Das reiche Kulturerbe Marokkos ist im ganzen Land zu erleben. Doch Marrakesch mit der Medina aus dem 11. Jahrhundert wird in diesem Jahr besonders gefeiert. Besucher können in einmaligen Zeugnissen der islamischen Architektur schwelgen: in Muqarnas, den dreidimensionalen dekorativen Techniken der Deckenwölbungen und den Zillij, den aus Fes stammenden Mosaikmustern, die Wände, Böden und Brunnen schmücken.
Einmal im Jahr vergibt die Islamische Organisation für Bildung, Wissenschaft und Kultur (Islamic Educational, Scientific and Cultural Organization; ISESCO) mit Hauptsitz in Rabat den begehrten Titel „Kulturhauptstadt der Islamischen Welt“. Für 2024 wurde Marrakesch ausgezeichnet, das magische Zentrum im Westen Marokkos vor den schneebedeckten Bergen des Atlas-Gebirges. Eine Vielzahl kultureller Ereignisse und Veranstaltungen, mehr als 50 großartige Museen, historische Moscheen und Koranschulen, Bibliotheken, Mausoleen und archäologische Stätten ziehen Millionen Besucher aus aller Welt an.
Schon 1985 war Marrakesch von der UNESCO zum immateriellen Kulturerbe der Menschheit erklärt worden. Dank des königlichen Programms „Marrakesch – Stadt der ständigen Erneuerung“ genießt die mittelalterliche Stadt mit ihrem labyrinthischen Gassengewirr, beeindruckenden Plätzen und einzigartigen Bauwerken seitdem eine kontinuierliche Förderung zur Stadtentwicklung.
Das verheerende Erdbeben, das sich am 8. September 2023 mit dem Epizentrum nur 74 km südwestlich von Marrakesch ereignet hatte, hat auch in der Stadt selbst erhebliche Schäden angerichtet.Die sind aber mittlerweile weitgehend beseitigt. Schätze islamischer Kultur begegnen dem Besucher auf Schritt und Tritt in der „Medina“, der Altstadt und auch bei den vielen Moscheen. Die 1150 gebaute Koutoubia-Moschee ist von allen die bekannteste, älteste und schönste. Ihr reich dekoriertes Minarett ist das „Modell“ für die vielen anderen Minarette in Marrakesch und im ganzen Land.
Schon der Besuch weniger Sehenswürdigkeiten hinterlässt bleibende Eindrücke: Die fast 1000 Jahre alte Koranschule Medersa Ben Youssef erstrahlt nach jahrelanger Renovierung in vollkommener Pracht. Man ist geblendet von der Schönheit der islamischen Dekoration der Gebäudewände, die sich im Wasserbecken des großen, offenen Arkaden-Innenhofs spiegeln. Die Moschee der Schule hat eine achteckige Kuppel und eine überwältigende Gebetsnische mit raffinierten Ornamenten und Koranversen. Mit den kunstvollen Zillij-Bändern, den Gips-, Marmor- und Zedernholzarbeiten stellt die Koranschule ein Gesamtkunstwerk dar.
Von der Dachterrasse des benachbarten Restaurants Jad Jamal geht der Rundblick nicht nur über die Ben Youssef Moschee, die Qubba Almoravide und die Ben Youssef Bibliothek, sondern auch über das gegenüberliegende „Musée de Marrakech“ in einem Palast aus dem Ende des 19. Jh. Die Omar Benjelloun-Stiftung kaufte 1997 den Gebäudekomplex, um ihn zu restaurieren und in einem Teil des Palastes das Museum von Marrakesch zu eröffnen. Jeder staunt über den weiten, traditionellen Empfangsraum mit Brunnen und einer prachtvollen Deckenbeleuchtung gigantischen Ausmaßes. In den Räumen rund um den Innenhof befinden sich die Exponate des Museums: eine sehenswerte Sammlung von Waffen, Türen, Sätteln, Münzen, Textilien, Keramikarbeiten, Schmuck, Holzarbeiten und weiteren traditionellen Erzeugnissen islamischen Kunsthandwerks.
Die Hand der Fatima (gegen den „bösen Blick“) ist allgegenwärtig. Der Schmuck stammt sowohl aus der jüdischen als auch aus der islamischen Kultur. Kunstausstellungen spielen eine wichtige Rolle – wie im Hammam mit Gemälden und im Innenhof mit Holzskulpturen.
Im Stadtteil Bab Taghzout befindet sich der Sidi Bel Abbes Al Jabbab Platz mit Moschee und Mausoleum des Namensgebers. Dieser lebte von 1129 bis 1204 und gilt als einer der sieben Heiligen von Marrakesch. Bis heute schätzen die Einwohner seinen tiefen Glauben, seine Großzügigkeit und Würde. Er gewährte Fremden Schutz, gab den Armen zu essen, sicherte Handelsrouten und half jedem, der in Not war. Moschee und Mausoleum sind monumentale Bauwerke islamischer Architektur und beim Anblick der Dekoration und Farben des kunstvollen Zedernholzdaches des mit Zillij dekortierten Brunnens gerät noch jeder Besucher in Verzückung.
Im Süden der Medina befinden sich Gräber der Saadier (1557 bis 1664 Nekropole der Saadier) in einem großen Gebäudekomplex. Die Saadier waren eine muslimische Dynastie, die im ausgehenden Mittelalter in Marokko herrschte. Die Säulenaufsätze in dem großen Raum mit den kalligrafiegeschmückten Marmorsarkophagen bilden Bögen filigraner Muqarnas, und die Wände sind geschmückt mit Zillij.
Wo immer man hinschaut in Marrakesch – so auch hier: islamische Kunst und Kultur vom Feinsten.
Text und Fotos von Barbara Schumacher