Rund 80 deutsche Unternehmen nahmen teil an einem Business Treffen mit Ali Larayedh, Ministerpräsident der Republik Tunesien, der in Begleitung einer hochrangigen Delegation aus Politik und Wirtschaft nach Berlin kam. Die Ghorfa Arab-German Chamber of Commerce and Industry veranstaltete das Meeting in Kooperation mit der Botschaft der Republik Tunesien am 7. Juni in Berlin. Zu der Delegation gehörten unter anderem Mehdi Jomaâ, Minister für Industrie, und Ridha Saidi, tunesischer Minister beim Premierminister, Beauftragter für Wirtschaftsangelegenheiten. Die Veranstaltung diente dem Austausch über die politische und wirtschaftliche Situation in Tunesien.
Abdulaziz Al-Mikhlafi, Generalsekretär der Ghorfa Arab-German Chamber of Commerce and Industry, und Elyes Ghariani, Botschafter der Republik Tunesien, begrüßten die Teilnehmer. Sie hoben die Ausweitung der Aktivitäten der rund 270 deutschen Unternehmen in Tunesien positiv hervor. In diesem Zusammenhang dankte der Botschafter der Republik Tunesien Deutschland für die Unterstützung während der Transformationsphase.
Ali Larayedh, Ministerpräsident der Republik Tunesien, sprach über die besondere Beziehung zwischen Deutschland und Tunesien. Er begrüße eine weitere Kooperation für eine effektive und gewinnbringende Partnerschaft. Mit der neuen Verfassung und den für 2013 geplanten Wahlen befinde sich Tunesien auf einem guten Weg. Die Schaffung stabiler Institutionen sei essentiell zur Vorbereitung der Wahlen. Einen besonderen Stellenwert lege die tunesische Regierung auf die regionale Förderung sowie die Schaffung neuer Arbeitsplätze.
Die Sicherheitslage verbessere sich stetig, so der Ministerpräsident. Die Touristenzahl wachse auch wieder konstant. Im Jahr 2012 habe Tunesien knapp sechs Mio. Touristen begrüßt. Zwar bedeute dies eine deutliche Steigerung im Vergleich zu 2011. Die Touristenzahl von 2010 sei damit jedoch noch nicht wieder erreicht.
Der Ministerpräsident thematisierte die Ziele der Regierung: „Wir wollen Verwaltungsabläufe vereinfachen und das Klima für Investitionen verbessern“. Deshalb sei ein neues Investitionsgesetz zwischen dem Staat und privaten Partnerschaften geplant. Weitere Ziele seien eine verbesserte Infrastruktur, Stabilität, Public-Private Partnerships und eine Diversifizierung der Wirtschaft.
Deutschland sei ein wichtiger Wirtschaftspartner Tunesiens, so der Ministerpräsident: „Wir begrüßen alle Investoren aus Deutschland“. Es gebe ein großes Interesse an Partnerschaften im Energiesektor, besonders bei den erneuerbaren Energien. Auch Landwirtschaft biete noch großes Potenzial. Weitere Branchen mit großen Geschäftschancen seien Kommunikationstechnik und die Automobilindustrie. Ca. 270 deutsche Unternehmen seien in Tunesien aktiv. Während der Transformationsphase hätten deutsche Unternehmen Tunesien nicht verlassen. Im Gegenteil – sie hätten ihre Aktivitäten sogar noch verstärkt. Der Ministerpräsident wies darauf hin, dass Tunesien 2012 wirtschaftlich stabil gewesen sei und 2013 mit einer positiven wirtschaftlichen Entwicklung zu rechnen sei.
So sagt der Internationale Währungsfond (IWF) für das Bruttoinlandsprodukts (BIP) Tunesiens im Jahr 2013 ein Wachstum von vier Prozent voraus. 2012 hatte das BIP-Wachstum Tunesiens laut IWF bei 3,6 Prozent gelegen.
Auch Ernst Burgbacher, Parlamentarischer Staatssekretär im Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie, ging auf das große Potenzial besonders im Bereich Energie und hier bei den Erneuerbaren Energien und in der Tourismusbranche ein. So hätten der Bundesminister für Wirtschaft und Technologie, Dr. Philipp Rösler, und der tunesische Minister für Wirtschaft beim Premierministeramt, Ridha Saidi, am 28. Januar 2013 in Berlin den offiziellen Startschuss für die Deutsch-Tunesische Energiepartnerschaft gegeben. Schwerpunkte der Kooperation bildeten Stromnetzausbau, Energieeffizienz, Energieforschung und erneuerbare Energien. Burgbacher dankte den deutschen Unternehmen, dass sie auch in schwierigen Zeiten in Tunesien geblieben seien: „dies war eine kluge Entscheidung“.
Noureddine Zekri, Generaldirektor der FIPA (tunesisches Förderungsamt für ausländische Investitionen), im Anschluss, begrüßte die vielen neuen Investitionen der deutschen Industrie in Tunesien im Jahr 2012. Als Branchen mit Potenzial nannte er Fahrzeugmontage, Textilindustrie und Nahrungsmittelproduktion.
Die Investitionen in den Industriesektor Tunesiens lagen in den ersten fünf Monaten dieses Jahres um 17 Prozent höher gegenüber dem Vorjahreszeitraum. 2012 waren die Gesamtinvestitionen in die Industrie um 6,5 Prozent gewachsen.
Hishem Elloumi, Vizepräsident der UTICA (Union Tunisienne de l’Industrie, du Commerce et de l’Artisanat) hob das hohe Humankapital Tunesiens positiv hervor. 2012 seien 40 Prozent der tunesischen Exporte aus den Bereichen Automobilzubehör und Eletronik erfolgt. Amelia Zinke, Linde AG, Linde Gas Devision, präsentierte die Linde AG und sprach über deren Erfahrungen in Tunesien und den stabilisierenden Einfluss von Investitionen auf die tunesische Wirtschaft. Als wirtschaftlichen Pluspunkt bezeichnete sie die geografische Nähe zu Europa. Damit bleibt Tunesien ein guter Produktionsstandort für eine exportorientierte Industrie.
Laut Mehdi Jomaâ, Minister für Industrie, entwickle sich der tunesische Gesundheitsmarkt auch durch Patienten aus dem Ausland sehr gut. Hinsichtlich Erneuerbarer Energien wolle Tunesien den Anteil an der Energieproduktion bis 2023 auf 30 Prozent erhöhen, so der Minister. Derzeit liege der Anteil bei rund fünf Prozent.
Abdulaziz Al-Mikhlafi, Generalsekretär der Ghorfa, leitete eine Diskussionsrunde, in der die Unternehmen ihre Fragen und Anregungen den Ministern vorbringen konnten. Zahlreiche millionenschwere Projekte befinden sich in Tunesien in der Durchführung oder in der Vorstudienphase. Die Autobahnstrecken Gabes-Medenine- Ras Jedir und Oued Zarga Bou Salem sehen eine Investitionssumme von 839 Mio. US-Dollar vor. Die Strecke Oued Zarga-Bou Sakem soll Ende 2015 fertig sein; die Strecke Gabes-Pas Jedir Anfang 2018. Kurz vor der Fertigstellung steht das STEG – Souss Gas- und –Dampfkraftwerk, mit einer Investitionssumme von 400 Mio US-Dollar, bei dem zwei Gas-Dampf-Kombikraftwerke mit jeweils 400 MW entstehen. Für das El Haouaria-Kraftwerk (Elmed PP) mit einer Investitionssumme von 2,2 Mrd. US-Dollar ist die Präqualifikation abgeschlossen. Hier wird ein Kraftwerk für einen unabhängigen Stromproduzenten in El Haouaria mit Energieexporten über Unterseekabel (800MW) entwickelt. Die Raffinerie in La Skhira, die eine Investitionssumme von 2.000 Mio US-Dollar vorsieht, soll eine Kapazität von rund 120.000 Barrel ermöglichen. Die Fertigstellung ist für Ende 2016 geplant. Weitere Großprojekte, die sich in der Vorstudienphase befinden, sind El Fouladh – Stahlwerkerweiterung mit einer Investitionssumme von 200 Mio US-Dollar und einer geplanten Produktionskapazität von 200.000 Tonnen pro Jahr auf 900.000 Tonnen pro Jahr sowie das STEG – Nefta Solarkraftwerk mit einer Investitionssumme von 65 Mio US-Dollar. Die Solaranlage mit 20 MW Leistung ist Teil des tunesischen Solarplans. Die Ausschreibung ist für Januar 2014 geplant.
Laut Ridha Saidi, Minister beim Premierminister, Beauftragter für Wirtschaftsangelegenheiten, gingen die deutsch-tunesischen Beziehungen gestärkt aus der tunesischen Umbruchphase hervor. Die wirtschaftliche Kooperation mit Deutschland werde in Tunesien sehr begrüßt. Besonders spezialisierte deutsche Unternehmen könnten eine wichtige Rolle spielen, wie man an der Entwicklung der erneuerbaren Energien in Tunesien erkennen könne.
Eine nachhaltige wirtschaftliche Entwicklung besonders des Landesinneren werde angestrebt. Die Regierung reformiere die nationale Wirtschaft, um sie effizienter und wettbewerbsfähiger zu gestalten. Investitionen aus dem In- und Ausland spielten hierbei eine zentrale Rolle. Besonders die Tourismus- und Gesundheitsbranche sei für Investoren interessant. Als Beispiel nannte er Thermalbäder: Im Süden des Landes gäbe es eine Region mit heißen Quellen, die bisher nur landwirtschaftlich, aber in Zukunft auch touristisch genutzt werden solle. Tunesien strebe qualitativ hochwertige Produkte und Leistungen im Tourismussektor an. Das touristische Angebot Tunesiens sei zunehmend vielseitig. Notwendig seien der Ausbau und die Weiterentwicklung der Logistik.
Im Anschluss gab es B2B-Gespräche mit den Gästen aus Tunesien bei einem Business-Lunch.
Insgesamt sind die Aussichten der deutsch-tunesischen Wirtschaftsbeziehungen sehr positiv. 2012 betrug der bilaterale Handel knapp drei Milliarden Euro, mit gleichmäßiger Beteiligung Tunesiens und Deutschlands. Die deutschen Einfuhren aus Tunesien betrugen 1.458,7 Mio. Euro. Die deutschen Exporte nach Tunesien beliefen sich auf 1.402,8 Mio. Euro. Deutsche Unternehmen haben ihr Engagement auch 2012 fortgesetzt und kräftig investiert. Deutschland ist der drittgrößte Handelspartner und ausländische Investor in Tunesien. Weitere Kooperationsmöglichkeiten liegen besonders in den Bereichen Infrastruktur, Tourismus, Lebensmittel- und Textilindustrie, Telekommunikation, Gesundheit und erneuerbare Energien.