Für die Sicherstellung der Ernährung der wachsenden Bevölkerung setzt Saudi – Arabien auf innovative Technik – nicht zum ersten Mal. Es gab auch schon Fehlschläge.

1992 war Saudi-Arabien der sechst-größte Weizenexporteur der Welt. In nur kurzer Zeit war seine Produktion von 3.300 Tonnen 1978 auf 3.9 Millionen Tonnen 1992 hochgeschossen. Hintergrund war ein massives Subventionsprogramm von geschätzten 85 Milliarden US-Dollar. Das entsprach 18 Prozent der 485 Milliarden US-Dollar Öleinnahmen des Landes zwischen 1984 und 2000. Nicht nur Weizen war Big Business in Saudi-Arabien. Auch Viehzucht wurde im großen Stil vorangetrieben. Holstein-Kühe durften umsonst eingeflogen werden und die Futtergerste – Importe für Schafe, Ziegen und Kamele vervielfachten sich. Die größte integrierte Milchfarm der Welt steht nicht in Texas oder Oklahoma, sie entstand damals mit 35.000 Rindern südlich von Riad.

Neben privatwirtschaftlichen Profitinterssen und der Kultivierung politischer Klientelgruppen spielten geostrategische Überlegungen eine wichtige Rolle. Nachdem die USA als Vergeltung für das arabische Ölembargo 1973 ein Lebensmittelembargo in Erwägung gezogen hatten, war die Sorge um die Versorgungssicherheit hoch, vor allem, nachdem 1980 im Zuge der Invasion in Afghanistan tatsächlich solch ein Getreideembargo gegen die Sowjetunion verhängt worden war. Dies schadete dem Ruf der USA als zuverlässiger Nahrungsmittellieferant.

Die landwirtschaftliche Expansion Saudi-Arabiens war ökologisch fragwürdig. Der Wüstenstaat wurde dadurch de facto zu einem Exporteur von sogenanntem „virtuellen Wasser“ – also Wasser, das zum Produzieren einer handelbaren Ware aufgewandt wurde und nun virtuell in dieser verkörpert ist. Während die Gewinne für große Landwirtschaftsunternehmen sprudelten, war das Gegenteil der Fall für Wasser. Die Spiegel nicht erneuerbaren fossilen Wassers in Saudi-Arabiens Grundwasserspeichern waren in freiem Fall. Der Staat versuchte gegenzusteuern und reduzierte die Subventionen. Die bebaute Fläche des Landes war 2005 nur noch ein Viertel von der im Jahr 1992. Am Höhepunkt der globalen Nahrungsmittelkrise 2007/08 zog er dann endgültig die Reißleine und beschloss, die einheimische Weizenproduktion innerhalb von acht Jahren aufzugeben. Der Anbau von Grünfutter wie Alfalfa, welches noch viel mehr Wasser benötigt als Weizen, ging allerdings zunächst munter weiter. Im Jahr 2017 wurde dann auch das Ende dessen einheimischen Anbaus beschlossen. Saudi-Arabien ist ein immer wichtigerer Klient auf den globalen Importmärkten für Getreide und Alfalfa geworden.

Die Landwirtschaft in Saudi-Arabien ist deshalb nicht am Ende, sondern steht am Anfang eines „radikalen Umstrukturierungsprozesses“, wie es im Neunten Entwicklungsplan 2010-2015 heißt, der „die landwirtschaftliche Entwicklung den Zwängen der Wasserressourcen unterwerfen wird.“ Die Viehzucht wird weiter in großem Stil betrieben, nur eben mit importierten Futtermitteln. Da der großflächige Getreideanbau auf dem Rückzug ist, hat sich die Aufmerksamkeit auf kleinere Projekte für den Obst- und Gemüseanbau, den ökologischen Landbau und sogar die Bienenzucht verlagert. Statt Weizen und Gerste in Qassim und Al Dawasir heißt es jetzt Oliven in Jawf und tropische Früchte in Jazan und Nadschran.

Die Landwirtschaft in Saudi-Arabien ist in einem Wandlungsprozess, der von erheblichem Vertrauen in innovative Technik geprägt ist. Man hofft, „more crop from each drop“ zu bekommen, mit Hilfe wassersparender Technologien wie Gewächshäusern, Hydrokulturen und Tröpfchenbewässerung und der Umorientierung zu Obst und Gemüseanbau, die eine höhere Wertschöpfung als Getreide aufweisen. Die Viehzucht soll dabei mit importierten Futtermitteln beibehalten werden, auch wenn sie auch ohne deren lokalen Anbau einen erheblichen Wasserbedarf hat.

Vor der Einführung der ölbetriebenen Motorpumpe war Landwirtschaft auf einige wenige Oasen und privilegierte Orte beschränkt. Wasser für die Landwirtschaft war nur in den vom Monsun beeinflussten Regionen (Asir, südlicher Hejaz), in Gebieten in der Nähe von Wadis (Wadi Fatima, Sirhan, Najran) oder in der Nähe von artesischen Brunnen und Quellen (z. B. Oasen von al Hasa, Qatif und Khaibar) verfügbar. Nach der ernüchternden Erfahrung mit dem nicht nachhaltigen Anbau von Weizen hofft man abermals, dass Technik zur Hilfe eilen möge. Diese verspricht zweifelsohne erhebliche Wassereinsparungen, auch macht der Anbau von schnell verderblichem Gemüse und Obst in Marktnähe mehr Sinn als der von Getreide, welches man normalerweise problemlos auf Weltmärkten einkaufen kann. Dennoch ist auch der Einsatz von innovativen Technologien nicht ohne Risiken.

Wenn mehr Wassereffizienz genutzt wird, um die Produktion zu steigern, kann dies zu mehr anstatt zu weniger Wasserkonsum führen. Solche von der Volkswirtschaftslehre als „rebound-Effekte“ bezeichneten Phänomene konnte man in Marokko beobachten, wo die Einführung von Wasser sparender Tröpfchenbewässerung zur Produktionsausweitung und letztlich zu steigendem Wasserkonsum geführt hat. Auch gilt zu beachten, dass bei Tröpfchenbewässerung im Vergleich zur Flutbewässerung das meiste Wasser von der Pflanze aufgenommen wird und nichts zurück ins Grundwasser rinnt, weshalb die Einsparungseffekte mithin weniger groß sein können als angenommen. Schließlich ist auch die Nutzung von Meerwasserentsalzung für die Landwirtschaft wirtschaftlich und ökologisch nicht ganz unbedenklich. Sie ist energieintensiv und teuer und die bei ihrer Produktion anfallende Salzlake muss nachhaltig entsorgt werden.

Als gesichert kann angenommen werden kann, dass der Nahrungsmittelbedarf Saudi- Arabiens steigen wird. Zwar ist das Land schon länger in einer demographischen Transition, die Geburtenrate ist von über sieben Kindern pro Frau Anfang der 1970er Jahre auf heute knapp über 2.1 gesunken, was dem langfristigen Reproduktionsniveau entspricht. Allerdings dauert es, bis frühere geburtenstarke Jahrgänge durch eine Bevölkerungspyramide gewandert sind. Bis zum Ende des Jahrhunderts dürfte sich die Bevölkerung nach den Projektionen der Vereinten Nationen noch einmal verdoppeln von heute 37 Millionen Menschen.

Einen wachsenden Anteil seiner Nahrungsmittel wird Saudi-Arabien importieren müssen. Seine Düngemittelproduktion sowohl von Stickstoff aus Erdgas als auch von Phosphatdünger von seinem Bergbauprojekt in Jalamid trägt dabei zur Erwirtschaftung exportierbarer Überschüsse in andere Weltregionen bei.

Von Prof. Dr. Eckart Woertz
Prof. Dr. Eckart Woertz ist Direktor des GIGA-Instituts für Nahostforschung und Professor an der Universität Hamburg. Unter anderem ist er Autor von “Oil for Food: The Global Food Crisis and the Middle East” (Oxford University Press 2013).