Deutsche Unternehmen sind gefragte Kooperationspartner in Tunesien. Bei einer Delegationsreise der Ghorfa zeigte sich, dass das kleine Land am Mittelmeer zahlreiche geschäftliche Chancen bietet. Vor allem im Bildungsbereich wird deutsches Know-how hochgeschätzt.
Insgesamt 75 Prozent des tunesischen Außenhandels wird mit der Europäischen Union abgedeckt. Deutschland ist der drittgrößte Handelspartner. Mit diesen Zahlen veranschaulichte der deutsche Botschafter in Tunis, Dr. Andreas Reinicke, zu Beginn der Delegationsreise nach Tunesien im Julia die Bedeutung des kleinen nordafrikanischen Landes. Insgesamt neun deutsche Unternehmer bereisten das kleine Land, angeführt von Dr. Peter Ramsauer, um Kooperationsmöglichkeiten auszuloten und die wirtschaftlichen Beziehungen weiter zu vertiefen. Organisiert wurde die Reise von der Ghorfa in Zusammenarbeit mit der Union Tunisienne de l’industrie, du commerce et de l’artisanat (UTICA). Neben B2B-Treffen mit hochrangigen Vertretern verschiedener Ministerien standen auch B2B-Gespräche mit tunesischen Unternehmern auf dem Programm.
Der Botschafter Dr. Reinicke begrüßte die Teilnehmer der Delegationsreise zu Beginn der Reise und informierte über die derzeitige Lage des Landes und die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen. Zwar habe sich die Situation seit der Revolution von 2011 verbessert, wirtschaftlich gebe es aber noch Nachholbedarf. Verschiedene Gesetze zur Unterstützung der Wirtschaft sind daher derzeit in der Pipeline. „Investitionsfördergesetz, PPP-Gesetz und das Energiespargesetz sind von hoher Bedeutung“, hieß es von Seiten der Botschaft. Aber es gebe zahlreiche Branchen in welchen deutsches Know-how gefragt ist. Vor allem im Bildungssektor sei das der Fall.
Dass es ein großes Vertrauen der tunesischen Wirtschaft in Kooperationen mit deutschen Unternehmen gibt, zeigte sich beim anschließenden Besuch der Delegation bei der UTICA. Wided Bouchamaoui, die Präsidentin der UTICA, sowie der Vizepräsident Hichem Elloumi begrüßte die Delegation und betonten, dass durch zahlreiche deutsche Unternehmen in Tunesien tätig sind und für zahlreiche Arbeitsplätze in dem Land sorgen. Dr. Ramsauer fügte hinzu, dass dies insbesondere auch für viele Kleine und Mittelständische Unternehmen gelte. Bei anschließenden B2B-Gesprächen konnten weitere Kooperationsmöglichkeiten im persönlich Gespräch erörtert werden.
Ein wichtiges Thema bei der Reise war der Energiebereich. Sowohl bei einem Treffen mit der Ministerin für Energie, Minen und Erneuerbare Energien, Hela Cheikhrouhou, als auch bei einem Treffen mit Ameur Laarayaedh, Präsident der Energie-Kommission, bekamen die Delegationsteilnehmer Informationen zu geplanten Projekten aus erster Hand. Erst im November letzten Jahres hatte das Land den Renewable Energy Action Plan 2030 veröffentlicht. Das Ziel sei es, bis 2030 den Anteil der erneuerbaren Energien auf 30 Prozent zu erhöhen. In einer ersten Phase, die 2020 abgeschlossen sein soll, ist vorgesehen, 1.000 zusätzliche Megawatt (MW) an erneuerbaren Energien zu installieren. In der zweiten Phase von 2020 bis 2030 sollen weitere 1.250 MW hinzukommen. Indem auch kleinere Projekte von jeweils 1 bis 5 MW gefördert werden sollen, soll auch der private Sektor und insbesondere kleine Unternehmen bei der Entwicklung miteinbezogen werden. Auch Deutschland spiele bei der Strategie eine wichtige Rolle, denn tunesische Unternehmen seien auf die Erfahrungen aus dem Ausland angewiesen, erklärte Ameur Laarayedh. Insbesondere im Bereich Training und Wissenstransfer sei der deutsch-tunesische Austausch besonders wichtig, erklärte der Politiker.
Auch Saida Ounissi, Staatssekretärin für Berufsbildung und Unternehmertum, bestätigte diese Einschätzung bei einem Treffen am zweiten Tag der Reise. Ounissi verwies auf ein erfolgreiches Berufsbildungsprojekt im Bereich Erneuerbare Energien und Mechatronik, das zwischen 2012 und 2015 zahlreiche Fachkräfte ausgebildet hat. Man wolle das Berufsbildungssystem reformieren und weiter ausbauen, sagte die Staatssekretärin.
Potenziale bieten sich deutschen Unternehmen auch im tunesischen Gesundheitssektor, wie bei einem Treffen mit der Gesundheitsministerin Merai Friaa, deutlich wurde. Der Sektor sei ein wachsender Wirtschaftszweig und es werde viel Geld investiert. Auch hier gilt, dass neben dem technischen Equipment vor allem die deutsche Expertise im Bereich medizinischer Bildung gefragt ist. Aber auch bei der Verwaltung der 106 Kreiskrankenhäuser und der sechs Universitätsklinken sei deutsches Know-how gefragt.
Dass die tunesische Wirtschaft trotz Schwierigkeiten positive Aussichten bietet, wurde nicht zuletzt bei dem Treffen mit Elloumi Rekik, Ministerin für Tourismus deutlich. Die meisten großen internationalen Hotelketten seien in dem Land anwesend und bereits in den 70er Jahren habe das Land in den Sektor investiert. Zwar habe es 2016 noch einen Rückgang bei den Touristenzahlen gegeben, für 2017 sind die Zahlen allerdings wieder positiv. So sind die Einnahmen aus dem Tourismus in den ersten acht Monaten von 2017 um 19 Prozent gestiegen. Für 2017 rechnet das Ministerium mit insgesamt 6,5 Mio. Touristen. Dies wären 30 Prozent mehr als 2016.
Die positive Entwicklung des Tourismussektors ist damit beispielhaft für die gesamte tunesische Wirtschaft. Während das Wirtschaftswachstum 2016 noch bei nur einem Prozent lag, prognostiziert der Internationale Währungsfonds für 2017 bereits ein Wachstum von 2,5 und für 2018 von 3,1 Prozent. Für die deutschen Unternehmen bieten sich damit auch weiterhin große geschäftliche Chancen.