Die Internationale Energieagentur (IEA) prognostiziert, dass der Oman bis 2030 zum größten Wasserstoffexporteur im Nahen Osten und weltweit zum sechstgrößten aufsteigen könnte. Das Sultanat setzt den ambitionierten Plan mit Akribie um. Deutsche Firmen und Institutionen sollen helfen.

Momentan macht der Export von Erdöl und Erdgas fast drei Viertel der Staatseinnahmen des Oman aus. Die fossilen Reserven sind im Vergleich zu den Nachbarländern geringer, die Förderung ist teurer. Deshalb will die Regierung die Wirtschaft nach den Vorgaben der nationalen „Vision 2040“ diversifizieren und die Finanzen stabilisieren. Die Schaffung von Arbeitsplätzen für die junge, gut ausgebildete Bevölkerung gehört zu den zentralen Zielen. Der Klimawandel verstärkt den Handlungsdruck.

Mit einer „Royal Directive“ hat S.M. Sultan Haitham Bin Tarek Oman verpflichtet, bis 2050 Netto-Null-CO2-Emissionen zu erreichen, schon bis 2030 sollen die Emissionen um 21 Prozent gegenüber dem Referenzscenario reduziert werden. Die Ziele sind ambitioniert, allerdings sind die heutigen Pro-Kopf-Emissionen mehr als doppelt so hoch wie in Deutschland. Dies liegt vor allem an der Öl- und Gasförderung sowie daran, dass die Industrie, die etwa ein Drittel der Emissionen verursacht, sehr energieintensiv ist. Durch den Einsatz von Wasserstoff (H2) sollen insbesondere Raffinerien und die Produktion von Ammoniak, Methanol und Stahl dekarbonisiert werden. Zudem will Oman grünen Wasserstoff in großen Mengen exportieren.

Oman verfügt über ideale natürliche Ressourcen für die Produktion von grünem Wasserstoff. An den Küsten des Indischen Ozeans sind die Windverhältnisse exzellent und ergänzen die Solarstromproduktion sehr gut, da vor allem nachts oft stärkere Winde wehen. Zudem bieten die Standorte am offenen Ozean in Oman die Möglichkeit, Meerwasserentsalzungsanlagen für die H2-Produktion zu errichten. Darüber hinaus können die vorhandenen Salzstöcken möglicherweise für die Anlage von Kavernen zur Speicherung von H2 genutzt werden. Oman verfügt auch über zwei strategisch günstige Hochseehäfen in Salalah und Duqm außerhalb der Straße von Hormus. Sie bieten ideale Bedingungen für den Export von H2-Derivaten, in Flüssigkeiten gebundenem Wasserstoff (LOHC) und möglicherweise in der Zukunft auch von verflüssigtem Wasserstoff.

Um dieses Potenzial optimal zu nutzen, hat Oman eine Wasserstoffstrategie entwickelt, die bis 2030 eine jährliche Produktion von einer Million Tonnen grünem Wasserstoff vorsieht. Bis 2040 soll die Produktion auf 3,5 Millionen und bis 2050 auf rund 8 Millionen Tonnen pro Jahr gesteigert werden.

Geplant ist die Entwicklung eines umfassenden Wasserstoff-Ökosystems. Als zentrales Instrument wurde die staatliche „Hydrom“ geschaffen, die als One-Stop-Shop den Masterplan für alle grünen Wasserstoffprojekte entwickelt. Hydrom weist zudem die staatlichen Landflächen aus, soll die Projekten an Entwickler vergeben und schließlich die Durchführung dieser Projekte beaufsichtigen. In den ersten Auktionsrunden 2023 und 2024 wurden an insgesamt acht Projekte mit einem Investitionsvolumen von 48 Milliarden Dollar Konzessionsflächen von je ca. 320 km2 vergeben für eine geplanten Kapazität von 35 GW erneuerbarer Energien, um jährlich etwa 1,4 Millionen Tonnen grünen Wasserstoff zu erzeugen (siehe Tabelle S. xx). Neben internationalen Firmen aus Europa, Australien, Japan, Südkorea und den GCC-Ländern ist auch die staatliche OQ Alternative Energy als „National Champion“ an drei Projekten beteiligt.

Hydroms Mandat umfasst auch die Entwicklung einer gemeinsamen Infrastruktur für diese Projekte über die staatliche INFRACO. Nationale Unternehmen sollen Wasserleitungen, Wasserstoffpipelines und Stromleitungen errichten. Schrittweise soll bis 2050 ein etwa 2 000 km langes Wasserstoffnetz gebaut werden, das im ersten Schritt bis 2030 die Projekte mit den Häfen und der neu angesiedelten Industrie verbindet.

Maximierung der Wertschöpfung

Oman hat hohe Erwartungen in die Schaffung von In-Country Value (ICV) und die Stärkung der heimischen Industrie durch die Wasserstoffwirtschaft, indem entlang der gesamten Wertschöpfungskette gezielt Industrien lokalisiert werden. Oman will künftig Solarpaneele, Windkraftanlagen und Elektrolyseure selbst herstellen. Gleichzeitig wird der Aufbau einer grünen Downstream-Industrie, etwa für grünen Stahl, Glas, Kraftstoffe und Chemikalien vorangetrieben. Der neue Sektor soll auch Impulse für andere Sektoren wie Bergbau und Landwirtschaft geben.

Oman setzt stark auf langfristige Partnerschaften mit internationalen Unternehmen. Sie sollen moderne Technologien einbringen, bedeutende Investitionen tätigen und mit lokalen Unternehmen kooperieren. Durch Schulungen und Ausbildungsprogramme sollen lokales Wissen gestärkt und Arbeitsplätze geschaffen werden.

Internationale Kooperation

Derzeit arbeitet der Oman intensiv an Möglichkeiten, grünen Wasserstoff und seine Derivate an europäische Abnehmerzentren zu transportieren. Im März besuchte der omanische Minister für Energie und Mineralien, H.E. Salim Al Aufi mit einer hochrangigen Delegation den Berlin Energy Transition Dialogue (BETD). Er nutzte seine Reise auch zu Treffen mit potenziellen Wasserstoffabnehmern und Technologieanbieter in verschiedenen Teilen Deutschlands. Auf deutscher Seite werden diese Kooperationen durch H2-Diplo, die AHK und den Energie-Dialog des Bundesministeriums für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) unterstützt. Mit Siemens Energy wurde bereits ein Memorandum of Understanding (MoU) zur einer Studie über die Montage von Elektrolyseuren in Oman unterzeichnet.

Ausbildung von Fachkräften

Lokales Fachwissen und technische Fähigkeiten sind in Oman nicht in dem Umfang vorhanden, der für mehrere Großprojekte erforderlich ist. Eine Studie im Auftrag des BMWK prognostiziert die Schaffung von 290.000 bis 380.000 neuen Arbeitsplätzen. Die meisten dieser neuen Arbeitsplätze erfordern keine akademische Vorbildung. Dennoch ist es notwendig, zeitnah Führungskräfte auszubilden, die die künftige Wasserstoffwirtschaft mitgestalten können.

Die German University of Technology in Oman (GUtech), 2007 mit Unterstützung der RWTH Aachen und omanischen Investoren gegründet, hat 2023 in Zusammenarbeit mit deutschen Partnern einen Masterstudiengang entwickelt. Er deckt die gesamte Wertschöpfungskette ab, von der Erzeugung erneuerbarer Energien über die Wasserstoffproduktion, -speicherung, -transport und -verteilung bis hin zur Nutzung in verschiedenen Anwendungen. Außerdem spielen sicherheitstechnische, wirtschaftliche, marktpolitische und regulatorische Aspekte und Querschnittsthemen sowie Fragen der Nachhaltigkeit eine zentrale Rolle. Hauptzielgruppe sind Berufspraktiker im mittleren Management anderer Wirtschaftsbereiche wie z.B. der Öl- und Gasindustrie, die sich der Wasserstoffwirtschaft zuwenden wollen.

Die GUtech beheimatet als wissenschaftliche Einrichtung auch das Oman Hydrogen Center (OHC). Es ist in der Forschung und Entwicklung breit aufgestellt und international vernetzt. Ende 2024 wird sie ein eigenes Wasserstofftechnologie-Labor eröffnen. Die GUtech ist auch ein Anlaufpunkt für europäische Unternehmen und Institutionen, die den Marktzugang in Oman planen.

Die Projekte sind noch in der Planungsphase, und die Marktunsicherheit sowie noch fehlende Abnahmeverträge erschweren die Umsetzung. Zudem muss Oman sicherstellen, trotz der maritimen Transportkosten wettbewerbsfähig zu bleiben: Es ist nicht durch Pipelines mit seinen Zielmärkten in Europa und Asien verbunden. Insgesamt ist Oman auf einem guten Weg. Die kommenden Jahre werden zeigen, wie die Herausforderungen gemeistert werden können.

 

Von Prof. Dr. Michael Braun und Dr. Ruth Prelicz

Prof. Dr. Michael Braun ist Physiker und seit 2022 Rektor der German University of Technology in Oman (GUtech), der einzigen „deutschen“ Universität auf der arabischen Halbinsel. Sie versteht sich als Brücke zwischen Ländern und Kontinenten und auch zwischen Wirtschaft und Wissenschaft. Seine Stationen führten Braun von der Grundlagenforschung in die Industrie und wieder zurück in den Hochschulbereich. Er war Mitglied in Aufsichts- und Beratungsgremien zahlreicher Wirtschaftsunternehmen und erhielt Auszeichnungen als Wissenschaftler und als Hochschulmanager.

Dr. Ruth Prelicz leitet das H2-diplo Projekt in Oman und bringt fast 20 Jahre internationale Erfahrung in der Energiebranche mit, insbesondere aus Asien und Europa. Vor ihrer aktuellen Position hat sie auf einem Projekt zu Wasserstoffgasleitungsnetzen gearbeitet. Dr. Prelicz ist auf die Beratung und Unterstützung staatlicher Stellen und privater Akteure im Bereich der Dekarbonisierung des Energiesektors spezialisiert.