Mit dem diesjährigen Haushaltsplan zeige die marokkanische Führung eine „starke politische Reaktion“, um den wirtschaftlichen Auswirkungen der Corona-Pandemie und des Krieges in der Ukraine entgegenzuwirken. Laut dem IWF-Exekutivdirektorium gelinge Marokko damit ein Dreiklang: Nicht nur würden diese globalen Schocks abgemildert, sondern auch das staatliche Defizit reduziert und Raum für strukturelle Reformen geschaffen.
Nachdem die marokkanische Wirtschaft die direkten Auswirkungen der Corona-Pandemie überwunden hatte und 2021 ein überraschend starkes Wachstum von 7,9 Prozent des Bruttoinlandsprodukts erzielte, drückten ausbleibende Ernteeinnahmen sowie hohe Inflationsraten und die damit verbundenen sinkenden Realeinkommen der Bevölkerung das Wachstum 2022 auf 0,8 Prozent. Die Inflation stieg im vergangenen Jahr auf 6,5 Prozent und ließ v.a. die Lebensmittel- und Energiepreise steigen, wodurch die Nachfrage des marokkanischen Binnenmarktes spürbar nachließ. Das ebenfalls steigende Preisniveau internationaler Einfuhren drückte ebenfalls auf die Leistungsbilanz Marokkos. Trotz steigender Einnahmen im Tourismussektor waren die Auswirkungen auf die Leistungsbilanz mit -4,3 Prozent spürbar.
Um die Inflation zu deckeln und mittelfristig zurückzuführen, erhöhte die marokkanische Zentralbank ihren Leitzins im September auf zwei Prozent. Der IWF geht davon aus, dass diese Maßnahme in den kommenden Jahren erfolgreich sein wird und sich die Inflation langfristig auf einem Niveau von zwei Prozent einpendelt – vorausgesetzt, dass sich keine weiteren globalen Krisen entwickeln. Zumindest im laufenden Jahr sollten deutsche Unternehmer und Investoren jedoch noch mit voraussichtlich 4,1 Prozent Inflation rechnen und dies bei den wirtschaftlichn Aktivitäten berücksichtigen. Im Falle einer weiteren Leitzinserhöhung ist außerdem mit einer zunehmenden Abwertung des marokkanischen Dirhams gegenüber dem Euro zu rechnen (2022: ca. sechs Prozent).
Die marokkanische Regierung verfügt indes über Spielraum hinsichtlich der Budgetgestaltung. Obwohl die öffentlichen Ausgaben v. a. durch Benzin- und Getreidesubventionen sowie Zuschüssen zu den öffentlichen Stromversorgern angesichts der wirtschaftlichen Krisen 2022 erhöht wurden, spülten Inflation und überdurchschnittliche Unternehmenssteuereinnahmen aus dem Vorjahr gleichzeitig mehr Geld in die öffentlichen Kassen. Insbesondere letzteres kann als Beleg gesehen werden, dass der marokkanische Privatsektor seinen Teil zur Stabilisierung des Gemeinwesens leistet. Insgesamt kann die marokkanische Regierung – sofern die globalen Rahmenbedingungen stabil bleiben – sowohl laufende Ausgaben finanzieren als auch mittelfristig den staatlichen Schuldenstand stabil halten, von voraussichtlich 69 Prozent des BIP in diesem Jahr auf 67,5 in 2027. Erfreulich für Unternehmer und Investoren ist auch, dass das marokkanische Bankenwesen bislang stabil geblieben ist und es somit problemlos möglich ist, Kredite für Investitionen zu erhalten.
Der IWF empfiehlt der marokkanischen Regierung weitere Reformen, um dem Privatsektor zu weiterem Wachstum zu verhelfen. Dazu zählen weitere Privatisierung staatlicher Unternehmen, wie bereits in den vergangenen Jahren angestoßen wurden. Der IWF lobt die Ernennung des neuen CEOs für das Amt für die Konsolidierung und Optimierung von Marokkos Staatsunternehmen. Es wird erwartet, dass dieser Prozess, mit dessen Abschluss 2025 gerechnet wird, nun an Fahrt aufnimmt und zahlreiche Möglichkeiten für marokkanische wie ausländische Investoren bietet. Weiterhin wird erwartet, dass der Mohammed VI-Investmentfonds bald arbeitsfähig sein und mit der Auszahlung von Geldern beginnen wird, um Schlüsselsektoren der marokkanischen Wirtschaft weiterzuentwickeln. Auch hier können sich mittelfristig Kooperationsmöglichkeiten für deutsche Unternehmer auftun. Der IWF lobt außerdem die Verabschiedung der New Charter of Investment, das Anreize insbesondere für kleine und mittlere Unternehmen setzt, Investitionen in Marokko zu tätigen.
Weitere Geschäftsmöglichkeiten ergeben sich für deutsche Unternehmen im Energie- und Gesundheitssektor. Die marokkanische Regierung hat im vergangenen Jahr Maßnahmen ergriffen, um den Wettbewerb im Bereich erneuerbare Energien zu stärken und plant, künftig Wasserstoff in Form von Ammoniak nach Europa zu exportieren. Die andauernden Reformen im Gesundheitssektor sehen den Neubau von mehr als 40 regionalen Krankenhäusern sowie für den Umbau von mehr als 20 bestehenden Krankenhäusern vor sowie ein erhöhter Bedarf an medizinischem Gerät.
Die umfangreichen Entwicklungen im Energie- und Gesundheitssektor zeigen, dass die Entwicklung des Landes weiterhin entschlossen vorangetrieben wird. Die politische Rückendeckung durch die marokkanische Regierung ist in diesem Fall sinnvoll, da für Vertrauen bei Investoren sorgt und zeigt, dass die Rahmenbedingungen für gute Geschäftsanbahnungen gegeben sind. Unter diesen Voraussetzungen veranstaltet die Ghorfa vom 2. bis 6. Mai 2023 eine Delegationsreise nach Marokko.