Für das ökonomische Wachstum Tunesiens bilden erneuerbare Energien einen Schwerpunkt. Der Aktionsplan für erneuerbare Energien 2030 zielt auf die Installation von 1,0 GW an Infrastruktur im Zeitraum 2018-2020 und weitere 1,3 GW an erneuerbaren Kraftwerken im Zeitraum 2021-2030. Die Regierung will den Anteil der erneuerbaren Energien von etwa 8 Prozent im Jahr 2022 auf 35 Prozent der Stromerzeugungskapazität bis 2030 erhöhen. Ein starker Ausbau der erneuerbaren Energien würde den Übergang von einem Teufelskreis aus teuren Importen fossiler Brennstoffe, die hohe jährliche Handels- und Haushaltsdefizite zur Folge haben, zu einem positiven Kreislauf ermöglichen, der aus niedrigeren Stromkosten, geringeren Importen fossiler Brennstoffe, Exporten von Strom und grünem Wasserstoff, niedrigeren Energiesubventionen und besseren Haushalts- und Handelsbilanzsalden bestehen würde.

Das Land verfügt  über ein enormes Potenzial an Sonnenenergie und arbeitet nun an der Nutzung dieses Potenzials. Es betreibt nach Angaben der internationalen Organisation „Global Forum on Sustainable Energy“ fünf Solarparks mit einer Leistung von ca. 500 MW. Aber auch für die Windenergie gibt es vielversprechende Perspektiven. So hat der tunesische Strom- und Gasversorger STEG (Société Tunisienne de l’Electricité et du Gaz) 2024 vier neue Windparks mit einer Leistung von ca. 500 MW in Betrieb genommen.

Gemäß ihrer Presseinformationen vom August 2024 fördert die Europäischen Bank für Wiederaufbau und Entwicklung (European Bank for Reconstruction and Development – EBRD) gemeinsam mit der französischen Entwicklungsagentur Proparco den grünen Wandel in Tunesien, indem sie den Bau und Betrieb von zwei Photovoltaik-Solarkraftwerken in den Regionen Tozeur und Sidi Bouzid finanzieren. Die EBRD war in den vergangenen Jahren ein wichtiger Partner bei der Entwicklung des tunesischen Sektors für erneuerbare Energien und hat das norwegische Unternehmen Scatec, einen führenden Anbieter erneuerbarer Energien, seit Beginn dieser Projekte unterstützt. Die beiden Photovoltaik-Kraftwerke mit einer installierten Leistung von jeweils 60 MW werden von Scatec und Aeolus, einem Teil des japanischen Mischkonzerns Toyota Tsusho Group, entwickelt. Die Projekte sind ein wichtiger Meilenstein für das Land bei der Erfüllung seines Versprechens, die Stromerzeugung aus erneuerbaren Energien auszubauen und gleichzeitig seine Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen zu verringern.

Für die Investitionen der AMEA Power Ltd in das Kairouan-Solarkraftwerk hat die Multilaterale Investitionsgarantie-Agentur der Weltbankgruppe (MIGA) eine Garantie in Höhe von 23,5 Mio. US-Dollar gewährt. Das Projekt wird auch von der International Finance Corporation der Weltbankgruppe (IFC) und der Afrikanischen Entwicklungsbank finanziert. Die MIGA-Garantie wird die Entwicklung, die Finanzierung, den Bau, den Betrieb und die Instandhaltung dieses netzgekoppelten Photovoltaik-Kraftwerks mit einer Leistung von 100 MW ermöglichen. Der vom Kraftwerk erzeugte Strom wird im Rahmen eines 20-jährigen Stromabnahmevertrags an das staatliche Unternehmen STEG verkauft werden. Dieses Projekt wird der erste große, privat finanzierte Solarstromerzeuger des Landes sein.

Ferner hat die EBRD im August 2024 ein Finanzierungspaket von 45 Mio. € zur Verfügung gestellt, um die Energiewende und die Dekarbonisierung des tunesischen Energiesektors zu unterstützen. Dieses Paket wird dazu beitragen, bis 2028 den Bau von ELMED zu finanzieren, einem 600-MW-Hochspannungs-Gleichstrom-Seekabel mit einer Länge von 200 km, das die Stromübertragungsnetze Tunesiens und Italiens miteinander verbindet. Die Finanzierung wird auch einen Beitrag leisten, die europäischen und nordafrikanischen Stromnetze zu integrieren und die Entwicklung der erneuerbaren Energien in Tunesien zu beschleunigen.

Auch treibt Tunesien seine Strategie für grünen Wasserstoff voran, mit dem Ziel, bis 2050 8,3 Mio. t zu produzieren, davon 2,3 Mio. t für den Inlandsverbrauch und 6 Mio. t für den Export. Das Ministerium für Industrie, Bergbau und Energie hat vor kurzem mit mehreren internationalen Energieunternehmen Absichtserklärungen zum Bau von Anlagen für grünen Wasserstoff unterzeichnet. Wie Total Energies im Mai 2024 berichtete, hat das Joint Venture TE H2 gemeinsam mit VERBUND, Österreichs führendem Elektrizitätsunternehmen, eine Absichtserklärung mit der Republik Tunesien unterzeichnet. TE H2 ist ein 80/20-Joint-Venture von TotalEnergies und der EREN Groupe, das sich auf die Entwicklung und Strukturierung von Großprojekten mit grünem Wasserstoff an erstklassigen Standorten mit außergewöhnlichen erneuerbaren Ressourcen spezialisiert hat, z. B. in Nordafrika, Lateinamerika und Australien. Inhalt der mit Tunesien getroffenen Vereinbarung bildet die Umsetzung eines großen Projekts zur Erzeugung von grünem Wasserstoff mit dem Namen „H2 Notos“ in Südtunesien, der über Pipelines nach Mitteleuropa exportiert werden soll.

H2 Notos zielt darauf ab, grünen Wasserstoff mit Hilfe von Elektrolyseuren zu erzeugen, die durch große Onshore-Wind- und Solaranalgen betrieben und mit entsalztem Meerwasser versorgt werden. Das Projekt plant, in der 1. Phase 4 GW erneuerbare Energien zu erzeugen sowie 2 GW Elektrolyse-Kapazität und Batteriespeicher zu installieren, um 200 000 t/Jahr grünen Wasserstoff zu produzieren, wobei die Produktion auf 1 Mio. t/Jahr gesteigert werden kann. Zugang zum europäischen Markt erhält das Projekt über den „SoutH2-Korridor“, eine 3 300 km lange Pipeline, die Tunesien mit Italien verbindet und weiter nach Österreich und Deutschland führt und 2030 in Betrieb genommen werden soll. TE H2 wird gemeinsam mit VERBUND die Entwicklung, die Finanzierung, den Bau und den Betrieb des integrierten Projekts von der Erzeugung von grünem Strom bis zur Produktion von grünem Wasserstoff leiten. Darüber hinaus wird VERBUND den Transport des erzeugten Wasserstoffs nach Mitteleuropa koordinieren. Es wird erwartet, dass diese Kooperationen Investitionen anziehen, die Kohlenstoffemissionen reduzieren und die Position Tunesiens in der globalen Energiewende stärken werden.