Marokko ist ein fußballbegeistertes Land. Gemeinsam mit Spanien und Portugal hat das nordafrikanische Land den Zuschlag für die Austragung der WM 2030 bekommen. Um sich optimal zu präsentieren, nimmt die Regierung des Königreiches viel Geld in die Hand: 4,5 Milliarden Euro sollen in den Bau von Stadien und die Entwicklung der Infrastruktur gepumpt werden. Gute Chancen für deutsche Unternehmen.

Erhebliche Investitionen sind bereits 2025 für die Spiele des Afrika-Cups 2025 geplant, der ebenfalls in Marokko stattfinden wird. In einer ersten Phase (2023 bis 2025) sollen bis zu 861 Millionen Euro in die Anpassung der Stadien an die vorgeschriebenen internationalen Normen fließen. In einer zweiten Phase (2025 bis 2030) sind weitere 430 bis 575 Millionen Euro eingeplant. Doch das Prunkstück der WM 2030 soll das neue Stadion „Grand Stade Hassan II“ in der Region Benslimane nördlich von Casablanca werden. Ob die Nationalmannschaft Marokkos Weltmeister wird, sei dahin gestellt. Mit diesem Stadion jedoch will Marokko schon vor dem Anpfiff der ersten Partie einen Weltrekord aufgestellt haben: Mit 115.000 Zuschauerplätzen soll es das größte Fußballstadion der Welt werden.

Ein riesiges Zelt nach Art eines „Moussem“, das in Marokko für besondere gesellschaftliche Ereignisse errichtet wird, soll das Stadion überspannen. Getragen von einem kühnen Aluminium-Gitter soll die lichtdurchlässige Hülle des Daches das Grün des Waldes aus der natürlichen Umgebung ins Stadionrund tragen. Diverse botanische Gärten sollen den Eindruck einer Oase verstärken.

Drumherum soll ein “Complexe Sportif“ entstehen, der über ein Athletikstadion, vier Trainingsplätze, ein olympisches Schwimmbad, eine Turnhalle, ein Konferenz- und Ausstellungszentrum, ein Hotel und ein Einkaufszentrum verfügen soll. Dabei sollen höchst innovative Technologien zum Einsatz kommen und zusammen mit dem Design eine nachhaltige Harmonie mit dem umliegenden Ökosystem ermöglichen.

Das Projekt reicht somit weit über den aktuellen Anlass Fußball hinaus, womit der Aufwand von rund 453 Millionen Euro für den Komplex gerechtfertigt sei, meint Abderrahim El-Yadini, Architekt im marokkanischen Planungsministerium. Das Stadion werde gewiss keine Investitionsruine sein und müsse auch nicht wieder zurückgebaut werden – zumal es von zwei Erstliga-Vereinen als Heimstadion genutzt werde. Man könne es auch nach der WM 2030 für andere Sportevents, Konzerte und Festivals nutzen. Die Investitionen bieten somit Chancen, die über die WM 2030 hinausgehen. Eine Beteiligung deutscher Unternehmen am geplanten Stadion wäre daher zukunftsorientiert.

Die Vorbereitung der Weltmeisterschaft fällt in eine Phase Aufbruchs. Die marokkanische Wirtschaft wird voraussichtlich 2025 weiter wachsen, und auch deutsche Exporte in das Land steigen seit Jahren kontinuierlich.

Die Regierung in Rabat setzt auf Investitionen im Land, verstärkt deshalb steuerliche Anreize und vereinfacht die Bürokratie. Die niedrige Inflation und ein stabiler Kurs des marokkanischen Dirhams schaffen sichere Rahmenbedingungen für Investitionen aus dem Ausland. Die Fußball-Weltmeisterschaft 2030 dürfte der marokkanischen Wirtschaft weiteren Aufschwung verleihen.

Es erstaunt, dass trotz der allgemein günstigen Bedingungen derzeit (Stand Ende 2024) nur 300 Niederlassungen deutscher Unternehmen in Marokko stehen, die immerhin rund 35.000 Mitarbeiter beschäftigen. Die WM 2030 bietet die Möglichkeit, den deutsch-marokkanischen Wirtschaftsverkehr weiter auszubauen.

So etwa im Bereich der Infrastruktur. Bis 2035 sollen in Marokko neue Autobahnen und Schnellstraßen mit einer Gesamtlänge von 5.500 km gebaut werden. Dafür werden 9,5 Milliarden EURO bereitgestellt. Eine der neuen Autobahnen soll zum geplanten WM-Highlight „Grand Stade Hassan II“ führen. In der Planung ist zudem ein Bahnhof, der auf Regional- und Hochgeschwindigkeitszüge ausgelegt ist und einen direkten Anschluss an das Stadion bieten soll. Das Eisenbahnnetzes soll weiter ausgebaut werden. Ein bereits konkret ausgeschriebenes Projekt ist zudem der Bau eines zweiten Flughafens in Sidi Zouine bis 2030, dessen Auftraggeber die Stadtverwaltung von Marrakesch ist.

Trotz des großen Wachstums im Hochbau sind bisher nur wenige deutsche Unternehmen im marokkanischen Bausektor aktiv. Dabei haben deutsche Firmen auch mit Blick auf die WM 2030 gute Chancen im Bau von Sportstätten, Übernachtungs- und Cateringeinrichtungen. Zusätzlich nimmt der Wohnungsbau stark zu. 2023 wurden 380.000 Wohnungen fertiggestellt bzw. fortgeführt.

Nach Schätzungen der UN wird die marokkanische Bevölkerung bis 2050 von 37 auf 45 Millionen ansteigen. Zudem hat die marokkanische Regierung das Ziel, den Tourismus bis 2030 auf 26 Millionen Besucher jährlich zu verdoppeln. Schon im letzten Jahr hat Marokko Ägypten als meistbesuchtes Land Afrikas übertroffen, und alleine zur WM sollen drei bis vier Millionen Besucher kommen. Die Zukunftsperspektiven in diesem Sektor sind somit sehr vielversprechend.

Die Bauwirtschaft stellt einen wichtigen Wachstumsfaktor der marokkanischen Wirtschaft dar. Nach Auskunft der Planungsbehörde „Haut Commissariat au Plan“ (HCP) trägt sie zu 6 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) bei. Im Jahre 2024 stieg die Nachfrage nach Baustoffen und Baumaterialien um 3 bis 4 Prozent. Die Baukonjunktur lief 2024 deutlich besser als im Jahr zuvor, unter anderem aufgrund der gesunkenen Inflation und der niedrigen Bauzinsen. Großaufträge werden nicht nur von der öffentlichen Hand, sondern auch vermehrt durch die Privatwirtschaft ausgeschrieben. Dies gibt der Baubranche einen starken Impuls.

Ausländische Unternehmen werden immer öfter von öffentlichen Auftraggebern berücksichtigt. Die Qualität der Ausführung spielt dabei eine äußerst wichtige Rolle wie auch ein Know-how für Energieeffizienz und Nachhaltigkeit am Bau. Die deutsche Ingenieurskunst genießt in dem Sektor in Marokko einen guten Ruf und hat gerade bei „Green Tech“ einen entscheidenden Erfahrungsvorsprung. Die Chancen auf eine erfolgreiche Kooperation zwischen deutschen Unternehmen und marokkanischen Projekten werden durch Marokkos Bemühungen um Diversifizierung der Geschäftsbeziehungen gefördert.

Deutsche Unternehmen haben insbesondere im Tiefbausektor vor allem im Zulieferbereich Chancen. Dies gilt besonders für Waren der Bautischlerei wie Bauholz, OSB- und Spanplatten, aber auch für Aufzüge und deren Komponente. Um sich als Firma in Marokko einen Namen zu machen, ist dennoch eine intensive Marktbearbeitung hier essenziell.

Eine Herausforderung für deutsche Investoren kann die Bewältigung der Unterschiede im Geschäftsleben zwischen Deutschland und Marokko sein. Ohne detaillierte Kenntnisse der Abläufe oder lokalen Partner kann die Akquise schwierig sein.

Eine Kooperation mit Partnern vor Ort ist somit äußerst vorteilhaft, sowohl für den Gewinn von Ausschreibungen als auch zur Beseitigung kultureller und sprachlicher Barrieren. Der Baumarkt sollte zudem mit lokalen Partnern gemeinsam erschlossen werden, die bei der Kommunikation während der Ausführung der Aufträge helfen können. Ein gutes Netzwerk vor Ort kann zudem bei der Beherrschung von marokkanischen Normen und der teilweise komplexen Ausschreibungs- und Bauvorschriften helfen.

Dies sollte jedoch keinen Investor abschrecken. Der Markt in Marokko hat ein enormes Potential. Deutsche Unternehmen und Firmen sollten sich diese Gelegenheit auf keinen Fall entgehen lassen.

Von Alberto Bischoff und Zakaria Korte:
Zakaria Korte ist deutsch-französischer Rechtsanwalt mit Sitz in Rabat. Er leitet in Marokko die Kanzlei KORTE AMERELLER und berät deutsche Unternehmen vor Ort. Er ist Vertrauensanwalt der deutschen, österreichischen und schweizer Botschaften in Rabat.

Alberto Bischoff ist wissenschaftlicher Mitarbeiter bei KORTE LAW in Rabat. Er hat an den Universitäten in Köln und Florenz studiert.