11. Deutsch-Arabische Wirtschaftsforum

Mit einer Rekordbeteiligung von mehr als 800 Besuchern (etwas je zur Hälfte aus Deutschland und den arabischen Ländern) fand vom 25. bis 27. Juni 2008 das 11. Deutsch-Arabische Wirtschaftsforum in Berlin statt. Die Vertreter der arabischen Wirtschaft (Unternehmer, Verbands- und Handelskammerrepräsentanten sowie Minister und Staatssekretäre) appellierten an die deutsche Wirtschaft, sich noch stärker als bisher in der arabischen Welt zu engagieren. Das Wirtschaftsforum wird von der Ghorfa in Kooperation mit dem Deutschen Industrie- und Handelskammertag (DIHK) sowie der Generalunion der Arabischen Kammern für Handel, Industrie und Landwirtschaft veranstaltet.

„Mein erstes Ziel wird sein, alle unnötigen Regulierungen abzuschaffen, die Euch überlasten“, zitierte Bundeswirtschaftsminister Michael Glos, Schirmherr des Forums, Sultan Qaboos von Oman mit einer Ankündigung, die dieser bei seinem Amtsantritt 1970 seinem Volk gegenüber aussprach.

Heute sei das Sultanat, Partnerland des diesjährigen Deutsch-Arabischen Wirtschaftsforums, „eine der weltweit am stärksten wachsenden Volkswirtschaften geworden“, so Ghorfa-Präsident Dr. Thomas Bach in seiner Eröffnungsrede. Das reale Wachstum des BIP Omans, so Dr. Bach weiter, lag in den vergangenen Jahren bei 6,8% und 6,3% und werde sich in diesem Jahr laut IWF auf 7% belaufen.

Die sehr guten deutsch-omanischen Wirtschaftsbeziehungen seien „nur ein Beispiel für die hervorragenden deutsch-arabischen Wirtschaftsbeziehungen“. Im vergangenen Jahr sind die deutschen Exporte in die arabische Welt auf einen neuen Rekordwert von 23,3 Mrd. Euro (+9,6%) gestiegen. Aber, mahnte Dr. Bach, es genüge nicht, sich auf den Warenverkehr zu beschränken. Joint Ventures, strategische Partnerschaften und örtliche Präsenz müssen Teile der Unternehmenspolitik werden. Bei Direktinvestitionen belege Deutschland keine vorderen Plätze.

Bürokratieabbau, Deregulierung und Privatisierung sowie mehr Markt gehören in vielen arabischen Ländern zum Instrumentarium ihres wirtschaftlichen Aufschwungs. Das Eingangszitat sei, wie Wirtschaftsminister Glos sagte, „ein gutes Motto für jede Regierung weltweit“. Der Minister fuhr fort: „Handel und Wandel benötigen freie Märkte und schnelle Wege.“ Genau dies sei das Thema des Wirtschaftsforums und hierfür setze sich Deutschland ein, z. B. durch den Abschluss der Verhandlungen über ein Freihandelsabkommen zwischen EU und GCC.

Die arabischen Länder ermunterte der Minister, den Weg von Strukturreform und Öffnung konsequent weiterzugehen. Regionale Integration, wie z. B. die Euromed Freihandelszone zwischen EU und südlichen Mittelmeeranrainern, seien ein Schlüssel zu weiterem Wachstum.

Hinsichtlich der sehr guten Beziehungen zu Deutschland und ihrer weiteren Verbesserung durch zwischenstaatliche Freihandelsabkommen stimmte Omans Handels- und Industrieminister Maqbool bin Ali bin Sultan seinem deutschen Ministerkollegen zu. Oman als Partnerland des Wirtschaftsforums bedeute ein Zeichen besonderen Vertrauens. In der Tat haben die Beziehungen zu Deutschland Modellcharakter für die deutsch-arabischen Beziehungen insgesamt. Arabien stelle nicht nur bedeutende Ölreserven, sondern einen Markt von über 300 Mio. Konsumenten.

DIHK-Geschäftsführer Dr. Martin Wansleben lobte die große Dynamik in den arabischen Ländern. Mit einem Volumen von mehr als 23 Mrd. Euro repräsentiere der Handel mit dieser Region 10% aller außereuropäischen Exporte und stelle damit nach wie vor einen größeren Anteil als die Ausfuhren in die ASEAN-Staaten oder nach Südamerika.

Bei der Lösung zahlreicher weltweiter Probleme sei Deutschland für die arabischen Länder ein hilfreicher Partner, bemerkte Mohamed al-Orabi, Botschafter Ägyptens und Doyen der arabischen Botschafter in Berlin. Er hob u. a. die führende Rolle Deutschlands in der Technologie erneuerbar Energien hervor und bestätigte die Richtigkeit der Diversifizierungspolitik des Partnerlandes Oman.

Die insgesamt zehn Workshops während der eineinhalb Konferenztage repräsentierten die wesentlichen Geschäftsfelder der deutsch-arabischen Wirtschafsbeziehungen: Infrastruktur, Petrochemie, Finanzdienstleistungen, Bildung und Berufsbildung, Kapitalbeteiligung und Know-how Transfer.

Logistik- und Infrastrukturprojekte verdeutlichen ganz besonders eindringlich die Dynamik des Wandels in den arabischen Ländern. Der Vertreter des Dachverbandes der saudi-arabischen Industrie- und Handelskammern machte dies am Beispiel seines Landes deutlich. Dort habe die Privatisierung eindeutig den Wettbewerb belebt. Der Standortvorteil der arabischen Halbinsel bestehe darin, auf halbem Weg zwischen Europa und Ost- und Südasien zu liegen und sich daher als Logistikdrehscheibe sehr gut eigne.

Nicht weniger interessant sind die Maghrebländer, wie Andreas Hergenröther, Geschäftsführer der Deutschen Außenhandelskammer in Algerien, am Beispiel Algeriens verdeutlichte. 70% aller Investitionen dort gehen in Projekte der Infrastruktur, Wohnungsbau, Bildung und Gesundheit. Algerien BIP sei 2007 um 4,8% gewachsen, das jährliche Prokopfeinkommen betrug im selben Jahr 3.968 US und wird für 2008 auf 4.138 USD prognostiziert, so Hergenröther über Afrikas zweitgrößte Volkswirtschaft. Er erinnerte an bedeutende Infrastrukturprojekte, wie den Bau von Wasserversorgungs- und U-Bahnsystemen (durch deutsche Unternehmen) und der 1.200 km langen Ost-West-Autobahn (durch Japan und China).

Ähnliches war aus dem Partnerland Oman zu berichten. Mit dem Tourismus als dem am schnellsten wachsenden Bereich der Wirtschaft werden zahlreiche Infrastrukturprojekte auf den Weg gebracht. 18 Marinas werden gebaut, man möchte das Land darüber hinaus für Kreuzfahrtschiffe attraktiv machen. 25% des BIP werden für Infrastrukturprojekte ausgegeben, 50% des BIP werden bereits jetzt durch den Nicht-Öl-Sektor erwirtschaftet, 2020 sollen dieser Anteil 90% betragen.

Auch für die petrochemische Industrie gelten die Privatisierungstendenzen. Mehr und mehr werden Industrieanlagen mit privatem Kapital in den arabischen Ländern errichtet. Ein Vorzeigebeispiel in Oman ist das von MAN-Ferrostaal in Port Sohar errichtete Methanolwerk. Saudi-Arabien möchte bis 2009 13% Weltmarktanteil an der petrochemischen Industrie erlangen, wie Saleh Al Nazha von der Staatlichen Industrialisierungsgesellschaft ausführte. Auch die Vereinigten Arabischen Emirate investieren u. a. in die Industrieentwicklung als Teil der Strategie, sich vom Ölsektor unabhängig zu machen. Von 60% im Jahr 1980 ist der Anteil des Ölsektors am BIP auf 20% 2006 gesunken.

Mit den arabischen Ländern, insbesondere den Golfstaaten, ist in der Zukunft auch als Bankenstandort und Finanzplatz zu rechnen. „The Future is bright“, verkündete Dr. Henry Azam, Geschäftsführer Middle East North Africa der Deutschen Bank AG. Institutionelle und industrielle Investoren werden in die Golfstaaten drängen, Riyadh der dominierende Finanzplatz werden, Dubai sieht er als einen zukünftigen Handelsplatz für Derivate und Doha für Projektfinanzierung. Bahrain kommt eine dominierende Rolle beim Islamic Banking zu. Auch das Geschäft mit Aktien und Beteiligungskapital wird sich mehr und mehr in den Golfstaaten abspielen. Grund: Es steht Investitionskapital aus den wachsenden Öleinnahmen zur Verfügung. Für das Partnerland Oman gilt, dass sich Möglichkeiten zur Bankbeteiligung für ausländische Geldinstitute ergeben, weil die sieben einheimischen Banken, die übrigens alle nach Basel II-Standards operieren, für die zu erwartenden Finanzgeschäfte nicht groß genug sind, so Abdulkader Asqalan, Vorstandsvorsitzender der Oman Arab Bank.

Der steigende, durch die Öleinnahmen begründete Wohlstand macht die arabischen Länder auch für privates Beteiligungskapital (Private Equity) attraktiv. Die Zuwächse in diesem neuen Geschäftsfeld sind enorm: 0,32 Mrd. USD wurden 2005 an Beteiligungskapital akquiriert, ein Jahr später waren es bereits 4,3 Mrd. USD. 2007 wuchs die Summe auf 7 Mrd. USD. 38 Private Equity Fonds verwalteten 2005 4,6 Mrd. USD, 13 Mrd. USD verteilten sich zwei Jahre später auf 76 Fonds, berichtete Khaled Al Usaimi, Geschäftsführer der kuwaitischen Coast K.S.C. Diese Fonds verzeichnen ein wachsendes Interesse an Deutschland, führte Vir Lakhsman von der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft KPMG aus. Ein erhebliches Wachstum sagte Prof. Dr. Volker Nienhaus, Präsident der Universität Marburg und Leiter des dortigen Centre for Near and Middle Eastern Studies , der Islamic Financial Industry voraus: er rechnet mit einem Finanzvolumen von 1,4 Mio. USD bis 2010 und einer weitere Verdoppelung bis 2015.

Allein die große Zahl der Referenten des Workshops Bildung und Ausbildung belegt, die große Bedeutung dieses Wirtschaftszweigs für die deutsch-arabischen Beziehungen. Als beispielhafte Projekte seien EJABI (Euro Jordanian Advanced Business Institute) genannt, das Berufsbildungsprogramm der Firma Lucas Nülle in Hadramaut (Jemen) sowie die German University of Technology Maskat (GUTECH) in Oman. Dieses Projekt hat auch für Deutschland Pioniercharakter und daher weite Beachtung gefunden, weil es die erste Auslandskooperation einer deutschen nicht privaten Hochschule ist, der RWTH Aachen. Ein weiteres Projekt des Wissenstransfers auf europäisch-arabischer Ebene stellt die European-Mediterranean Initiative für Technology and Innovation dar, kurz: euromediti, mit Sitz in Malta.

Energiefragen einschl. erneuerbarer Energie bleiben ein dauerhaft aktuelles Thema, bei dem sich die große Nachfrage nach alternativen Energien in den arabischen Ländern gut mit der führenden Rolle Deutschlands in dieser Technologie trifft. Allein in Oman werden die schwindenden Vorräte an Gas die steigende Nachfrage ab 2018 nicht mehr befriedigen können. Für Maskat wird eine Steigerung des jährlichen Energieverbrauchs von 475.000 MW 2006 auf 228.000 bis 2025 prognostiziert, wobei der größte Anteil (über 50%) auf den Verbrauch privater Haushalte entfällt, so Dr. Hilal Al-Hinai, Generalsekretär des Wissenschaftsrates des Sultanats Oman.

Der Erfolg des Workshops über Frauen im Geschäftsleben der arabischen Länder beim Deutsch-arabischen Wirtschaftsforum 2007 führte nicht nur zu dessen Wiederholung in diesem Jahr, sondern auch zum Start des deutsch-ägyptischen Jets-Orascom Kooperationsprojekt. Dahinter verbirgt sich ein erfolgreiches Trainingsprogramm für Frauen, dessen Erfolg darin besteht, wie Jane Elsner-Bonn ausführte, dass es sich den Werten des jeweiligen örtlichen Kooperationspartners anpasst. Das Partnerland Oman (und auch Tunesien) gelten als Modellländer innerhalb der arabischen Welt für die Integration der Frauen in die aller Bereiche der Gesellschaft. Im öffentlichen Dienst Omans beträgt der Frauenanteil inzwischen 20%. In absoluten Zahlen heißt das, dass er seit 1995 von ca. 8.000 auf über 20.000 im Jahre 2005 gestiegen ist. Zu den fortschrittlichen Ländern zählt auch Syrien, wie Frau Isaaf Nahas darlegte, General Manager der Nahas Travel & Tourism. 1973 saß die erste Frau im syrischen Parlament. An ihrem eigenen Beispiel verdeutlichte Frau Nahas, dass der Tourismus ein gutes Berufsfeld für Frauen sei. Auch im Irak ist Bewegung. Man ist dabei ein Quotensystem einzuführen mit dem Ziel einer 25%igen Frauenquote in der Arbeitswelt. Das irakische Kabinett zählt drei weibliche Regierungsmitglieder.

Neben Oman stand einen Augenblick der Irak im Fokus des Wirtschaftsforums. Mit dem Minister für Industrie und Bergbau, Fauzi al-Hariri, besuchte das Wirtschaftsforum zum ersten Mal ein hochrangiges Mitglied der irakischen Regierung. Man habe 2003 bei Infrastruktur und Handel bei Null begonnen, so der Minister, und deutsche Firmen würden langsam wieder Fuß fassen. Auch für die irakische Wirtschaftpolitik gelten die Prinzipien der Liberalisierung und der Stärkung des Privatsektors, in der Geschichte des Zweistromlandes ein völliges Novum. Traditionell vorhanden seien große natürliche und geistige Ressourcen. Das Land stehe 2008, wie Minister Al-Hariri weiter ausführte, an einem Wendepunkt, auch hinsichtlich des Sicherheitsaspekts. „We have turned the corner in security“, versicherte der Minister. 2008 sei das Jahr der Entwicklung. Ein entscheidender, hilfreicher Schritt sei mit Investment Law No. 13 gelungen, das die Hinwendung von der Monopol- zur Marktwirtschaft bedeutet. Besonders deutsche Investoren seien willkommen, man könne alte, gewachsene Verbindungen aus den 1980er Jahren wieder beleben. Wissenschaft, Infrastruktur, Bildung, Gesundheit, IT, Elektrizitätswirtschaft zählte Minister Al-Hariri beispielhaft als Branchen für Investitionen auf. Saeb Nahas, Präsident des syrischen Nahas Enterprises, erachtete Deutschland, als die größte Volkswirtschaft Europas, als einen idealen Partner für Irak und empfahl Syrien als Kooperationspartner, da es vom Mittelmeer die kürzesten und sichere Wege nach Irak bieten könne. Peter F. Mayr, Geschäftsführer der terramar GmbH und Vorsitzender des Irak-Ausschusses der Nordafrika-Mittelost- Initiative der Deutschen Wirtschaft (NMI), mahnte angesichts der großen Leistungen des Wandels im Irak zur Geduld. Neben der bevorstehenden Eröffnung eines deutschen Generalkonsulats in Erbil hält er die Gründung einer Deutsch-Irakischen Handelskammer für wünschenswert.

Als Fazit des Deutsch-Arabischen Wirtschaftsforums kann einerseits die Bekräftigung der sehr guten gemeinsamen Wirtschaftsbeziehungen festgehalten werden. Andererseits bleibt Potenzial ungenutzt, wie Ghorfa-Präsident Dr. Thomas Bach in der Schlusssitzung konstatierte. Im Vergleich zu anderen europäischen Ländern kommen zu wenige Direktinvestitionen aus Deutschland. Man mache seine Stärken zu wenig deutlich. Besonders gelte dies im Bereich universitärer und beruflicher Bildung. Die Kooperation der RWTH Aachen mit Omen sei eine rühmliche Ausnahme und zugleich ein Beispiel für das Potenzial, das sich biete. Hier herrschte unter den deutschen wie arabischen Teilnehmern des Schlusspodiums Einigkeit. Es gelte, wie Dr. Rüdiger Grube, Vorstandsmitglied der Daimler AG und EADS-Aufsichtsratsvorsitzender, ergänzte, persönliche Kontakte zu schaffen und zu nutzen.

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