Der Tourismus stellt einen wichtigen Pfeiler der tunesischen Wirtschaft, der 14 % des Bruttoinlandsprodukts (BIP) des Landes ausmacht und fast 400 000 direkte und indirekte Arbeitsplätze bietet, dar. Nach Ansicht von Experten muss Tunesien sein Tourismusangebot diversifizieren, um sich von den Auswirkungen der COVID-19-Pandemie zu erholen. Deshalb steht die Umsetzung der von der nationalen Tourismusstrategie bis 2035 formulierten Zielstellungen gegenwärtig im Mittelpunkt der Aktivitäten der Regierung. Diese Strategie zielt im Wesentlichen auf die Entwicklung des Tourismussektors, die Diversifizierung seiner Angebote und die Stärkung seiner Rolle bei der wirtschaftlichen, sozialen und ökologischen Entwicklung, insbesondere in den Regionen im Landesinneren. Ziel ist es auch, Tunesien als wettbewerbsfähiges und nachhaltiges Reiseziel in der Welt zu fördern, und zwar im Rahmen einer gemeinsamen Vision aller Akteure des Tourismussektors. Nach Auffassung der tunesischen Regierung müsse die Umsetzung dieser Strategie alle touristischen Produkte und alle Regionen betreffen, um die Dienstleistungen zu entwickeln und die Beschäftigungsfähigkeit und die Wettbewerbsfähigkeit des Sektors zu stärken, wobei die Besonderheiten jeder Region berücksichtigt werden.
Die Strategie zielte darauf ab, Ende 2022 50 bis 60 % der Tourismuszahlen des Jahres 2019 zu erreichen, 80 % im Jahr 2023 und eine Rückkehr zur normalen Tourismusdynamik im Jahr 2024. Drei wichtige Schritte haben 2022 dem Tourismussektor des Landes neuen Schwung verliehen: Am 27. September stellte der Tourismusminister die „nationale strategische Vision des tunesischen Tourismus bis 2035“ vor; die dann auch von der Regierung beschlossen wurde. Eine bedeutende Aktion bildete auch das Projekt „Förderung des nachhaltigen Tourismus in Tunesien“, das gemeinsam von der EU und des BMZ/GIZ in Partnerschaft mit dem Ministerium für Tourismus und Kunsthandwerk in Angriff genommen wurde. Wichtig war auch der Start des Projekts von USAID „Visit Tunisia Activity“, bei dem es sich um ein fünfjähriges, von USAID finanziertes Projekt handelt, das auf die Diversifizierung des tunesischen Tourismussektor, die Erhöhung seiner Einnahmen und die Schaffung nachhaltiger Arbeitsplätze abzielt.
Zur Erreichung einer vollständigen Erholung muss sich Tunesien jedoch von seinem jahrzehntelangen Ruf als Strand- und Sommerurlaubsziel verabschieden, so Christopher Lund, Executive Director und Leiter der Hotelregion Mena bei Colliers, gegenüber Arabian Gulf Business Insight (AGBI) im Januar 2023. Er sagte ferner, dass Tunesien von einem Plan zur Neupositionierung seiner touristischen Ziele profitieren könne, was wiederum den Hotels die Möglichkeit geben würde, ihre Auslastung und Durchschnittspreise zu verbessern. Wichtig ist auch, dass sich Tunesien nach neuen Quellmärkten umschaut, um den Mix des Einreiseverkehrs zu diversifizieren, und dass es neue Investitionen anwirbt, um Ferienanlagen der neuen Generation, Reiseziele und Masterpläne zu entwickeln und neue Marken und Konzepte auf den Markt zu bringen.
Tunesien verzeichnete im Jahr 2022 einen starken Anstieg der Ankünfte ausländischer Touristen. Nach Schätzungen des tunesischen Fremdenverkehrsamtes (ONTT) wurden rund 6,3 Mio. ausländische Reisende verglichen mit 2,4 Mio. Touristen 2021 registriert. Die wichtigsten Herkunftsländer für ausländische Reisende waren 2022 Frankreich, Deutschland, Polen, die Tschechische Republik und Algerien. Mit den 2022 in das Land eingereisten 6,3 Mio. Touristen wurde die vom tunesischen Fremdenverkehrsamt formulierte Zielstellung der Erreichung von 50 bis 60 % der touristischen Besucher 2019 (9,5 Mio. Besucher) erreicht. Die Einnahmen aus dem Tourismus sind 2022 im Vergleich zu 2021 um 83 % gestiegen und haben nach Angaben der tunesischen Zentralbank 1,4 Mrd. US-Dollar erreicht. Diese positive Entwicklung wurde auch 2023 fortgesetzt, nachdem bis Ende Juli bereits 5 Mio. Touristen Tunesien besucht haben, was einem Anstieg von 70 % gegenüber dem gleichen Zeitraum im Jahr 2022 entspricht. Die Besuche erbrachten bis Juli dieses Jahres einen Umsatz von 1,1 Mrd. US-Dollar, was einem Anstieg von 55 % gegenüber dem Vorjahr entspricht.
Tunesien wird auch wegen seiner erschwinglichen Gesundheitseinrichtungen und seines hohen Niveaus an medizinischen Dienstleistungen immer beliebter, was es zu einem bevorzugten Ziel für den Medizintourismus macht, der etwa 5 % des Angebots ausmacht. Deshalb verbessert die Regierung schrittweise die medizinischen Einrichtungen, um den Zustrom ausländischer Touristen in das Land zu erhöhen. Insgesamt kann zukünftig Tunesien infolge seines vielfältigen touristischen Angebots von der Archäologie Karthagos bis hin zu weltweit bekannten Filmkulissen wie El Jem, d. h. dank der reichen Landschaft und seines kulturellen Erbes, von der Umstellung auf alternativen und erlebnisorientierten Tourismus profitieren.