Arabische Investoren, insbesondere die Staatsfonds der GCC-Staaten, zeigen ein wachsendes Interesse an strategischen Investitionen in Deutschland. Der Fokus liegt zunehmend auf zukunftsorientierten Branchen, wobei oft langfristige Partnerschaften mit deutschen Unternehmen angestrebt werden. Eine pragmatische, durchdachte und strategische Herangehensweise kann Win-Win-Partnerschaft schaffen – sowohl wirtschaftlich als auch politisch.
Vor allem die Länder der GCC-Region befinden sich auf einem deutlichen Wachstumskurs. Dazu trägt die aktuelle geopolitische Dynamik ebenso bei wie die erfolgreiche Umsetzung bedeutender wirtschaftlicher Transformationsinitiativen – wie etwa der Vision 2030 in Saudi-Arabien. In den letzten Jahren wurde das Interesse arabischer Investoren an Beteiligungen in deutschen Unternehmen zunehmend sichtbar.
Der bedeutendste Akteur in Deutschland ist die Qatar Investment Authority (QIA), die über zwei Jahrzehnte ein Portfolio an Minderheitsbeteiligungen in deutschen börsennotierten Unternehmen aufgebaut hat. QIA hält unter anderem Anteile an Volkswagen (10 %), der Deutschen Bank (5 %) und Hapag-Lloyd (13 %). Dabei verfolgt Katar einen eher passiven Ansatz und agiert als stabiler Investor, ohne sich stark in die operative Führung einzumischen. Diese Strategie zeigt eine langfristige, strategische Planung, die auf Wertsteigerung statt auf kurzfristige Renditen abzielt.
Auch die Kuwait Investment Authority (KIA) ist in Deutschland aktiv, unter anderem mit einer mittlerweile schon historischen Beteiligung von damals rund 7% an Mercedes-Benz. Die Abu Dhabi Investment Authority (ADIA), der größte Staatsfonds der VAE, tritt oft als passiver Co-Investor in Partnerschaft mit Private-Equity-Fonds auf, zum Beispiel bei Beteiligungen an VTG, IFCO und TKE. Mubadala aus Abu Dhabi wiederum engagierte sich zunehmend in Finanzierungsrunden größerer deutscher Start-ups wie TIER und wefox.
Saudi-Arabiens Public Investment Fund (PIF) ist international sehr aktiv, hat jedoch im Vergleich zu anderen westlichen Ländern relativ wenige Investitionen in Deutschland getätigt. Diese sind jedoch sehr strategischer Natur: So etwa als Anker-Investor bei der Beteiligung am IPO von Nucera sowie durch eine signifikante Minderheitsbeteiligung an Skyborn Renewables.
Trends im Investitionsverhalten
Die aktuellen Schwerpunkte arabischer Investoren, insbesondere der Staatsfonds (Sovereign Wealth Funds SWF), liegen zunehmend in zukunftsorientierten Sektoren. Im Fokus stehen Technologien mit langfristigem Wachstumspotenzial sowie Megatrends wie Nachhaltigkeit und das Ziel der Klimaneutralität (Net Zero). Des Weiteren setzen die Fonds auf geografische Diversifikation und eine Expansion in Märkte wie Asien-Pazifik und Afrika, um die Zukunftsfähigkeit der Investitionen zu sichern. Ein bemerkenswerter Trend ist zudem die „Buy & Build“-Strategie, bei der Staatsfonds wie der PIF Portfolio-Unternehmen langfristig zu „National Champions“ entwickeln möchten.
In Deutschland zeigt sich: Während in der Vergangenheit vor allem Minderheitsbeteiligungen an börsennotierten Unternehmen und Immobilien im Vordergrund standen, werden zunehmend strategische Beteiligungen getätigt, die auch Faktoren wie Know-how-Transfer, die Unterstützung von wirtschaftlichen Diversifizierungsbemühungen in den jeweiligen Ländern und eine gemeinsame Markterschließung berücksichtigen.
Die GCC-Staaten legen großen Wert auf ihre Reputation in der westlichen Welt und darauf, dass ihre Investitionen als Win-Win-Situationen wahrgenommen werden. Ein prominentes Beispiel dafür ist die Beteiligung der QIA an der RWE im Jahr 2022. Durch eine Pflichtwandelanleihe im Wert von 2,43 Milliarden Euro stieg QIA mit einem Anteil von 9,1 Prozent zum größten Einzelaktionär des Energiekonzerns auf und unterstützte damit RWEs Übernahme der Cleantech-Sparte von Con Edison in den USA – ein erheblicher Schritt für die grüne Expansion von RWE.
Die avisierte und sehr weit fortgeschrittene Übernahme von Covestro, einem weltweit führenden Hersteller von Hightech-Polymeren, durch die Abu Dhabi National Oil Company (ADNOC) zeigt, dass milliardenschwere Übernahmen durch arabische Investoren in Deutschland selten bleiben – es sei denn, es gibt ein klares strategisches Motiv. Die vollständige Akquisition von Covestro durch ADNOC stellt nicht nur eine Kapitalinvestition dar, sondern verschafft Covestro Zugang zu ADNOCs Ressourcen und globalem Netzwerk.
Die Übernahme gestaltet sich besonders vorteilhaft für die Aktionäre der Covestro. ADNOC bietet 62,00 Euro je Aktie – was eine Bewertung in Höhe von 11,7 Milliarden Euro reflektiert. Das Angebot beinhaltet eine Übernahmeprämie von rund 54 % auf den Schlusskurs vom 19. Juni 2023, dem Tag bevor erstmalig über eine mögliche Transaktion in der Presse berichtet wurde. Hinzu kommen die Übernahme der Schulden in Höhe von etwa 3 Milliarden Euro sowie eine Kapitalerhöhung in Höhe von 1,17 Milliarden, die nach dem Closing erfolgen soll. Somit wird die Übernahme von Covestro durch die ADNOC etwa 16 Milliarden Euro kosten. Die sehr hohe Bewertung macht deutlich, dass das Interesse an der langfristigen Integration in der Wertschöpfungskette von Öl & Gas bis hin zur nachhaltigen Chemieproduktion höher gewichtet wird, als kurzfristige Renditen.
Chancen und Vorteile für deutsche Unternehmen
Investoren aus der GCC-Region füllen hier zunehmend eine Lücke im Investitionsgeschehen, die sich durch unterschiedliche Faktoren aufgetan hat: Vor allem seit 2022 sinkt die Bereitschaft angelsächsischer Finanzinvestoren, hohe Bewertungen zu zahlen. Zudem führen politische Unsicherheiten zu einer zögerlichen Investitionsbereitschaft europäischer Konzerne, und chinesischen Investoren gegenüber herrscht oftmals eine kritische Haltung.
Beteiligungen durch arabischen Staatsfonds bieten deutschen Unternehmen Vorteile wie langfristige Kapital- und Ressourcensicherung. Kooperationen mit kapitalstarken Investoren ermöglichen deutschen Unternehmen somit nicht nur finanzielle Stabilität, sondern können auch Zugänge zu Märkten und Netzwerken im Nahen Osten eröffnen.
Besonders bemerkenswert ist, dass ein zunehmendes Interesse seitens arabischer Investoren an mittelständischen Unternehmen besteht – insbesondere an den „Hidden Champions“. Während bei den großen Staatsfonds aufgrund hoher Minimum Equity Ticket Size das Interesse an direkten Investitionen in mittelständischen Unternehmen eher begrenzt ist, gibt es jedoch eine Reihe von Portfoliounternehmen und Strategen, die die momentan herausfordernde wirtschaftliche Situation in Teilen Europas auch als Chance sehen, gezielte Investitionen zu tätigen. Hierbei kann auch der Ansatz bestehen, Minderheitsbeteiligungen zu tätigen, um eine Basis für eine strategische Kooperation zu schaffen.
Risiken und Herausforderungen
Gelegentlich gibt es politische Bedenken gegenüber Investitionen aus der GCC-Region; dabei gelten diese Staaten als geopolitisch stabile Akteure und langfristige politische Partner.
Die Vertreter der SWFs in Aufsichtsräten sind – im Gegensatz zu manchen aktivistischen Investoren – sehr an einer harmonischen Zusammenarbeit interessiert. Auch aus Gründen der Reputation treiben sie keine Schritte proaktiv voran, die zu negativen Presseberichten führen könnten. Dennoch sind bei vollständigen Übernahmen Fragen zur langfristigen Sicherung von Standorten und Arbeitsplätzen durchaus gerechtfertigt. Hierbei ist angeraten, in Verhandlungen eine möglichst langfristige Garantie der Sicherung der Wertschöpfung in Deutschland zu erreichen, in Verbindung mit dem Commitment von Investitionen in bestehenden Standorten – Forderungen, die sich bei langfristig agierenden arabischen Investoren besser durchsetzen lassen als im Falle der Übernahme durch direkte Wettbewerber oder mancher Private-Equity-Investoren.
Die Auswirkungen des Ukraine-Kriegs, protektionistische Maßnahmen und politische Unsicherheit haben das Investitionsklima beeinflusst. Deutschland hat in den vergangenen Jahren teils an wirtschaftlicher Attraktivität eingebüßt. Zudem haben unvorteilhafte außenpolitische Signale den Ruf Deutschlands in der arabischen Welt beeinträchtigt. Auch wirtschaftspolitische Entscheidungen, wie das Ausbleiben einer Bürgschaft für zukunftsweisende Unternehmen wie dem Flugtaxi-Pionier LILIUM, hatten eine negative Signalwirkung und wurden seitens vieler Investoren mit Befremden aufgenommen.
Es liegt auch an der deutschen Politik, das Potenzial voll auszuschöpfen. Hierbei ist ein strategisches, ideologiefreies Handeln und die Betrachtung der langfristigen Perspektive entscheidend, um Investoren zu gewinnen, mit denen volkswirtschaftliche Win-Win-Situationen kreiert werden können. Gerade in Zeiten globaler Unsicherheiten könnte dies für beide Seiten eine wertvolle Basis sein, auf der nachhaltige Erfolge aufgebaut werden können.
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Adrian Saif ist Director bei Clearwater International in Frankfurt, einer der führenden unabhängigen globalen Corporate-Finance-Beratungshäuser. Sein Fokus liegt auf der Leitung von M&A-Projekten in Sektoren wie unter anderem Industrials und Chemicals. Vor seiner Zeit bei Clearwater International arbeite er im Investment Banking der britischen HSBC in Deutschland und Saudi-Arabien.