Infrastruktur, Energie, Wasser und Bildung. Dies waren die Schlüsselthemen der Ghorfa-Delegationsreise nach Jordanien und Libanon. Vom 28. April bis zum 3. Mai bereisten deutsche Unternehmensvertreter unter Leitung von Dr. Peter Ramsauer, Präsident der Ghorfa, die beiden Staaten, um Kooperationsmöglichkeiten auszuloten.
Die wirtschaftliche Entwicklung nimmt trotz andauernder Instabilität mancher Staaten in der Levante wieder an Fahrt auf. Denn nicht nur große Infrastruktur-Maßnahmen sind notwendig, zahlreiche Projekte befinden sich bereits in der Pipeline. Auch gemeinschaftliche Vorhaben im Bildungsbereich sowie beim Know-how-Transfer werden nachgefragt. Zugleich macht sich eine positive Tendenz beim Warenaustausch mit einigen Ländern der Region bemerkbar.
Das ist das Bild, das sich den Delegationsteilnehmern während ihrer Reise nach Jordanien und Libanon bot. Die Unternehmensvertreter erhielten Informationen über Kooperationsmöglichkeiten aus erster Hand und konnten wertvolle Netzwerke knüpfen. Insbesondere die Sektoren Strom, Wasser, erneuerbare Energien sowie die Vereinfachung des Warenaustauschs und die gemeinsame Förderung von Fachkräften wurde bei den zahlreichen Treffen mit hochrangigen Regierungsvertretern beider Länder angesprochen. Dabei wurde deutlich, dass das Interesse an Zusammenarbeit mit deutschen Unternehmen sehr gefragt ist.
Unter der Leitung von Dr. Peter Ramsauer, Präsident der Ghorfa, reiste eine Delegation von deutschen Unternehmensvertretern zunächst nach Jordanien. Mit Unterstützung der deutschen Botschaft in Amman sowie der Amman Chamber of Industry und der Jordan Chamber of Commerce hatte die Ghorfa diesen ersten Teil der Reise organisiert.
Jordanien als regionale Drehscheibe für wirtschaftliche Begegnung
Durch Jordaniens stabilen und verlässlichen Standpunkt in der Region entwickle sich das Königreich immer mehr zu einer regionalen und internationalen Drehscheibe für wirtschaftliche Begegnungen, besonders mit Blick auf den Wiederaufbau Iraks und gegebenenfalls Syriens. Diese Auffassung wurde während der Reise nicht nur von jordanischer Seite mehrfach betont, auch die deutsche Botschafterin in Amman, Frau Brigitta Siefker-Eberle unterstrich diesen Aspekt in einem kurzen Briefing mit den Delegationsteilnehmern zu Beginn der Reise. Die Flüchtlingssituation sowie die sinkenden Wasserspiegel im Land zählen weiterhin zu den größten Schwierigkeiten, mit welchen sich das Land auseinandersetzen muss, erklärte die Botschafterin.
Dies wurde auch im Gespräch mit dem Minister für Wasser und Bewässerung, Raed Abu Al-Soud, deutlich. Der Minister erklärte, dass neben der Versorgung der wachsenden Bevölkerung auch die Landwirtschaft unter dem Wassermangel leide und er lud deutsche Unternehmen ein, sich mit innovativen Ideen an der Lösung der Probleme zu beteiligen. Mehrere Projekte seien derzeit geplant. Unter anderem die Vergrößerung der derzeit größten Abwasseraufbereitungsanlage des Landes in Samra.
Beim Thema Wasserversorgung und Ressourcenmanagement verbindet Deutschland bereits eine langjährige Kooperation. Erst Anfang des Jahres feierten die deutsche Bundesanstalt für Geowissenschaften und Ressourcen (BGR) gemeinsame mit dem jordanischen Ministerium für Planung und Internationale Kooperationen und der deutschen Botschaft den 60. Jahrestag der gemeinsamen Partnerschaft für Wasserressourcen.
Ähnliche Kooperationen für den Bildungssektor brachte die Ministerin für Energie und Bodenschätze, Hala Al-Zawati, gegenüber der Delegation ins Gespräch. So plane das Ministerium derzeit, eine Energy Academy aufzubauen, welche als Ausbildungshub für die gesamte Region fungieren könnte. Ausdrücklich wünschte sich die Ministerin in diesem Zusammenhang die Zusammenarbeit mit Deutschland.
Im Energiebereich biete Jordanien hervorragende Bedingungen für ein solches Projekt. So konnte das jordanische Stromnetz zuletzt erfolgreich ausgebaut werden. Inzwischen übersteige das Angebot die Nachfrage, sagte die Ministerin. Auch der Anteil der erneuerbaren Energien sei kontinuierlich gesteigert worden. Derzeit kommen 11 Prozent des Stroms aus erneuerbaren Quellen, bis 2020 soll der Anteil auf 20 Prozent steigen.
Zuletzt wurden in diesem Zusammenhang verschiedene Aufträge vergeben und Projekte in die Wege geleitet. Nach den Anlagen Mafraq 1 und Mafraq 2 nahm erst Ende April eine weitere Solaranlage Ihre Arbeit auf. Auch wurden zuletzt Unternehmen zur Entwicklung eines weiteren Windprojekts eingeladen. In der dritten Vergaberunde, die noch bis Ende Mai geöffnet ist, sollen insgesamt Windprojekte mit einer Kapazität von 100 Megawatt (MW) im Süden des Landes entstehen. Zudem sind 200 MW an PV-Kapazitäten vorgesehen.
Im Gespräch mit der deutschen Delegation betonte die Ministerin allerdings, dass die Kooperation zweiseitig sein solle. So müsse auch daran gearbeitet werden, dass auch der deutsche Markt für jordanische Produkte weiter geöffnet wird. Dies sprachen auch Dr. Khair Abu Sailik, Vorsitzender des Economic and Investment Committee, und Atef Tarawneh, Sprecher des jordanischen Repräsentantenhauses, im Gespräch mit der Delegation an.
So gebe es zwar mit dem zuletzt vereinbarten Assoziierungsabkommen mit der EU und den sogenannten Rules of Origin eine Initiative, welche den Export nach Europa vereinfacht. Dies habe jedoch noch weiteres Potenzial um das Handelsdefizit weiter zu senken. Auch die Gespräche mit dem Staatssekretär für Investitionen, Faridoun Hartoga, sowie mit dem Staatssekretär a.i. im Ministerium für Industrie und Handel, Imad Tarawneh, thematisierten diese Aspekte der jordanisch-deutschen Wirtschaftsbeziehungen.
Um die Möglichkeiten für gemeinsame Projekte auszuloten erhielten die Delegationsteilnehmer wie bei allen Delegationsreisen der Ghorfa die Möglichkeit, mit Unternehmen vor Ort ins Gespräch zu kommen. So hatte die Jordan Chamber of Commerce ein Jordan-German Business Forum organisiert. Auch der Minister für Industrie und Handel, Dr. Tariq Hammouri, nahm an der Veranstaltung teil. Dr. Peter Ramsauer dankte für die Einladung und rief die Anwesenden auf, die Chance zu nutzen, um Kooperationen in die Wege zu leiten. Auch Nael Al-Kabariti, Präsident der Jordan Chamber of Commerce, betonte in seiner Begrüßung die Potenziale des Landes: „Das Königreich ist ein Gateway zu den Ländern der Region. Vor allem für Projekte beim Wiederaufbau in Irak und Syrien.“
Libanons Reformpläne lassen auf Aufschwung hoffen
Wie Jordanien, könnte auch Libanon künftig eine Schlüsselrolle beim wirtschaftlichen Aufbau der Nachbarländer spielen. Dementsprechend sind auch in dem Land am Mittelmeer derzeit Projekte geplant, bei welchen deutsches Know-how gefragt ist. Neben den zahlreichen Flüchtlingen in dem Land sei, ähnlich wie in Jordanien, die Infrastruktur eine große Herausforderung. Allerdings sei weniger die Wasserversorgung, als der Aufbau einer zukunftsfähigen Energieversorgung der Schlüssel, um zu einem nachhaltigen Wachstum zurückzukehren. Die neue libanesische Regierung hat zuletzt die Planungen für Reformen sowie eine Energie-Strategie in die Wege geleitet. Auch die große Wirtschaftskonferenz CEDRE, bei welcher zahlreiche Vorhaben des Landes im vergangenen Jahr vorgestellt wurden, hat gezeigt, dass es große Potenziale für Zusammenarbeit in dem Land gibt.
Unter diesen Umständen trafen die Delegationsteilnehmer vom 1. bis 3. Mai in der Republik Libanon hochrangige Regierungsvertreter. Zudem bekamen sie die Gelegenheit, beim Arab Economic Forum, mit zahlreichen Vertretern arabischer Unternehmen in Kontakt zu treten. In Zusammenarbeit mit dem Lebanese German Business Council hatte die Ghorfa den Besuch in dem Land organisiert. Zudem unterstütze auch die deutsche Botschaft die Delegation, die vom Botschafter, Dr. Georg Birgelen begrüßt wurde. Auch er gab eine kurze Übersicht über die aktuelle wirtschaftliche Lage des Landes.
Konkrete Projekte mit deutscher Beteiligung gibt es derzeit insbesondere im Energiebereich. Darauf verwies auch die Energieministerin Nada Boustani Khoury im Gespräch mit der Delegation. So fungiert die deutsche Fichtnergruppe beim Ausbau der beiden Anlagen in Zahrani und Selaata als Berater. Noch vor dem Sommer sollen laut der Ministerin die Ausschreibungsunterlagen für diese Projekte veröffentlicht werden. Zudem sollen noch drei weitere Anlagen in dem Land errichtet werden.
Neben der Energieinfrastruktur seien arbeitsschaffende Maßnahmen, insbesondere unter der jungen Bevölkerung von hoher Priorität in dem Land. Diese Einschätzung bestätigte auch Nadim Munla, Berater des Präsidenten, während eines Gesprächs. Neben Infrastruktur und Gesundheitssektor sei daher auch der Bildungssektor ein wichtiger Aspekt bei der Investorenkonferenz CEDRE, auf welche auch Dr. Nabil Fahed, der Vize-Präsident der Beirut Chamber of Commerce, Industry and Agriculture hinwies.
Ausländische Investitionen seien jedenfalls der Schlüssel zum Erfolg und von deutscher Seite gebe es auch Interesse an gemeinsamer wirtschaftlicher Zusammenarbeit, wie Dr. Peter Ramsauer, während des Arab Economic Forums sagte. „Wir können das Wachstum in den arabischen Ländern ankurbeln, indem Arbeitsplätze geschaffen und ausländische Direktinvestitionen (FDIs) europäischer Geschäftspartner in den arabischen Ländern gefördert werden“, sagte der Präsident der Ghorfa. Eine Möglichkeit, so Ramsauer, sei es, den Jugendlichen eine wirtschaftliche und berufliche Weiterbildung zu bieten. „Wir brauchen kaufmännische und technische Fachkräfte, und Deutschland verfügt neben anderen europäischen Ländern über ein Bildungs- und Berufssystem, das über ausgezeichnete Fähigkeiten verfügt“, sagte er.