Siegen/Olpe. „Ich hatte auf einige neue Erkenntnisse gehofft. Belohnt wurde ich mit einer Vielzahl neuer Eindrücke und Ideen“. IHK-Vizepräsident Christian F. Kocherscheidt dürfte den mehr als 80 Teilnehmern mit seinem positiven Schlusswort zur internationalen „South Westphalia goes Middle East- Conference“ in Siegen aus der Seele gesprochen haben. Zuvor hatten hochrangige Diplomaten aus Ländern der MENA (Middle East and North Africa)-Region die Marktchancen in den Ländern vorgestellt. Zu dem hochkarätigen Austausch hatte die IHK Siegen in Kooperation mit der Ghorfa Arab-German Chamber of Commerce and Industry und den Logistikexperten der in Siegen ansässigen M.G. International Group eingeladen.
Die teilnehmenden Vertreter heimischer Unternehmen hatten im Rahmen der Konferenz die außergewöhnliche Möglichkeit, in persönliche Gespräche mit den Gästen aus den arabischen Ländern zu treten. Zu ihnen gehörten S.E. Dr. Mustapha Adib, Botschafter der Republik Libanon und Dean des arabischen diplomatischen Korps, S.E. Khaled Galal Abdelhamid, Botschafter der Arabischen Republik Ägypten, S.E. Lukman Al-Faily, Botschafter der Republik Irak, I.E. Maitha Saif Majid Al Mahrouqi, Botschafterin des Sultanates Oman, S.E. Dr. Jamal El-Barag, Botschafter des Staates Libyen, S.H. Prinz Saud Al Saud von der Botschaft des Königreichs Saudi-Arabien, sowie Herr Mustapha Abbani, Botschaftssekretär der Demokratischen Volksrepublik Algerien. Uwe Stupperich (M.G. International Group), Vorstandsmitglied der Ghorfa und Mitglied des Außenwirtschaftsausschusses der IHK Siegen, hob in seiner Keynote die lange Geschichte zwischen der arabischen Welt und Deutschland hervor. Die Zusammenarbeit ist demnach keineswegs neu. Vielmehr haben gute und enge Wirtschaftsbeziehungen deutscher Unternehmen zur MENA-Region Tradition. Die Staaten im Mittleren Osten verfügen über wichtige Rohstoffvorkommen und überwiegend hohe Kaufkraft, während die Märkte Nordafrikas mit ihrer geografischen Nähe zu Europa punkten. Die investiven Rahmenbedingungen bilden gute Grundlagen für Produktion und Handel, besonders in den Bereichen Maschinen- und Anlagenbau, Elektro-, Bau-, Energie- und Umwelttechnik, die auch zu den Kernbereichen der hiesigen Industrie zählen. „Der Krieg in der Ukraine und die hieraus erwachsenen Folgen haben ein neues Kapitel für neue Handelsbeziehungen aufgeschlagen. Dass hochrangige Vertreter aus der MENA-Region hierzu den Weg nach Südwestfalen suchen, zeigt bereits, wie hoch das gegenseitige Interesse an einer Vertiefung und Verstetigung der Wirtschaftsbeziehungen ist“, hob Uwe Stupperich hervor.
Unter der Moderation von Abdulaziz Al Mikhlafi, Generalsekretär der Ghorfa, zeigten die Gäste die Rahmenbedingungen für Investitionen in den jeweiligen Ländern der MENA-Region auf. Zu ihnen gehören hohe Wachstumsraten, eine große Aufgeschlossenheit gegenüber ausländischem Engagement und zukunftsfähige Branchen. So betonte die Botschafterin aus Oman, dass dort längst nicht mehr nur Öl und Gas, sondern nunmehr „Green Technology“ und alternative Energien im Fokus stünden. Während der Vertreter Libyens die Potenziale der Wasserstofftechnologie unterstrich, stellte Prinz Saud Al Saud beispielhaft die führende Rolle Saudi-Arabiens bei den „digital services“ heraus. Interessante Chancen bieten sich auch in den anderen Ländern, etwa im Irak, der sich derzeit in einem starken Wandel befinde und sich für ausländische Investoren öffne, in Algerien, wo neue gesetzliche Regelungen Investitionen erleichterten oder im Libanon, der seit sich seit einiger Zeit sehr dynamisch entwickele. Größter Importeur von Produkten und Dienstleistungen aus Deutschland ist indes Ägypten, wo es aktuell eine stärkere Zusammenarbeit mit deutschen Unternehmen gebe als je zuvor.
Gute Voraussetzungen für eine vertiefte Zusammenarbeit bietet auf der anderen Seite auch die hiesige Unternehmenslandschaft. Dr. Thilo Pahl, designierter Hauptgeschäftsführer der IHK Siegen, präsentierte den sichtlich beeindruckten Botschaftsvertretern die Stärken des heimischen Wirtschaftsraumes, der sich durch zahlreiche familiengeführte mittelständische Betriebe auszeichne. Häufig könnten diese auf eine lange Geschichte zurückblicken und wiesen eine Entwicklung auf, die langfristig ausgerichtet sei. „Diese Unternehmen, darunter auch Weltmarktführer und hochinnovative Betriebe, sind sehr interessiert an neuen geschäftlichen Verbindungen und an einer vertrauensvollen Zusammenarbeit“, so Dr. Pahl, der zudem auf die besondere Bedeutung der Universität Siegen einging.
Wie erfolgreich Geschäftsbeziehungen heimischer Unternehmen in den Mittleren Osten ausfallen können, zeigte Maik Rosenberg (aquatherm GmbH). Der Weltmarktführer für Rohrleitungssysteme aus Polypropylen für den Anlagenbau und die Haustechnik engagiert sich seit Jahrzehnten in der MENA-Region. Er selbst habe gelernt, dass Nachhaltigkeit für viele Länder der dortigen Länder ein enorm wichtiges Thema sei, so Rosenberg. Markus Müller (Tönnjes Middle East GmbH) stellte die Aktivitäten des weltweitführenden Herstellers von Systemen für sichere Fahrzeugidentifikation anhand dreier Referenzprojekte in Dubai, Algerien und Ägypten vor.
Im Anschluss an die Konferenz in der IHK besuchte die Delegation – die eleQtron GmbH in Siegen, die weltweit zu den Pionieren im Quantencomputing zählt, und gewann dort einen Einblick in „deep tech in South Westphalia“.