Mauretanien war jahrzehntelang von Diktatur, politischen Umwälzungen und Militärputschen geprägt. Im Jahr 2005 wurde ein Demokratisierungsprozess eingeleitet, der mit der im August 2019 erfolgten Wahl von Mohamed Ould Ghazouani zum neuen Staatspräsidenten gefestigt wurde. Das Auswärtige Amt schätzt ein, dass der Amtsantritt von Staatspräsident Ghazouani zur politischen Öffnung, auch gegenüber oppositionellen Strömungen sowie dem Bemühen um Transparenz und der zügigeren Aufarbeitung von Korruptionsfällen führte. Mauretanien spielt auch eine wichtige Rolle für die Stabilität der gesamten Region, denn es dient als politisches und kulturelles Bindeglied zwischen den arabischen Maghreb-Ländern und den Ländern südlich der Sahara.
Wirtschaftsaussichten mit Risiken behaftet
Die Verschlechterung der Weltwirtschaft infolge der COVID-19-Pandemie hatte schwerwiegende Auswirkungen auch auf die mauretanische Wirtschaft und machte die zuvor positiven Wirtschaftsaussichten, die sich beispielsweise in einem Rückgang der Armutsquote des Landes von 10,9 Prozent im Jahr 2008 auf sechs Prozent im Jahr 2014 ausdrückten, zunichte. Als Reaktion auf die wirtschaftlichen Auswirkungen der Pandemie startete Präsident Ghazouani im September 2020 den Plan zur wirtschaftlichen Erholung (Economic Recovery Plan). Dieses Programm zielt darauf ab, die Wirtschaft anzukurbeln und die Lebensbedingungen der gefährdeten Bevölkerungsgruppen zu verbessern, indem die extreme Armut verringert, die grundlegenden sozioökonomischen Infrastrukturen ausgebaut, der Informationssektor organisiert und ein Rechtsrahmen geschaffen wird, der die Entwicklung des Privatsektors fördert.
Die durch die COVID-19-Pandemie verursachte globale Konjunkturabschwächung, der Rückgang des inländischen Verbrauchs und die von den Behörden zur Eindämmung der Ausbreitung des Virus ergriffenen sozialen Distanzierungsmaßnahmen beeinträchtigten die Wirtschaft und die ökonomische Stabilität insgesamt erheblich. Sie führten nach Angaben der Weltbank im Jahr 2020 zu einem Wachstumsrückgang des BIP von 0.1 Prozent gegenüber einem Wachstum von 6,1 Prozent im Vorjahr. Im Jahre 2021 zeigte Mauretanien deutliche Anzeichen einer wirtschaftlichen Erholung von der COVID-19-Pandemie und erreichte ein BIP-Wachstum von 0,8 Prozent, was vor allem auf einen Anstieg des privaten Verbrauchs und der Investitionen, höheren Rohstoffexporten, insbesondere bei Eisenerz und Gold, sowie eine wachsende Dynamik des Dienstleistungssektors zurückzuführen war. Die Weltbank erwartet, dass die Wirtschaftstätigkeit im Jahr 2022 das Niveau von vor der COVID-Pandemie erreicht hat und auf vier Prozent angestiegen ist, was durch eine stärkere Produktion im Rohstoffsektor, erfolgreiche Impfungen und höhere Investitionen des öffentlichen Sektors bewirkt wurde. Mittelfristig dürfte das Wachstum im Zeitraum 2023-2024 bei durchschnittlich 6,5 Prozent des BIP liegen, gestützt durch die Eröffnung neuer Minen, den Beginn der Gasförderung im Jahr 2023 und eine weitere Aufstockung der öffentlichen Investitionen.
Der Haushaltssaldo wies in den Jahren 2020 und 2021 jeweils einen Überschuss von 2,2 % des BIP auf, was vor allem durch einen Anstieg der Steuer- und Bergbaueinnahmen und geringere Ausgaben für Sozialprogramme bewirkt wurde. Geringere Exporteinnahmen und höhere Energiesubventionen belasteten das Budget in den Folgejahren erheblich, sodass ab 2022 eine defizitäre Entwicklung eintrat. Zugleich konnte dadurch der Schuldenstand, der sich auf 51,7 Prozent des BIP 2021 belief, nicht abgebaut werden. Die durchschnittliche jährliche Inflation stieg von 2,4 Prozent im Jahr 2020 auf 3,6 Prozent im Jahr 2021, was auf die steigenden Preise für lebenswichtige Produkte und die zunehmende Ernährungsunsicherheit zurückzuführen war, die durch den Einmarsch Russlands in der Ukraine noch verschärft wurde. Sie wird 2022 voraussichtlich einen Höchststand von 8,9 Prozent durch die höheren Lebensmittel- und Energiepreise erreicht haben. Weltbank und IWF erwarten, dass sich das Haushaltsdefizit allmählich verringert, da sich die Steuereinnahmen verbessern und die Ausgaben für Energiesubventionen zurückgehen. Die durchschnittliche Inflation wird voraussichtlich bis 2024 allmählich auf 4,5 Prozent sinken.
Der Druck auf die Zahlungsbilanz nahm 2021 aufgrund hoher Energie- und Lebensmittelimporte zu. Nach 8,1 Prozent des BIP im Jahr 2021 hat sich das Leistungsbilanzdefizit den Weltbank-Projektionen zufolge weiter auf 13,8 Prozent des BIP im Jahr 2022 ausgeweitet, was auf höhere Einfuhrpreise, niedrigere Preise für die wichtigsten Ausfuhren und eine Verlangsamung der Nachfrage seitens der wichtigsten Handelspartner (China und Europa) zurückzuführen ist. Die öffentliche Auslandsverschuldung lag Ende 2022 konstant bei etwa 43 Prozent des BIP. Die Bruttowährungsreserven beliefen sich auf etwa 1,5 Mrd. US-Dollar, was einer Importdeckung bei Nicht-Rohstoffen von etwa 5,1 Monaten entsprach. Das Land profitiert von Zuschüssen und Krediten internationaler Geberinstitutionen und bilateraler Hilfe. So schloss der IWF im November 2022 mit Mauretanien eine Vereinbarung über ein Wirtschaftsprogramm und dazu gehörende Reformmaßnahmen ab, die durch eine dreijährige erweiterte Kreditfazilität und eine erweiterte Fondsfazilität des IWF in Höhe von 82,75 Mio. US-Dollar unterstützt werden.
Insgesamt bestehen wichtige Risikofaktoren, wie die schwere Dürre und die Auswirkungen des Krieges in der Ukraine, die negative Auswirkungen auf die Wirtschaftslage sowie den fiskalischen und externen Sektor ausüben werden. Die anhaltende Krise in der Ukraine mit permanent hohen Öl- und Lebensmittelpreisen in Verbindung mit volatilen Rohstoffexportpreisen stellen Risiken dar, die die Wirtschaftstätigkeit verlangsamen und die Ernährungsunsicherheit erhöhen könnten. Die regionale Unsicherheit in der Sahelzone ist eine weitere Risikoquelle.
Vielfältige Marktchancen für Investoren
Mauretanien wünscht sich mehr ausländische Direktinvestitionen und versucht, seine strategische geografische Lage und seine natürlichen Ressourcen zu nutzen, um neue Investoren anzuziehen. Im Doing Business Report 2020 der Weltbank belegt Mauretanien Platz 152 von 190 Volkswirtschaften. Zu den Faktoren, die ausländische Direktinvestitionen behindern, gehören politische Einflussnahme, Korruption, ein schwaches Justizsystem und eine wenig diversifizierte und stark informelle Wirtschaft. Dem Bericht zufolge hat Mauretanien den Zugang zu Kreditinformationen verbessert und die Durchsetzung von Verträgen erleichtert. Es gibt kein Gesetz, das ausländische Investitionen in irgendeinem Wirtschaftszweig verbietet oder einschränkt. Es gibt keine Beschränkungen für den Transfer von Gewinnen oder die Rückführung von Kapital, für Lizenzgebühren oder Dienstleistungsgebühren, sofern die Investitionen genehmigt wurden. Im Dezember 2020 wurde die Agentur für Investitionsförderung in Mauretanien (APIM), die dem Wirtschaftsministerium unterstellt ist, geschaffen. Die APIM ist ein One-Stop-Shop für Investoren, der alle administrativen Formalitäten, beginnend mit der Registrierung eines Unternehmens, erledigt.
Einige der besten Marktchancen für Investoren liegen in den Bereichen Energie (Öl- und Gasexploration und -förderung, Kohlenwasserstoffförderung und -lagerung, erneuerbare Energien sowie Stromerzeugung und -übertragung), Fischerei und Tourismus. Mauretanien steht kurz davor, ein bedeutender globaler Gasproduzent zu werden. Im Jahr 2023 soll die Produktion auf der Flüssigerdgasplattform Grand Tortue Ahmeyim (GTA) beginnen. Das 33.000 km² große Gasfeld enthält Reserven von 2,26 Mrd. m³. Dies lässt nach Angaben von BP auf ein Produktionspotenzial von 30 bis 50 Jahren schließen. Betrieben wird das Gasfeld vom britischen Ölgiganten BP und Kosmos Energy aus den USA. Die Gasreserven, die an der Seegrenze zwischen Mauretanien und Senegal liegen, wurden 2014 entdeckt. Branchenexperten gehen davon aus, dass Mauretanien mit dem Beginn der Ausbeutung der entdeckten Gasreserven zum drittgrößten Gasexporteur auf dem afrikanischen Kontinent nach Nigeria und Algerien werden wird.
In Mauretanien besteht enormer Aufholbedarf, was die Versorgung mit elektrischer Energie angeht. Nach Angaben der internationalen Energieagentur für erneuerbare Energien (IRENA) wurden beim Kapazitätsausbau in den Jahren 2015 bis 2019 vorrangig Investitionen in thermische Kraftwerke getätigt. Solar- und Windkraftwerke machten Ende 2019 nur etwa 21 Prozent der installierten Leistung aus. Der Anteil der erneuerbaren Energiequellen am Strommix des Landes soll mit den aktuell geplanten Projekten von gegenwärtig 38 Prozent auf 50 Prozent bis 2030 weiter steigen. Dabei handelt es sich um fünf Vorhaben. Im Rahmen einer Vereinbarung zwischen dem Projektentwickler CWP Global und der mauretanischen Regierung wird das grüne Wasserstoffprojekt AMAN mit einem Investitionsaufwand von 40 Mrd. US-Dollar in den Gebieten Dakhlet Nouadhibou und Inchiri im Norden Mauretaniens entstehen. Geplant ist die Erzeugung von 18 GW Windkraft und 12 GW Solarenergie pro Jahr. In Partnerschaft mit dem transnationalen Energieunternehmen Chariot wird das grüne Wasserstoffprojekt Nour, das 10 GW Strom erzeugen soll, mit einem Investitionsvolumen von 3,5 Mrd. US-Dollar gebaut werden. Bereits in Betrieb befindet sich die mit 156 000 installierten Solarmodulen größte PV-Solaranlage des Landes mit einer 50 MW-Produktionskapazität, die sich in Toujounine am nördlichen Stadtrand der Hauptstadt Nouakchott befindet. Sie wird von der nationalen Elektrizitätsgesellschaft (Société Mauritanienne d‘Electricité) betrieben. Ergänzt wird das Energieaufkommen von Toujounine mit dem 600 000 m² großen Solarpark Klima, der derzeit 15 Prozent des gesamten Energiebedarfs des Landes deckt. Kurz vor seiner Inbetriebnahme steht das Windkraftwerk Boulenouar mit einer Kapazität von 102,4 MW, das mit seinen 39 Siemens Gamesa-Turbinen das größte Windkraftwerk Mauretaniens sein wird. Das Kraftwerk wird nach Abschluss der Bauarbeiten von dem Konsortium aus Siemens und dem spanischen Windturbinenhersteller Siemens Gamesa betrieben werden.
Um seine ehrgeizigen ökonomischen Pläne zu verwirklichen, konzentriert sich Mauretanien auch auf die Entwicklung seiner Infrastruktur, insbesondere auf den Straßenbau und die Telekommunikation. Zu den laufenden Bauprojekten gehören: eine 38 km lange Straße, die Nouakchott mit dem Hafen N‘diago im Süden verbindet, eine 112 km lange Straße zwischen Aleg und Boutilimit sowie eine 42 Kilometer lange Straße zwischen Nouakchott und Boutilimit. Für den Hafen N‘diago hat Hamburg Port Consulting (HPC) den Auftrag für eine Vormachbarkeitsstudie zur Entwicklung eines betriebsfähigen Geschäftskonzepts für den Hafen erhalten. Die Studie soll die Entwicklung des Hafenbetriebs, die Eisenbahnanbindung von 70 km an die geplante Bahnstrecke zwischen der mauretanischen Hauptstadt Nouakchott und der Grenze zu Mali sowie die Konzeption eines Trockenhafenterminals am geplanten Eisenbahnknotenpunkt umfassen und den dafür erforderlichen Investitionsbedarf ermitteln.
Große Entwicklungen erfährt auch der mauretanische IKT-Sektor dank des verstärkten Wettbewerbs und der hohen Verbreitung von Mobilfunk, mobilem Breitband und einer Zunahme der Internetnutzer. Die jüngsten Pläne umfassen: den weiteren Ausbau der landesweiten Hochgeschwindigkeitsnetze durch die Freigabe von LTE-Diensten, die Satelliten-Breitbandabdeckung und den Ausbau des Glasfasernetzes bis zum Endkunden in der Hauptstadt und den wichtigsten Städten des Landes. Einen großen Einfluss auf diese Entwicklung üben die im Rahmen des von der Weltbank weitgehend finanzierten West Africa Regional Communications Infrastructure Program (WARCIP) durchgeführten Maßnahmen aus. Das Projekt hat dazu beigetragen, die Konnektivität in zuvor unterversorgten oder unversorgten Gebieten durch die Einrichtung von 1 700 km strategischer Glasfaserverbindungen zu erweitern, womit das gesamte Glasfasernetzwerk nunmehr 4 000 km umfasst.
Mit Blick auf die zukünftige Entwicklung hat die Regierung Mauretaniens ihr Interesse an einer Teilnahme am West Africa Regional Digital Integration Program (WARDIP) der Weltbank bekundet. Das neue Projekt konzentriert sich auf die weitere Ausweitung der Abdeckung von Breitbandnetzen, einschließlich der Diversifizierung des Zugangs zum internationalen Unterseekabel. Ferner sieht das Projekt die Einrichtung fehlender grenzüberschreitender Verbindungen und die Schaffung einer Anbindungsinfrastruktur in rückständigen Regionen sowie in Grenzgebieten vor. Der verbesserte Zugang zu den Breitband-Internetdiensten hat sich positiv auf Universitätsnetzwerke, Gründerzentren und Start-ups ausgewirkt. Dies verspricht einen erheblichen Anstieg von qualitativ hochwertigen Arbeitsplätzen sowie eine verstärkte Nutzung digitaler Finanzdienstleistungen, wie z. B. mobile Geldplattformen und mobiles Banking.
Bilaterale Beziehungen ausbaufähig
Seit der Unabhängigkeit Mauretaniens 1960 pflegt Deutschland mit diesem Land stabile und gute bilaterale Beziehungen. Einen wichtigen Bestandteil dieser Beziehungen bildet die Entwicklungszusammenarbeit, die vor allem über die Kreditanstalt für Wiederaufbau KfW) und die Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) umgesetzt wird. Die wirtschaftlichen Beziehungen sind von geringer Intensität und der Außenhandel mit Mauretanien bewegt sich auf einem niedrigen Niveau.
Das Gesamthandelsvolumen belief sich im Jahr 2021 auf 171 Mio. Euro, womit Mauretanien in der Rangliste der deutschen Handelspartner auf Platz 124 lag. Die Exporte stiegen 2021 leicht auf 62,1 Mio. Euro gegenüber 58,3 Mio. Euro im Vorjahr, während die Importe um 5 Prozent auf 109,3 Mio. Euro gegenüber 115,0 Mio. Euro im Jahr 2020 fielen. Deutschland importiert aus Mauretanien vor allem Rohstoffe und exportiert im Gegenzug Lebensmittel, Fahrzeuge und Maschinen. Seit 2018 unterhält MAN eine Werkstatt in Nouakchott.
Geschäftschancen für deutsche Unternehmen bestehen im Energiebereich. Der Energiesektor erlebte eine bemerkenswerte Dynamik, die den Ausbau weiterer Netze und die Einführung erneuerbarer Energien ermöglichte. Das Land hat es geschafft, im Bereich der erneuerbaren Energien (Solar- und Windenergie) einen Spitzenplatz unter den Ländern der Region einzunehmen. Für die Zukunft bestehen vielversprechende Investitionsmöglichkeiten in diesem Sektor. In den letzten Jahren hat Mauretanien große Anstrengungen unternommen, um die Fischereiinfrastruktur zu verbessern und auszubauen. An der Entwicklung dieses Sektors werden privatwirtschaftliche Akteure sowie in- und ausländische Investoren beteiligt. Aktiv sind Unternehmen vor allem aus der EU, Japan, China und der Türkei. Aber auch andere Sektoren, wie z.B. Tourismus, Landwirtschaft, Telekommunikation und Infrastrukturprojekte, bieten Investitionsmöglichkeiten für deutsche Unternehmen.