Mit Vehemenz und viel Geld drängen arabischen Staaten und Stakeholder auf den Markt des globalen Sports. Saudi-Arabien wird zum neuen El Dorado der besten Fußballer der Welt. Was steckt hinter dieser aufsehenerregenden Dynamik? Verschieben sich die Gewichte des Weltsports? Und was ist zu tun?
Von Marcus Höfl und Andreas Bergmann
Die ganz großen Stars kehren Europa den Rücken. Nicht weniger als 13 der letzten 14 Fußballer, die mit dem Goldenen Fußball, dem „Ballon d’Or“ als beste Fußballer der Welt ausgezeichnet wurden, spielen aktuell nicht mehr bei einem der renommierten Top-Clubs in Europa.
Der argentinische Superstar Lionel Messi kickt künftig in der nordamerikanischen Profiliga MLS. Die meisten Transfers machen jedoch deutlich, dass ein Land zum neuen El Dorado für die Besten und Begehrtesten wird, das bisher im internationalen Fußball kaum eine Rolle gespielt hatte: Das Königreich Saudi-Arabien.
Der amtierende Weltfußballers Karim Benzema etwa spielt künftig in der Saudi Professional League bei Al-Ittihad, dem Top-Club aus Dschidda am Roten Meer. Der fünffache Weltfußballer Cristiano Ronaldo, in vielerlei Hinsicht ein Trendsetter des Weltfußballs, hatte es ihm im vergangenen Jahr vorgemacht. „CR7“ steht bei saudischen Club Al-Nassr FC unter Vertrag. Auch Afrikas Fußballer des Jahres, Sadio Mané wechselte kürzlich vom FC Bayern München zum saudischen Team al-Nassr FC.
Ronaldo wird dabei sagenhafte 200 Millionen Euro pro Saison verdienen. Für den französischen Superstar Kylian Mbappé bot der saudische Club Al-Hilal zudem kolportierte 300 Millionen Euro Ablöse – was damit weltweit eine neue Rekordablösesumme dargestellt hätte – an Paris Saint-Germain. Dem Spieler selbst soll ein Jahresgehalt von über 700 Millionen Euro (!) für eine einzige Saison angeboten worden sein.
Diese Zahlen mögen in der Tat Schwindel erregen. Noch verstärkt wird das durch die Tatsache, dass sich all dies nicht über die letzten Jahre hinweg ereignete, sondern gebündelt plötzlich in den letzten Wochen passierte. Diese Ballung an Quantität und Qualität in Höchstgeschwindigkeit sorgt für erhebliche Aufregung und große Verwunderung in der Fußballbranche. Womöglich deutet sich hier eine bevorstehende Verschiebung der Kräfteverhältnisse im Weltfußball an.
Es ist noch nicht klar, ob diese dramatischen Entwicklungen im Fußball nur eine vorrübergehende Erscheinung sind, wie man es vor einigen Jahren am Beispiel China beobachten konnte, wo ebenfalls massiv investiert wurde. Doch augenscheinlich stecken hinter diesen Aktivitäten und Engagements langfristig angelegte Strategien, Ziele und Visionen der jeweiligen Akteure, vor allem auch der wohlhabenden arabischen Staaten. Sie werden aller Wahrscheinlichkeit nach eine nachhaltige Wirkung hinterlassen.
Wer beim internationalen Fußball genauer hinschaute, hatte freilich bemerkt, dass die arabischen Stakeholder nicht erst in den letzten Monaten ihre Bemühungen verstärkt haben.
Schon seit mehreren Jahren konnte ein hohes und sukzessiv ansteigendes Maß an Aktivitäten verzeichnet werden. Die Fußball-Weltmeisterschaft 2022 in Katar war ein Highlight und ganz sicher ein Katalysator dieser Entwicklung. Aber – weitgehend ausgeblendet von unserer Wahrnehmung – haben schon die zurückliegenden FIFA-Club-Weltmeisterschaften diese Entwicklung gleichsam vorweggenommen. Bei diesen Club-Weltmeisterschaften treten die Sieger der sechs kontinentalen Meisterwettbewerbe im Vereinsfußball gegeneinander an. Die letzten sechs FIFA-Club-Weltmeisterschaften fanden allesamt in arabischen Ländern statt: 2022 in Marokko; 2017, 2018, 2021 in den Vereinigten Arabischen Emiraten und 2019 und 2020 in Katar. 2023 soll dieses bedeutende Turnier in Saudi-Arabien stattfinden; dazu werden auch der spanische Supercup 2023 und 2027 die Asienmeisterschaften im saudischen Königreich ausgetragen – allesamt globale Highlight-Events mit hoher medialer Aufmerksamkeit, die im arabischen Raum stattfinden.
Das arabische Phänomen erstreckt sich übrigens nicht nur auf den Fußball: Auch in anderen Sektoren des allgemeinen Weltsports tauchen in rasantem Tempo arabische Akteure auf und spielen plötzlich eine dominante Rolle.
Mittlerweile gilt schon als normal, dass arabische Stakeholder im Fußball als prominente Sponsoren oder Investoren/Eigentümer von führenden Clubs in Erscheinung treten, wie etwa bei Paris Saint Germain (Katar), Manchester City (VAE) oder Newcastle United (Saudi-Arabien). Auch in anderen Sportarten drängen ambitionierte Araber in die erste Reihe. So etwa im Motorsport, im Golf, im Pferdesport, eSport und auch im Basketball und Tennis. Auch im Olympischen Sport werden arabische Länder als Austragungsorte zur großen Weltbühne: unter anderem mit den Asien-Winterspielen 2029 (Saudi-Arabien) und den Asien-Sommerspielen 2030 in Doha und 2034 in Saudi-Arabien.
All dies ist jedoch erst der Anfang. Ganz sicher kommen in Zukunft noch zahlreiche weitere Investments, Events, Highlights und Sportarten hinzu. Führend bei dieser dynamischen Entwicklung sind Saudi-Arabien, Katar und die Vereinigten Arabischen Emirate. Hier fließt unter anderem durch staatlich alimentierte Fonds viel Geld in Projekte des Weltsport.
Um die Ursachen, Motive und Ziele hinter diesen Entwicklungen im Weltfußball und im globalen Sport im Allgemeinen besser zu verstehen, muss man einen Schritt zurückgehen und eine breitere Perspektive einnehmen. Da lohnt ein gezielter Blick auf Saudi-Arabien.
Hintergründe, Visionen und Ziele
Generell fließen aktuell viele Milliarden Dollar aus arabischen Ländern in den globalen Spitzensport. Die Regierungen haben erkannt, dass sie ihren Ländern und ihren Interessen dadurch eine Sichtbarkeit und Wahrnehmung verschaffen, die sie sonst nicht hätten.
Über den globalen Sport können die Länder und durch die finanziellen Beteiligungen können sie in unterschiedlichster Weise profitieren – nicht nur finanziell. Das ist natürlich kein gänzlich neues Motiv: Auch andere Länder in Europa, Lateinamerika oder Asien haben internationale Großveranstaltungen zum Anlass genommen, um Entwicklungen im eigenen Land voranzutreiben und das Image im Ausland zu prägen. So etwa Deutschland 1974 mit der Olympiade in München und mit der als „Sommermärchen“ bezeichneten Fußball-WM 2006.
Besonders aktiv und umtriebig ist aktuell das Königreich Saudi-Arabien. Der saudische Staatsfonds PIF vermeldete kürzlich, dass eine separate Investmentfirma „SRJ Sports Investments“ ins Leben gerufen wurde, die speziell in der Sparte Sport aktiv werden soll. Demnach soll der Fonds „in den Erwerb und die Entwicklung neuer geistiger Eigentumsrechte für Sportveranstaltungen, kommerzieller Rechte an populären und bedeutenden Sportwettkämpfen und die Ausrichtung großer globaler Veranstaltungen in Saudi-Arabien investieren“, wie dem Statement des Fonds zu entnehmen ist.
Etwa 1,5 Milliarden Dollar flossen demnach bereits in den Sport. Dank des Staatsfonds PIF und seinen geschätzten Reserven von rund 650 Milliarden Dollar scheint die Quelle für derartige Investitionen auch nicht allzu schnell zu versiegen.
Welche Ziele verfolgt das Land mit seinen immensen Investments in den Sport?
Nach der staatlichen Entwicklungsplanung, der „Vision 2030“ sollen Kultur, Entertainment und auch Sportangebote das Land und den öffentlichen Raum beleben. Das geht auch mit einer inneren Öffnung einher. So feuern in den Fußballstadien nun auch Frauen ihre Teams an, was noch vor Jahren undenkbar schien. Auch Frauenfußball wird immer populärer, wie die deutsche Trainerin Monika Staab unlängst mitteilte, die zuvor auch schon in Katar Frauen-Fußball-Mannschaften trainiert hatte. Internationale Sport-Großereignisse verschaffen globale Aufmerksamkeit. Der nachhaltige Einfluss dieser Engagements trägt auch zum Selbstbewusstsein, Ansehen und Selbstwertgefühl des Staates und seiner Bürger bei. Sie können zeigen, dass sie ein geschätzter Teil der globalen Weltgemeinschaft im Sport sind. Dabei können sie unter anderem ihre Kompetenzen in der Organisation und Durchführung von Großveranstaltungen auf globaler Bühne unter Beweis stellen. Das internationale Ansehen des Landes kann dadurch als fortschrittlich und modern geprägt werden.
Der globale Spitzen-Sport kann natürlich auch als politisches und ebenso als wirtschaftliches Instrument dienen. So werden Touristen ins Land gelockt, was ebenfalls ein Ziel der „Vision 2030“ ist.
Das alles wird durch die Präsenz von globalen Idolen und Wettbewerben von Weltrang verstärkt.
Nicht zuletzt sei außerdem die verbindende Kraft des Sports mit all seinen positiven Abstrahleffekten zu nennen, die hier ebenso in der Breite der Gesellschaft wirken. Und die eigene Bevölkerung wird zu Sport und Bewegung animiert.
Wie kann Deutschland, können Europa und der Rest der Welt mit diesem neuartigen, teilweise überraschenden und selbstbewussten Auftreten von Saudi-Arabien und anderer arabischer Staaten in der Welt des Sports umgehen?
Vieles mag man kritisieren – und vielleicht auch zu Recht. Aber Kritik, Verstockung und Eifersüchtelei sind nicht wirklich hilfreich. Vielmehr sollten wir einen fortlaufenden Dialog, Austausch und gemeinsame Aktivitäten entwickeln. Nur dadurch können potenzielle Synergien und Kooperationsmöglichkeiten zum Wohle beider Seiten erkannt und erschlossen werden.
Gemeinsame Plattformen, wie etwa der Arab-German Sports Summit mit seinen thematischen Diskussionsrunden und Networking-Möglichkeiten für führende Entscheider des Sports schaffen hierfür Anknüpfungspunkte, um den Sport gemeinsam und zukunftsweisend weiterzuentwickeln.
Marcus Höfl ist seit über 20 Jahren im Sportbusiness tätig und zählt zu den erfolgreichsten Sportmanagern.Er vermarktet Personalities sowie Events im internationalen Umfeld und managt die globale Aktivierung von Sponsoringpartnerschaften und Sportinvestments. Tätigkeitsschwerpunkte bilden dabei die Bereiche Olympischer Sommer-/Wintersport, Fußball und Motorsport. Als Investor liegen seine Schwerpunkte auf den Bereichen Startups, Sports- und Healthtech. Zudem ist er in mehreren Sports-Finance/-Private Equity Projekteninvolviert.
Andreas Bergmann ist CMO bei MHM Majors und dabei u.a. für den Arab-German Sports Summit sowie für weitere Projekte im internationalen Kontext verantwortlich. Zudem ist er als Professor für Betriebswirtschaftslehre, insbesondere Sportmanagement und Entrepreneurship aktiv.