aus Wasserflaschen und Reisetaschen aus Lastwagenplane? Soziale Startups machen schicke Mode aus Müll – „Upcycling“ ist der neue Trend in Ägypten. Der Gedanke der Kreislaufwirtschaft, bekannter unter der englischen Bezeichnung „Circular Economy“, gewinnt an Popularität. Das neue Abfallgesetz aus dem Jahr 2020 nimmt diese Gedanken auf – und bietet Investitionschancen für ausländische Unternehmen. Auch jenseits der Mode-Industrie.

Ägypten hat ein Müllproblem. Zwischen 50 und 100 Millionen Tonnen Müll fallen in dem Land am Nil jährlich an, Schätzungen zufolge wird nur etwas mehr als die Hälfte systematisch entsorgt. Müll wird unsachgemäß am Stadtrand aufgehäuft, Plastiktüten wehen über die Felder, Wüstenwadis sind gefüllt mit Abfall. Mit der wachsenden Bevölkerung und dem zunehmenden Konsum wird die Herausforderung von Jahr zu Jahr größer.

Dabei hat Recycling in Ägypten eine lange Tradition. Lange war die Kairoer Müllabfuhr in den Händen der „Zabaleen“ (Arabisch für Müllsammler). Die „Zabaleen“ sammeln mit Eselskarren und Pick-up Trucks die Abfälle der Mega-City und sortieren diese in einem Viertel am Fuße des Mokattam-Berges – Recyclingquote von 80 Prozent. Ägypten ist prädestiniert für das Konzept der Kreislaufwirtschaft (neudeutsch „Circular Economy“), dem die Einsicht zugrunde liegt, dass unsere Ressourcen endlich sind. Die Idee, die international etwa von der „Ellen McArthur Foundation“ popularisiert wird, ist einfach: Statt immer neue Produkte aus endlichen Rohstoffen herzustellen und nach Gebrauch in den Müll zu werfen, sollen Güter verstärkt repariert, wiederverwendet und recycelt werden. In einem Land mit einer stark wachsenden Bevölkerung und großen Einkommensunterschieden eigentlich eine Selbstverständlichkeit.

Doch mit dem rasanten Bevölkerungswachstum und steigendem Konsum sind die traditionellen Strukturen überfordert. Hinzu kommen ungesunde Arbeits- und Lebensbedingungen der „Zabaleen“.

Nachhaltigkeit als Mainstreamthema

Lange mangelte es für Fragen der Kreislaufwirtschaft an einem institutionellen Rahmen. In Ägypten gibt es zwar seit vielen Jahren eine aktive Umweltbewegung. Umwelt und Naturschutz ist seit Jahren fest etabliert, wenn auch als Nischenthema. Gleichwohl ist das Umweltgesetz aus dem Jahr 1994 nicht mehr auf der Höhe der Zeit. Gesetzliche Regelungen zum Recycling fehlen. Erst in den letzten Jahren hat sich das geändert. Nachhaltigkeit, Umweltschutz und Kreislaufwirtschaft entwickeln sich zu Mainstream-Themen.

Der Umweltsektor ist ein Schwerpunkt der sehr aktiven ägyptischen Startup-Szene. Zusätzlich zu hippen Modelabeln finden sich auch bodenständige Geschäftskonzepte, die etwa anbieten, recyclingfähigen Müll gegen Produkte des täglichen Bedarfs zu tauschen. Die Einstellung zum Abfall ändert sich. Was früher Müll war, der entsorgt werden muss, ist jetzt ein Rohstoff. Recycling ist schick und wird nicht länger der informellen Wirtschaft überlassen.

Das neue Abfallgesetz

Mit dem 2020 erlassenen Abfallgesetz hat die Regierung einen neuen Rechtsrahmen für die Abfallentsorgung und die Entsorgungswirtschaft geschaffen. Ziel des Gesetzes ist es, die sichere Entsorgung von Abfällen jeglicher Art zu gewährleisten und Investitionen des Privatsektors in die Entsorgungswirtschaft zu fördern. Recycling ist dabei eine der Prioritäten.

Für die Umsetzung des Gesetzes zuständig ist die ägyptische „Waste Management Regulatory Authority“ (WMRA). Mit dieser Einrichtung konzentriert das Gesetz im Interesse der Durchsetzungseffizienz die zuvor auf verschiedene Ministerien und Behörden versprengten Zuständigkeiten auf eine Behörde. Diese entwickelt eine nationale Strategie für das Abfallmanagement, reguliert und überwacht die Entsorgungswirtschaft und entwickelt Investitionsmöglichkeiten im Abfall- und Recyclingsektor. Der Direktor der WMRA wird unmittelbar vom Premierminister ernannt und ist neben anderem zuständig für die Erteilung von Genehmigungen in der Abfallwirtschaft.

Zu den Aufgaben der WMRA gehört unter anderem der Kampf gegen den Plastikmüll. Das neue Abfallgesetz schafft erstmals eine Grundlage, um den Import und die Nutzung von Plastiktüten zu begrenzen. Von einem allgemeinen „Polluter Pays“-Prinzip, nach dem der Hersteller eines Produkts auch mit den Entsorgungskosten belastet wird (wie das etwa der deutsche „Grüne Punkt“ für Verpackungsmüll vorsieht) ist Ägypten aber noch weit entfernt.

Chancen für deutsche Unternehmen

Die deutsche Entwicklungszusammenarbeit ist seit langem in Abfallsektor in Ägypten tätig. Im Rahmen einer 70 Millionen Euro schweren Sektorinitiative unterstützt die deutsche Entwicklungszusammenarbeit eine Reform der regulatorischen Rahmenbedingungen und investiert in die Entsorgungsinfrastruktur von vier der 27 ägyptischen Gouvernorate. Abfallentsorgung, so eine Erkenntnis, ist ein lokales Thema, das zentral von Kairo aus nicht gelöst werden kann.

Für deutsche Unternehmen bietet sich hier eine Vielzahl von Geschäftsmöglichkeiten. Das gilt zum einem in den klassischen Bereichen des Anlagenbaus, des Engineering und Consulting. Aber auch der Betrieb von Entsorgungs- und Recyclinganlagen in der Rechtsform von „Private Public Partnerships“ (PPP) ist denkbar. Hinzu kommen Möglichkeiten in Bereichen wie „Waste to Energy“ oder der Behandlung von Spezialabfällen. Unterstützung bieten hier Initiativen wie die „German ReTech“, ein Verein von Unternehmen der Entsorgungswirtschaft, der Ende 2011 aus der Initiative „Recycling und Effizienztechnik“ des BMU hervorgegangen ist (https://www.retech-germany.net/en/). Die deutsche Wirtschaft ist hier hervorragend aufgestellt.

Mit einer Bevölkerung von 100 Millionen Menschen gehört Ägypten zu den großen Volkswirtschaften in Afrika. Die KfW schätzt den Investitionsbedarf in der ägyptischen Abfallwirtschaft auf drei Milliarden Euro. Damit gibt es viel zu tun. Nicht nur bei der Herstellung von Designerhandtaschen.

Von: Dr. Kilian Bälz, LL.M., ist Rechtsanwalt und Partner bei Amereller Rechtsanwälte PmbB. Von Berlin und Kairo aus berät er deutsche und internationale Unternehmen bei Investitionen in der MENA-Region. Ägypten ist dabei ein Schwerpunktland.