11th Arab-German Energy Forum:
Kooperation für einen tiefgreifenden Strukturwandel
In Zusammenarbeit mit dem Bundesministerium für Wirtschaft und Energie und der Deutschen Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) veranstaltete die Ghorfa vom 24. bis 25. November ihr mittlerweile 11th Arab-German Energy Forum. Die zweitägige Konferenz, die diesmal in digitalisierter Form stattfinden musste, versammelte wie stets eine Vielzahl hochrangiger Gäste. CEOs, Branchenführer sowie deutsche und arabische politische Entscheidungsträger belegten auch in diesem Jahr wieder den hohen Standard der Gespräche über die Herausforderungen und Chancen im Energiesektor.
In seiner Begrüßungsrede freute sich Dr. Peter Ramsauer MdB, Ghorfa-Präsident und Bundesminister a.D., dass das Forum trotz der Beschränkungen durch Covid-19 auf den digitalen Raum eine Vielzahl interessierter Gäste begrüßen konnte. Dies unterstreiche, dass die Ghorfa auch im Bereich der Energiewirtschaft eine zentrale Rolle als Ansprechpartner für die deutsche und arabische Wirtschaft einnehme und kontinuierlich guten Service zur Unterstützung deutscher und arabischer Unternehmen auf beiden Seiten biete.
Die arabische Welt, so Ramsauer, verfolge langfristige Strategien zur Diversifizierung der Energieressourcen und zur Steigerung der Energieeffizienz, da die Deckung des schnell wachsenden Energiebedarfs in vielen arabischen Ländern zu einer Priorität geworden ist. Ihre Visionen für einen nachhaltigeren Energiemix seien ehrgeizig und wegweisend. Es beeindrucke ihn sehr, wie weit viele arabische Länder, deren Industrien hauptsächlich auf fossilen Brennstoffen beruhen, bereits auf ihrem Weg gekommen sind, ihren Anteil an nachhaltigen Energien auszubauen. Da deutsche, europäische und internationale Stakeholder in diesem Bereich bereits viel Erfahrung gesammelt hätten, sei ihr Fachwissen in den arabischen Ländern sehr gefragt. „Daher besteht für Unternehmen im Energiesektor ein enormes Geschäftspotenzial. Mit Blick auf die mittelfristige Kapazitätserweiterung wird ein enormes Investitionskapital erforderlich sein. Deutschland kann in diesem Fall viel bieten“, sagte der Ghorfa-Präsident: „Die deutsche Energiewende impliziert einen tiefgreifenden Strukturwandel im Energiesektor, einschließlich Investitionen in den Ausbau erneuerbarer Energiequellen, der Netzinfrastruktur und neuer Technologien zur Verbesserung der Energieeffizienz“.
Dr. Mustapha Adib, Dean of the Arab Diplomatic Corps und Botschafter der Republik Libanon, zeigte sich ebenfalls erfreut über das erfolgreiche digitale Format des Energy Forums. Aufgrund ihrer ehrgeizigen Wirtschaftsprogramme für die weitere Industrialisierung und Diversifizierung und der schnell wachsenden Bevölkerung in der arabischen Welt sei der Energiebedarf in den arabischen Ländern enorm, so Adib. „Wir wissen, dass bis zu 60 Prozent der nachgewiesenen Ölreserven sowie 40 Prozent der Gasreserven voraussichtlich noch in der arabischen Welt liegen. Dennoch sind die arabischen Länder vor Jahren in Diversifizierungsprozesse eingetreten und setzen sich nachdrücklich für den Aufbau einer nachhaltigen und zukunftssicheren Energieversorgung ein, die auf einem äußerst vielfältigen Energiemix basiert“. Aus diesem Grund spielten die arabischen Länder eine Schlüsselrolle auf dem Weltmarkt, nicht nur für intelligente Netze, die die 4. industrielle Revolution vorantreiben, sondern auch für den Aufbau erneuerbarer Energiekapazitäten. Um dieser Nachfrage gerecht zu werden und eine zukunftssichere Wirtschaft aufzubauen, seien Deutschland und Europa als direkte Nachbarn die wichtigsten Partner für die arabischen Länder. Deutsche Unternehmen würden in den arabischen Ländern einen sehr guten Ruf wegen ihrer fortschrittlichen Technologie und ihren Erfahrungen in Energiewendeprozessen genießen. Umgekehrt könnten arabische Länder viel bieten, insbesondere indem sie saubere und nachhaltige Energie nach Europa liefern. „So entsteht eine Win-Win-Situation für arabische und deutsche Partner. Mehrere bereits bestehende bilaterale Energiepartnerschaften zwischen Deutschland und arabischen Ländern sind eine Blaupause für diese enge Energiezusammenarbeit“.
Dr. Kamal Hasan Ali, Dep. Secretary General for Economic Affairs der Arabischen Liga in Kairo, Ägypten, unterstrich ebenfalls die zentrale Bedeutung unserer zukünftigen energiepolitischen Herausforderungen und dankte Ghorfa für ihr Engagement in den deutsch-arabischen Wirtschaftsbeziehungen. Die arabischen Länder seien sich der Notwendigkeit einer Energietransformation und eines verringerten Ressourcenverbrauches bewusst. Ihre Anstrengungen im Bereich der Energiewirtschaft konzentrierten sich deshalb – ähnlich den Green Deal-Anstrengungen auf europäischer Seite – ebenfalls auf den nationalen und regionalen Ausbau einer nachhaltigen und zugleich erschwinglichen Energiewende. Dazu gehöre, so Ali, neben dem Ausbau der erneuerbaren Energien und einer nachhaltigen Stromversorgung auch die Reduktion von Emissionen mittels einer generellen Verringerung des Ressourcenverbrauchs. Er hob hervor, dass in einer nachhaltigeren Recycling- und Abfallwirtschaft ein großes Potential für deutsche und arabische Unternehmen liege.
Andreas Feicht, Staatssekretär im Bundesministerium für Wirtschaft und Energie, hielt zum wiederholten Male die Keynote-Speech als Vertreter der Bundesregierung. „Mit seinem hohen Energiebedarf und vergleichsweise begrenzten Ressourcen wird Deutschland immer ein Energieimporteur sein“, so Feicht. Dabei werde der Fokus in Zukunft zunehmend auf klimaneutralen Energien wie Wasserstoff liegen. Zu diesem Zweck habe das Bundeswirtschaftsministerium zahlreiche Energiepartnerschaften mit arabischen Ländern sowie eine Wasserstoffallianz ins Leben gerufen. Darin, so der Staatssekretär, liege nicht nur das Potential für eine zukünftige nachhaltige Energiewirtschaft, sondern auch großes Potential für wirtschaftliche Entwicklung und die Schaffung von Arbeitsplätzen in den arabischen Partnerländern.
Intensive Beziehungen zwischen den beiden Seiten und ein erfolgreicher bilateraler Austausch, wie ihn die Ghorfa seit Jahrzehnten fördert, seien hierfür essentiell. Vor allem im Bereich Wasserstoff konzentrierten sich aktuell viele Initiativen auf wirtschaftlicher und politischer Ebene. Um das Potential internationaler Partnerschaften für den Import von grünem Wasserstoff in Gänze auszuschöpfen, stelle die Bundesregierung insgesamt zwei Milliarden Euro für internationale Partnerschaften bereit, von denen sowohl deutsche als auch arabische Unternehmen in großem Umfang profitieren könnten. „Vor allem im Bereich Infrastruktur und Transport sind im Moment noch viele Fragen offen. Einigkeit“, so Feicht, „besteht aber in der Grundüberzeugung, dass in der Kooperation der Schlüssel zum Erfolg liegt.“
Erneut bot das Arab-German Energy Forum eine einmalige Gelegenheit, aktuelle und zukünftige energiewirtschaftliche Projekte und Entwicklungen in den arabischen Volkswirtschaften und in Deutschland aus erster Hand kennenzulernen. Die insgesamt sieben Panels adressierten die zentralen Themen des Energiesektors.
Die Resilienz der arabischen Energieversorgungssysteme sowie die nächsten notwendigen Schritte auf dem Weg zu einer erfolgreichen Energiewende standen im Vordergrund. Laut Dietmar Siersdorfer, Middle East and UAE CEO bei Siemens Energy, haben derzeit noch viele Menschen in den arabischen Ländern keinen Zugang zu stabilen Stromnetzen. Eine der Herausforderungen werde hier mittelfristig die Dezentralisierung von Elektrizität und eine Beschleunigung des Ausbaus erneuerbarer Energien durch Netzflexibilität sein. Länder wie Jordanien könnten als regionale Drehscheibe für den Stromaustausch in der Region fungieren.
Mahmoud Hanafy, Senior Vice President ME Transmission Solution bei Siemens Energy VAE gab als Einwand zu bedenken, dass der Einsatz erneuerbarer Energien noch immer zu sehr als Add-On zu konventionellen Systemen und nicht als Hauptenergiequelle gesehen würden. Der Erfolg erneuerbarer Energien werde in interregionalen Netzwerken aber in erster Linie in der Nachfrage nach Systemen der dezentralen Energieumwandlung liegen. So könnten bspw. E-Fahrzeuge durch smarte Technologien an ein intelligentes Stromnetz angeschlossen werden. Für Julius Okon von Steag Energy komme hier auch Batterien eine wichtige Rolle zu. Der Einsatz smarter Batteriespeichersysteme werde mit darüber entscheiden, wie viel Energie für Netzwerke und Märkte bereitgestellt werden könne. Nach Ansicht von Said Mouline, Generaldirektor der marokkanischen Agence Marocaine pour l’Efficacité Energétique (AMEE), müsse man, um kohärent zu sein, aufhören, die Kraftstoffindustrie zu subventionieren. So hätte Marokko seine Landwirte überzeugt, von der Kraftstoffpumpe auf die Solarpumpe umzusteigen, unterstützt von der Credit Agricole in Marokko, die Darlehen für Energieeffizienz vergebe.
Im Anschluss stand das Thema Wasserstoff im Vordergrund, mit dem derzeit hohe Erwartungen für eine erfolgreiche Energiewende und umfassende Dekarbonisierung in Industrie und Verkehr verknüpft sind. Die deutsche Wasserkraftstrategie setzt auf den Import von Wasserstoff, unter anderem aus den arabischen Ländern. Denn Wasserstoff, so Ellen Von Zitzewitz, Referatsleiterin für Bilaterale Zusammenarbeit im Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWi), sei in den benötigten Mengen in Deutschland nicht produzierbar. Das Finanzministerium stelle deswegen erhebliche Finanzmittel für die Entwicklung der Wasserstoffwirtschaft bereit. Regierung und Unternehmen werden an der Strategie gleichermaßen beteiligt sein. Dabei stehe der Aufbau technologischer (internationaler) Kooperationen zur Entwicklung eines Industrieclusters, wobei die Kosten für die Wasserstoffproduktion eine erhebliche Rolle spielten.
Das Bundeswirtschaftsministerium und das Bundesentwicklungsministerium kooperieren hier mit den nordafrikanischen Ländern Marokko, Algerien und Tunesien, sowie mit Jordanien, Ägypten, Oman, den VAE und Saudi-Arabien. Ein erstes Unterstützungsprogramm für mittlere bis große Programme mit deutschen Unternehmen wurde bereits gestartet. Neben ihrem enormen Potential bringe die Produktion von grünem Wasserstoff auch Herausforderungen mit sich. Darunter seien der große Bedarf an frischem Wasser zur Erzeugung von Wasserstoff und die noch ungelösten Fragen beim Transport. Herausforderungen für die nordafrikanischen Länder lägen vor allem im Mangel an frischem Wasser, sowie fehlender Ressourcen oder technischer Probleme bei der Produktion. Hier brauche es einen Technologietransfer, Investitionen und die Entwicklung von Pilotprojekten für die Produktion von Elektrolyseuren. Schlüsselthema sei, wie es gelingen könne, auf Basis deutsch-arabischer Kooperationen eine gemeinsame Wasserstoffproduktion im großen Maßstab aufzubauen. Zu klären sei die Frage, so der Abgeordnete des Deutschen Bundestages Peter Stein, welches die Standards und Richtlinien für deutsch-arabische Partnerschaften sein sollen.
Weitere Themen des Forums waren die Finanzierung und Investitionen im Energiesektor sowie die Nachfrageseite der Energiewende.
Die Schlussrunde des Forums beschäftigte sich mit der regionalen Kooperation der arabischen Staaten im Bereich Energiepolitik und besonders mit dem Ausbau regionaler Stromnetze und dem grenzüberschreitenden Handel in diesem Bereich. Für Ali Zerouali, Direktor für Zusammenarbeit und internationale Entwicklung bei dem marokkanischen Energy Fund MASEN, steht Marokko an der Spitze der Integration erneuerbarer Energien in das Netz mit vielen bestehenden Verbindungen zu seinen Nachbarländern. Marokko sei an der Zusammenarbeit mit europäischen Ländern intensiv beteiligt, wie auch die Unterzeichnung eines Memorandums zwischen Marokko und den EU-Ländern zeige. So sei der Bau von Hochspannungsleitungen zwischen Marokko, Portugal und Spanien geplant. Zudem bedürfe es einer Verbesserung der regulatorischen Bedingungen für die Zusammenschaltungen der bestehenden Netze. Insgesamt wäre eine bessere Integration der nordafrikanischen Märkte vorteilhaft.
Projekte wie Desert Power, eine Initiative der Afrikanischen Entwicklungsbank, könnten den Vorteil der Netzintegration nutzen, um Strom zu niedrigeren Preisen zu produzieren und so den Ländern Wettbewerbsvorteile zu verleihen. Die Netze in den arabischen Ländern hätten momentan oft noch unterschiedliche technische Standards, die sich nicht immer deckten. Verbindungen bestünden bereits zwischen Ägypten und Jordanien, Ägypten und Sudan oder Saudi-Arabien und Ägypten. Darüber hinaus planten auch diese Länder eine Verbindung in Richtung EU, etwa zwischen Zypern und Ägypten.
Was fehle, sei ein Handelsabkommen und Regulierungen, um den Transport und die Zusammenschaltung der Netze regeln zu können. Die beteiligten Länder bräuchten Richtlinien für den Transfer von Energie, für Tarife, für private Investitionen der EU in den Sektor. Nur so könnten Investoren angereizt und eine Marktentwicklung gefördert werden.
Ellen von Zitzewitz, Leiterin des Referats Bilaterale Zusammenarbeit im BMWi, sieht in den nächsten zehn Jahren mehrere zentrale Aufgaben: Absolut notwendig sei eine Langzeitperspektive für den gesamten Prozess der Energiewende und ein Verständnis für die Dringlichkeit und die Reichweite der Veränderungen. Die lokale Privatwirtschaft in den jeweiligen Ländern müssten noch stärker in die Energiewende einbezogen und die Anstrengungen gebündelt werden. Auch der Gender Aspekt sollte nicht außer Acht gelassen werden, so von Zitzewitz, „da es zahlreiche qualifizierte Frauen in diesem Bereich gibt, die wertvolle Beiträge leisten können.“
In einem abschließenden Interview betonte Ulrich Benterbusch, Leiter der Unterabteilung Effizienz und Wärme in Industrie und Haushalten und nachhaltige Mobilität im Bundeministerium für Wirtschaft und Energie, noch einmal die zentrale Rolle der Privatwirtschaft. „Eine erfolgreiche Energiewende und zukünftige Energiewirtschaft basiert in erster Linie auf unternehmerischen Entscheidungen, da es die Unternehmen sind, die investieren müssen, während die Regierung nur unterstützen kann“.