Ende November tagt in Dubai die Weltklimakonferenz COP28. Dr. Sultan Ahmed Al-Jaber wurde zum Präsidenten der Konferenz COP28 ernannt. Erfahrene Beobachter aus der Klima-Szene halten den Chef des staatlichen emiratischen Energiekonzerns ADNOC für eine ausgezeichnete Wahl.
Vom 30. November bis zum 12. Dezember findet in Dubai die „Conference of Parties“ COP28 statt, die 28. Auflage der Klimakonferenz in der Verantwortung der Vereinten Nationen.
Inhaltlich geht es auf dieser Konferenz unter anderem um das so genannte „Global Stocktake“ (GST) – eine Bilanzierung und Bestandsaufnahme der Aktivitäten, die im öffentlichen und privaten Sektor unternommen wurden, um die Beschlüsse des Pariser Klimaabkommens von 2015 umzusetzen.
Bis zu 30 000 Teilnehmer werden im Flugzeug anreisen und zur Tagung im Konferenzzentrum auf dem Gelände der Weltausstellung 2021 erwartet. Die Dubai Expo war explizit den Herausforderungen des Klimawandels gewidmet. Die wenigsten Teilnehmer der Konferenz gehören zu den offiziellen Delegationen der teilnehmenden Staaten.
Die meisten Teilnehmer zählt die – zugelassene – Gruppe der so genannten „Beobachter“. Einige davon sind zwischenstaatliche Organisationen (IGO), wie etwa die Weltgesundheitsorganisation (WHO). Die meisten jedoch gehören so genannten Nicht-Regierungsorganisationen (NGO) an, von denen in Dubai diesmal circa 2000 erwartet werden. Sie haben oft kein offizielles Mandat und sind in aller Regel nicht gewählt. Sie kommen im Auftrag von Interessengruppen oder weil sie für ihre Meinungen werben wollen. Zu dem GST werden neben den Vertragsstaaten der Konferenz auch externe Experten und Expertinnen sowie einige Nichtregierungsparteien zugelassen sein.
Dubai stellt den NGOs auf dem ehemaligen Expo-Gelände auch „first class“ Pavillons zu Verfügung. Dort präsentieren sich dann unter anderem Vertreter indigener Völker, Aktivisten für vegane Speisen und Gruppen, die eine „geschlechtergerechte Klimapolitik“ einfordern. Die Ausstellungsgelände am Rande der Klima-Konferenzen haben zunehmend den Charakter von „Messen der Meinungen“ bekommen – mit einem Trend zu realen Messen, auf denen auch Verfahren, Produkte und Dienstleistungen dargeboten werden.
Wenn die „Beobachter“ auch kein Stimmrecht haben, so sind sie erfahrungsgemäß von erheblicher Bedeutung für die Atmosphäre und den Verlauf der Klimakonferenzen, denn sie sorgen für Stimmung.
Manche dieser Organisationen sind professionell aufgestellte internationale Organisationen oder Kampagnenunternehmen mit Millionenumsätzen, die mit geschulten Aktivisten erhebliche Fertigkeiten entwickelt haben, sich im öffentlichen Diskurs wirksam zu positionieren. Diese Gruppen werden von Medien gern als „Zivilgesellschaft“ bezeichnet. Bei unbefangenen Beobachtern entsteht so der Eindruck, dass es sich bei diesem Segment der Politik um Vertreter der Menschen ohne Macht und Einfluss handelt. Im Gegensatz dazu wird dann gern das politische „Establishment“ gestellt – also das Segment in der Politik, das von einer Mehrheitsgesellschaft gewählt wurde oder getragen wird und daraus seine Legitimation zur Vertretung von gesellschaftlichem Interesse bezieht.
Pragmatismus und die Abwägung von gegenläufigen Interessen sind das Kerngeschäft von Politik. Doch sie gelten als verdächtig bei „Aktivisten“ und Menschen, die mit hoher Moral und wenig Kompromissbereitschaft an der Debatte um Klimapolitik teilnehmen.
Verdacht bei Aktivisten
So ist es kein Wunder, dass es Kritik gab, als das Sekretariat der UN-Klimakonferenz bekannt gab, dass Dr. Sultan Ahmed Al-Jaber Präsident der kommenden Klimakonferenz in Dubai sein wird. „Einen regelrechten Aufschrei bei der internationalen Zivilgesellschaft“ will die Friedrich-Ebert-Stiftung vernommen haben. Mit seiner Ernennung hätte man „den Bock zum Gärtner gemacht“. Greenpeace zeigte sich „zutiefst beunruhigt“ über seine Wahl. Eine Organisation namens „Climate Action Network International“ forderte gar seinen Rücktritt.
Die Kritiker des Präsidenten der kommenden Weltklimakonferenz stoßen sich daran, dass Dr. Al-Jaber CEO der staatlichen Abu Dhabi National Oil Company ist. Die VAE gehören zu den zehn größten Erdölproduzenten der Welt. Die Regierung des Landes hat angekündigt, die Öl- und Gasproduktion des Landes bis 2030 auf insgesamt fünf Millionen Barrel auszubauen, um dem weltweit wachsenden Bedarf an Energie nachzukommen. Dabei geht es sowohl um die Belieferung der Länder des industriell aufstrebenden globalen Südens als auch um die Belieferung von EU-Ländern wie Deutschland, die nach dem Ausstieg aus der Kernenergie und dem Wegfall des russischen Gases am Golf um Ersatzbeschaffung nachgesucht haben.
Die Regierung in Abu Dhabi reagiert gelasssen
Die Regierung der Vereinigten Arabischen Emirate hat gelassen auf die Vorhalte reagiert. „Wir werden einen pragmatischen, realistischen und lösungsorientierten Ansatz einbringen, der transformative Fortschritte für das Klima und ein kohlenstoffarmes Wirtschaftswachstum ermöglicht“.
Dr. Al-Jaber selbst gab seinen Kritikern einen Rat: „Ich weiß diese Skepsis zu schätzen, doch ich lade Sie ein, sich meine Laufbahn anzuschauen“, sagte er in einem Video-Interview.
Empfehlungen von der EU
Diesen Rat gibt auch der Holländer Frans Timmermanns, der Kommissar für Klimaschutz in der aktuellen EU-Kommission:„Ich denke, die Leute konzentrieren sich zu sehr auf seine Rolle als CEO eines Ölkonzerns“, sagte Timmermanns bei einer Versammlung der Internationalen Agentur für Erneuerbare Energien (IRENA) in Abu Dhabi. „Sie sollten sich ansehen, was er in den letzten Jahren getan hat. Er hat die Führung übernommen, um die Öl- und Gasindustrie in eine nachhaltige Welt zu führen“, erklärte der EU-Klimachef.
Der Hinweis kommt nicht von ungefähr. Al-Jaber ist nicht nur CEO eines Ölkonzerns, sondern auch Vorsitzender von Masdar, dem Pionier unter den nachhaltigen Firmen und Unternehmungen am Golf. Mit Masdar City wurde in den VAE bereits 2007 die erste klimaneutrale Stadt der Welt errichtet, die ihre Energie aus erneuerbaren Energien bezieht.
Schon jetzt werden in dem Giga-Komplex Noor Abu Dhabi rund 1,8 Gigawatt Solarstrom produziert. Das nächste Großprojekt ist auf dem Weg: Das dann weltweit größte Solarkraftwerk Al Dhafra Solar soll zwei GW Strom liefern, zu einem unglaublichen günstigen Preis von 0,135 US-Dollar pro kWh.
Vorbild Masdar
Masdar ist es eines der am schnellsten wachsenden Unternehmen für erneuerbare Energien weltweit und ist in über 40 Ländern der Welt aktiv. Im Jahr 2021 hat es sein Portfolio an sauberen Energien um 40 Prozent auf eine Gesamtkapazität von 15 Gigawatt erweitert, mit der 19,5 Millionen Tonnen CO2-Emissionen pro Jahr vermieden werden können. Bis 2030 will das Unternehmen 100 Gigawatt in seinem Portfolio haben und eine Million Tonnen grünen Wasserstoff produzieren.
Dr. Sultan Al-Jaber hat an diversen COP teilgenommen. In den zurückliegenden Monaten hat er nach eigenen Angaben eine „aktive Zuhör-Tour“ gemacht und dabei auf „Stimmen aus dem Globalen Süden, aus großen Wirtschaftsnationen, aus indigenen Communities, NGOs, der Zivilgesellschaft, der Jugend und der Wirtschafts-Community gehört.“
Potential für Erneuerbare
Begleitet wurde er dabei von Abu Dhabis Umweltbehörden- Chefin Razan Al Mubarak, Klima- und Umweltministerin Mariam Al Mheiri und Entwicklungsministerin Shamma Al Mazrui. Mittlerweile steckt das Team in den Vorbereitungen für die COP28 im November.
In der Tat haben die VAE derweil nicht nur ihr Portfolio an erneuerbarer Energie und Wasserstoff erheblich erweitert, sondern sind auch im angestammten Bereich von Öl und Gas auf dem Expansionskurs. Al-Jaber begründet das mit der aktuellen Situation im globalen Maßstab: „Wenn uns dieses Jahr etwas gelehrt hat, dann ist es, dass Energiesicherheit die Grundlage allen Fortschritts ist – wirtschaftlichen, sozialen und klimatischen Fortschritts“, sagte er auf der Abu Dhabi International Petroleum Exhibition and Conference (ADIPEC). Da die Weltbevölkerung bis 2050 auf 9,7 Milliarden Menschen anwachsen wird, müsse die Welt 30 Prozent mehr Energie produzieren als heute.
Er lässt aber keinen Zweifel daran, dass „kein Sektor so viel Potenzial bietet wie die erneuerbaren Energien. In den nächsten sieben Jahren müssen wir die Kapazität der erneuerbaren Energien weltweit mehr als verdreifachen. Die Welt muss sich viel, viel schneller bewegen als je zuvor“, fügte Al-Jaber hinzu.
Wissenschaft und Fakten
Während ihrer Präsidentschaft der COP28 würden die VAE „Hand in Hand“ mit der Internationalen Agentur für Erneuerbare Energien IRENA zusammenarbeiten und „transformative Lösungen vorschlagen, die auf Wissenschaft und Fakten beruhen, von der Politik unterstützt und von Unternehmen und Industrie befürwortet werden. Kurz gesagt, wir werden nichts unversucht lassen, um einen umfassenden Fortschritt beim Klimaschutz zu erreichen“.
Achim Steiner, deutscher Direktor beim UN-Entwicklungsprogramm UNDP, rät ebenfalls, der Präsidentschaft der COP28 positiv gegenüber zu stehen: „Ich würde denjenigen, die zum Beispiel den Vereinigten Arabischen Emiraten kritisch gegenüberstehen, raten, die Wirtschaftsgeschichte der VAE in den letzten 20 Jahren zu studieren.“
„Sie werden überrascht sein, dass das, was einst buchstäblich 99 Prozent der Wirtschaft der VAE ausmachte, heute fast auf den Kopf gestellt ist“, sagte der hohe UN-Beamte.
von Jürgen Hogrefe