Die kleine Republik Dschibuti mit etwas mehr als einer Million Einwohnern will eine Kehrtwende einleiten und ihre Wirtschaft über die Hafenaktivitäten hinaus diversifizieren. Die geografische Lage am Eingang zum Roten Meer, sowie die politische und monetäre Stabilität des Landes sind wichtige Voraussetzungen für die Stärkung seiner Rolle als regionaler Knotenpunkt. Seine Hafen- und Logistikinfrastruktur ermöglicht es dem Land, seinen Einfluss auf die gesamte Subregion auszudehnen. Von besonderer Bedeutung ist der Hafen als Transitdrehscheibe für Äthiopien. Die wirtschaftliche Situation des großen Nachbarn mit seinen etwa 126 Mio. Menschen, übt einen wesentlichen Einfluss auf die Konjunktur Dschibutis aus.

In den letzten zwei Jahrzehnten hat die Wirtschaft Dschibutis ein bemerkenswertes Wachstum verzeichnet und den Status eines Landes mit mittlerem Einkommen erreicht. Mit einem jährlichen BIP-Wachstum von 4,4 Prozent zwischen 2000 und 2021 hat sich das Pro-Kopf-BIP des Landes nach Angaben der Weltbank mehr als verdoppelt und übersteigt 3.200 US-Dollar. Dieser Erfolg lässt sich auf mehrere Faktoren zurückführen. Infrastrukturinvestitionen waren ein wichtiger und fundierter Wachstumsmotor, unterstützt durch Dschibutis vorteilhafte geostrategische Lage, politische Stabilität in einer instabilen Region und die wirtschaftliche sowie monetäre Stabilität. Das Wachstum Dschibutis hat internationale Anerkennung gefunden, was sich an den erheblichen Nettozuflüssen von ausländischen Direktinvestitionen in Höhe von 2,3 Mrd. US-Dollar zwischen 2000 und 2020 widerspiegelt.

Wirtschaftliche Aussichten optimistisch

Nach dem negativen Schock durch die Pandemie und einer schwachen Erholung im Jahr 2021 hat das Friedensabkommen zwischen der äthiopischen Regierung und der Tigrayan-Volksbefreiungsfront vom November 2022 die dschibutische Wirtschaft gestärkt. Im Jahr 2023 erlebte das Land einen robusten Wirtschaftsaufschwung, indem das BIP-Wachstum 6,7 Prozent erreichte. Dieses Ergebnis wurde durch einen erheblichen Anstieg der Hafenaktivitäten, insbesondere des Containerverkehrs, der 2023 um 41 Prozent im Vergleich zu 2022 anstieg, erzielt, welcher durch die Wiederaufnahme des Handels mit Äthiopien nach dem Friedensabkommen vom November 2022 angetrieben wurde. Wie der IWF feststellt, nahm die Bautätigkeit wieder zu, und der Zementabsatz stieg in den ersten drei Quartalen 2023 im Vergleich zum Vorjahr um 80 Prozent. Auch die Energieproduktion wuchs im zweiten Quartal 2023 um 16,3 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Trotz der Unterbrechungen im Roten Meer hat die Hafenaktivität in Dschibuti auch im Januar 2024 weiter zugenommen, verursacht durch den starken Boom der Umschlagtätigkeit. Die Transportunternehmen haben nämlich ihre Umschlagtätigkeiten in Dschibuti rasch ausgeweitet, da es strategisch günstig im Süden des Roten Meeres gelegen ist, wodurch die von den Houthis bedrohten Gebiete umgangen werden können. Deshalb wird mittelfristig bis 2026 ein durchschnittliches BIP-Wachstum von ca. fünf Prozent erwartet.

Dschibuti sah sich jedoch weiterhin mit fiskalischen Herausforderungen konfrontiert, die durch einen Rückgang der bereits niedrigen Budgeteinnahmen aufgrund neuer im Haushalt 2023 eingeführter Steuerbefreiungen verursacht wurden. Angetrieben durch Investitionsausgaben, die auf die Beschleunigung des Baus von Sozialwohnungen zurückzuführen war, stiegen die öffentlichen Gesamtausgaben beträchtlich an, was nach Weltbankeinschätzung zu einem Haushaltsdefizit von 1,9 Prozent des BIP gegenüber 1,4 Prozent des BIP 2022 führte. Maßnahmen zur Konsolidierung der Finanzen, einschließlich einer Neuausrichtung der Investitionsausgaben der Zentralregierung, und eine Verbesserung der Haushaltsführung, zielen darauf ab, das Haushaltsdefizit schrittweise zu reduzieren und bis 2025/26 bei 1,4 Prozent des BIP zu stabilisieren.

Die Inflation erreichte im Jahr 2022 ihren Höchststand mit 5,1 Prozent, verlangsamte sich aber auf geschätzt 1,4 Prozent im Jahr 2023, was der weltweiten Verlangsamung der Lebensmittelpreise und staatlicher Maßnahmen zur Stabilisierung der Preise für Energie und Grundnahrungsmittel geschuldet war. Die Inflation, die in Dschibuti traditionell moderat ist, wird sich Schätzungen zufolge auf durchschnittlich 2,4 Prozent mittelfristig ab 2024 belaufen.

An der Außenwirtschaftsfront zeigte Dschibuti positive Trends, die sich in einem beachtlichen Leistungsbilanzüberschuss aufgrund der gestiegenen Nachfrage nach Handel und Logistik widerspiegeln, da sich die Hafenaktivitäten weiterhin auf den Transit ins benachbarte Äthiopien konzentrieren. Ende 2023 erreichte die Leistungsbilanz nach Weltbankangaben einen Aktivsaldo von schätzungsweise 15,6 Prozent des BIP gegenüber 17,9 Prozent des BIP 2022. Jedoch wird sich diese Situation infolge der einseitigen Abhängigkeit von der Konjunktur Äthiopiens nicht weiter verbessern. Die Devisenreserven blieben stark und betrugen Ende 2023 geschätzt 573 Mio. US-Dollar. Sie deckten damit den Einfuhrbedarf von 4,7 Monaten.

Im Ergebnis der mit Regierungsvertretern Dschibutis im Januar 2024 durchgeführten Artikel IV-Konsultationen bewertete der IWF die wirtschaftlichen Aussichten nach wie vor vorsichtig optimistisch. Angesichts der engen Verbindungen zwischen Dschibuti und Äthiopien werden die Perspektiven von der Entwicklung der äthiopischen Wirtschaftstätigkeit und dem Wachstum des Korridors Addis-Dschibuti abhängen. Der IWF betonte, dass konzertierte Anstrengungen zur Behebung der fiskalischen Anfälligkeiten, zur Verbesserung der Regierungsführung, zur Förderung der Schaffung von Arbeitsplätzen und zur Durchführung von Strukturreformen für ein nachhaltiges Wirtschaftswachstum und eine nachhaltige Entwicklung von entscheidender Bedeutung sein würden. Der IWF würdigte die Pläne der Regierung Dschibutis zur Senkung der Telekommunikations- und Energiekosten, zur Bekämpfung der Informalität durch eine Überprüfung der Rechtsvorschriften und zur Schaffung von Arbeitsplätzen im Privatsektor, die wichtige Hindernisse für ein integratives Wachstum in Dschibuti beseitigen würden.

Dschibuti strebt Diversifizierung der Wirtschaft an

Mitte Mai 2024 erklärte Präsident Ismail Omar Guelleh anlässlich der Eröffnung des Dschibuti-Forums, dass sein Land an der Diversifizierung der Wirtschaft arbeite, um ein regionales Zentrum für Logistik, Finanzen, Tourismus und Informations- und Kommunikationstechnologie zu werden. Die internationale Wirtschaftskonferenz zielte darauf ab, private und institutionelle Investoren für die Umgestaltung der dschibutischen Wirtschaft zu gewinnen. Im Jahr 2020 hatte Dschibuti hierfür einen Staatsfond eingerichtet, der in bestimmte Projekte investiert und sich an ihnen beteiligt. Das Land verfügt über alle Grundlagen für einen raschen Wandel, vor allem über den politischen Willen und eine an den Dollar gekoppelte Währung, die den Investoren Berechenbarkeit und freien Kapitalverkehr bietet.

Zusammen mit der Djibouti International Free Trade Zone (DIFTZ) bilden die Freihandelszone Dschibuti Damerjog Industrial Development (DDID) und die Freihandelszone Dschibuti (DFZ) die drei Freihandelszonen des Landes, die den Motor für die ökonomische Diversifizierung verkörpern. Die Freihandelszonen zielen darauf ab, die erforderliche Infrastruktur und das Geschäftsumfeld zu schaffen, um globale Industrieunternehmen insbesondere aus den Bereichen Logistik, Schifffahrt, Bauwesen, Automobil und Haushaltselektronik anzuziehen. Mit der Schaffung von Industrieclustern, die sich auf strategische Segmente wie die verarbeitende Industrie konzentrieren, werden die Freihandelszonen von Dschibuti die Diversifizierung vorantreiben und die Umwandlung des Landes in ein regionales und globales Produktions- und Verarbeitungszentrum beschleunigen. Die Freihandelszonen bieten zahlreiche Anreize, die von der dschibutischen Behörde für Häfen und Freizonen garantiert werden. Dazu gehören Steuer- und Zollbefreiungen, wettbewerbsfähige Wasser- und Stromtarife und ein Exportmandat von mindestens 80 Prozent der Produktion. Ein weiterer Wettbewerbsvorteil der Freihandelszonen ist ihre Integration in und ihre Nähe zu wichtigen Infrastrukturen, wie dem Hafen von Dschibuti und der transnationalen Eisenbahnstrecke Addis Abeba-Dschibuti, die sich über 752 km vom Hafen bis nach Äthiopien erstreckt.

Die 2018 eröffnete DIFTZ ist die die größte ihrer Art in Afrika. Nach Angaben der DIFTZ haben sich bis Mai 2024 bereits 404 Unternehmen aus 37 Ländern, darunter vor allem aus China, Äthiopien und Dschibuti, angesiedelt. Die DIFTZ dient hauptsächlich als Lager- und Verteilzentrum für die angrenzenden Märkte. Von hier aus lassen sich aus einem Warenlager mit breiter Produktpalette auch jene kleinen Mengen liefern, welche die Kunden der Nachbarstaaten oft brauchen. Einer der Nutznießer der Vorteile der DIFTZ ist das Unternehmen BASF, das sich im Jahr 2023 Jahr hier angesiedelt hat. Auch Produktionsstätten werden errichtet. So arbeitet die Firma Techsol (Bangladesch) an einer Produktion von Solarpaneelen mit einer Jahreskapazität von 60 MW mit den Zielmärkten Äthiopien und ganz Ostafrika. Die Fertigungslinie dafür hat Techsol aus Deutschland importiert. CIMC aus China beginnt noch 2024 mit der Montage von LKW-Anhängern. Am 04.06.2024 unterzeichnete der Verband der saudischen Kammern einen Vertrag mit der Behörde für Häfen und Freizonen von Dschibuti über die Errichtung der Saudi Logistics City in der zur DIFTZ gehörenden Freihafenzone von Dschibuti. Die saudische Logistikstadt wird eine ständige Ausstellung beherbergen, eine Plattform für saudische Industrien und einen Handelsaustauschbereich mit Lagerhäusern und anderen Einrichtungen bieten.

Der Mehrzweckhafen Damerjog ist Bestandteil der neuen im Bau befindlichen Freihandelszone Dschibuti Damerjog Industrial Development (DDID). Die DDID, welche mehrere Unternehmen aus der Schwerindustrie beherbergen soll, ist ein Beispiel für die laufenden Bemühungen um die industrielle Entwicklung. Für den ersten Industriekomplex Ostafrikas mit einem Straßen-, Hafen-, Luft- und Schienennetz sollen ausländische Direktinvestitionen gewonnen werden. Sie werden vor allem zur Finanzierung des Baus einer schwimmenden Raffinerie, eines Stahlwerks, einer Drahtgeflecht Fabrik, einer Glasfabrik und einer Fabrik für PVC-Rohre benötigt. Die DDID wird auch ein 2,3-MW-Kraftwerk, eine Schiffsreparaturwerft, die Anlandestelle einer 767 km langen Gaspipeline aus Äthiopien und ein Öllager umfassen. Auch Investitionen in erneuerbare Energiequellen sollen in der DIDD getätigt werden. Letztendlich soll die DDID in Verbindung mit der DIFTZ den Übergang von einer Import- und Reexport abhängigen Wirtschaft zu einer auf die Herstellung und Verarbeitung ausgerichteten Exportwirtschaft erleichtern.

Nach Angaben von USAID verfügt Dschibuti derzeit über eine installierte Stromerzeugungskapazität von etwas mehr als 100 MW, von denen nur 57 MW zuverlässig für die Versorgung von 940.000 Einwohnern und der Schlüsselindustrien zur Verfügung stehen. Bislang war Dschibuti vollständig auf Strom aus importierten fossilen Brennstoffen sowie auf Strom aus Wasserstoff aus dem benachbarten Äthiopien angewiesen. Etwa die Hälfte der im Inland installierten Leistung ist aufgrund veralteter Dieselanlagen in Betrieb. Aber das Land besitzt reichlich natürliche Ressourcen wie Sonnen- und Windenergie und Erdwärme. Das Land hat das Potenzial, mehr als 300 MW Strom aus erneuerbaren Energiequellen zu erzeugen. Angesichts seiner Küstenlinie und der Nähe zu den brennstoffproduzierenden Ländern am Golf verfügt es über noch viel mehr an anderen Ressourcen. Gemäß Global Data sind gegenwärtig das Windkraftwerk Red Sea Power (RSP) in der Nähe des Goubet-Sees, die Solarfarm Gran Bara, die Biomasseanlage Damerjog sowie die geothermischen Projekte Gala’le Kôma, Fiale und Hanle-Garrabayis im Bau bzw. geplant.

Der Bau des Grand Bara Solar PV Projekt mit einer Kapazität von 25 MW soll noch 2024 beginnen und befindet sich im Besitz von AMEA Power. Der im September 2023 eingeweihte Windpark RSP wird 60 MW Strom liefern, wobei diese Gesamtkapazität um 50 Prozent noch erhöht werden soll. Die Africa Finance Corporation (AFC) fungiert als Hauptentwickler und Projektmanager innerhalb des RSP-Konsortiums und hält eine 51%ige Mehrheitsbeteiligung an RSP. Nach Aussagen der Regierung will Dschibuti das erste Land in Afrika sein, das bis 2035 zu 100 Prozent auf grüne Energie setzt. Investitionen in die Infrastruktur für erneuerbare Energien sind der Schlüssel zur Verwirklichung der ehrgeizigen Ziele, die Industrialisierung, die Schaffung von Arbeitsplätzen und die wirtschaftliche Stabilität ankurbeln sowie die strategische Lage des Landes als globaler Umschlagplatz zu nutzen.