Eine sehr gute Ausbildung sowie die Unterstützung der Familie seien entscheidend für den beruflichen Erfolg. Darüber waren sich die arabischen und deutschen Geschäftsfrauen einig, die zu hunderten im Berliner Adlon Hotel zu einer mehrtägigen Business Konferenz zusammen kamen. Wie können Geschäftsfrauen aus unterschiedlichen Kulturen voneinander lernen und sich unterstützen? Lässt sich das vielfach gelobte deutsche duale Berufsausbildungssystem auch in der arabischen Welt dafür nutzen, Frauen in der Arbeitswelt zu stärken? Darum ging es unter anderem beim Arab-German Women Leaders Forum vom 22.-25. Oktober 2013 in Berlin.
Die Ghorfa Arab-German Chamber of Commerce and Industry veranstaltete das Arab-German Women Leaders Forum „From Partnership to Inclusive Growth: Women in the Arab World, Germany and the International Community” vom 23.-25. Oktober 2013 im Hotel Adlon Kempinski in Berlin in Kooperation mit dem Arab International Women’s Forum und in Zusammenarbeit mit der Generalunion der arabischen Kammern (GUCCIACC).
An der Veranstaltung nahmen ca. 200 hochrangige Vertreter aus Wirtschaft, Politik und Wissenschaft teil. Die hochkarätige Veranstaltung fand zum ersten Mal in Berlin statt und stand unter der Schirmherrschaft von Klaus Wowereit, Regierender Bürgermeister von Berlin.
Opening Ceremony
Olaf Hoffmann, Vize-Präsident der Ghorfa Arab-German Chamber of Commerce and Industry, hob in der Eröffnungsrede sehr positiv hervor, dass das Event zum ersten Mal veranstaltet werde. 2007 habe die Ghorfa erstmals eine Session auf dem Arabisch-Deutschen Wirtschaftsforum Business Frauen gewidmet. Besonders erfreut zeigte er sich über das starke Interesse auf arabischer Seite. So kamen mehr als die Hälfte der Teilnehmerinnen aus dem arabischen Raum.
Haifa Fahoum Al Kaylani, Gründerin und Vorsitzende des Arab International Women’s Forums mit Sitz in London, betonte, die Ghorfa und das AIWF teilten das Interesse, die Beziehungen mit der arabischen Welt in den Bereichen Handel, Wirtschaft und Investition zu stärken und hob die Bedeutung des Arab-German Women Leaders Forum hervor. Die wirtschaftlichen Beziehungen zwischen Deutschland und der arabischen Welt würden von Jahr zu Jahr erstarken. Sie ging auf die hohe Bedeutung von Start-Up Unternehmen ein und rief dazu auf, Frauen in Start-Ups oder KMU zu unterstützen. Zwar gebe es zunehmend weibliche, arabische Unternehmerinnen, doch der Zugang zu Finanzierungsmöglichkeiten bleibe eine Herausforderung. Ein Großteil des Unternehmertums finanziere sich derzeit noch durch private Mittel. In der Vergangenheit seien Frauen insbesondere im Dienstleistungsbereich oder Life Style tätig gewesen. Jedoch sei eine Tendenz zur Diversifizierung spürbar. Von Frauen geführte Unternehmen seien für Investoren sehr erfolgversprechend. Sie rief dazu auf, die hohe Bedeutung von arabischen Geschäftsfrauen anzuerkennen. Frau Al-Kaylani begrüßte Initiativen in Deutschland, um das Unternehmertum von Frauen zu fördern, wie die „National Agency for Women Start-ups Activities and Services", die ein Vorbild für die arabische Welt seien. Mit ihren sehr guten Ausbildungen und der Unterstützung der arabischen Regierungen könnten arabische Frauen einen wertvollen Beitrag zu den Ökonomien ihrer Länder leisten.
Prof. Dr. med. Ossama bin Abdul Majed Shobokshi, saudischer Botschafter in Berlin und Doyen des arabischen diplomatischen Korps in Deutschland, würdigte die Bedeutung arabischer Frauen in der Geschäftswelt und gab einen Überblick über die aktuelle Situation in der arabischen Welt. Die Quote der Arbeitnehmerinnen habe deutlich zugenommen, auf 16,8 Million im Jahr 2011 im Vergleich zu 11,2 Millionen im Jahr 2000. Auch die Vielfalt der ergriffenen Berufe von Frauen sei gestiegen. Algerien habe den höchsten Anteil von weiblichen Parlamentsmitgliedern, mit 32 Prozent der 462 Parlamentssitze. Frauen in Tunesien hätten 27 Prozent der 217 Mandate inne und im Königreich Saudi-Arabien 20 Prozent der 151 Sitze. 42 Prozent der einflussreichsten Frauen seien Geschäftsfrauen. In Saudi-Arabien seien zwischen 20.000 und 40.000 der Unternehmen von Frauen geführt. Laut eines Reports von European Intelligence Unit seien 10 Prozent der Immobilien in Frauenhand. 40 Prozent der Familienunternehmen in dem Königreich gehörten Frauen. Ein Netzwerk für Geschäftsfrauen sei in vielerlei Hinsicht gewinnbringend, um etwa Erfahrungen auszutauschen, gegenseitige Geschäftsideen zu unterstützen und sich gemeinsam zu motivieren. Das Arab-German Leaders Forum sei ein Schritt in die richtige Richtung.
Cornelia Yzer, Senatorin für Wirtschaft, Technologie und Forschung in Berlin, begrüßte in ihrer Eröffnungsrede die Gäste im Namen der Berliner Regierung. Berlin, als das am stärksten wachsende Bundesland, biete hervorragende und attraktive Investitions- und Rahmenbedingungen für Geschäfte. Zahlreiche internationale Unternehmen hätten Dependancen in Berlin gegründet. 1,8 Milliarden Euro investiere Berlin zur Weiterentwicklung neuer Technologien. Im letzten Jahr seien 4.000 neue Unternehmen gegründet worden. Mit elf Universitäten und 70 Forschungseinrichtungen sei die Stadt auch ein ausgezeichneter Standort für Start-Ups. Der Unternehmergeist treibe die wirtschaftliche Entwicklung Berlins voran. Die Senatorin begrüßte die facettenreichen Wirtschaftsbeziehungen zwischen Deutschland und der arabischen Welt. Sie hob besonders die Zusammenarbeit mit den Golfstaaten positiv hervor. Das Königreich Saudi-Arabien sei derzeit der viertwichtigste Abnehmer Berliner Produkte. Die Kooperation mit der arabischen Welt solle weiter ausgebaut werden, hierbei versprach die Senatorin ihre Unterstützung für arabische Investoren in Berlin. Durch die wirtschaftlichen Beziehungen mit den Golfstaaten habe sie bereits den vermehrten Einfluss arabischer Geschäftsfrauen gespürt. Das Arab-German Women Leaders Forum sei wichtig, um die noch bestehenden Herausforderungen anzugehen und die Beziehungen zwischen den Geschäftsfrauen weiter zu stärken.
Session 1 „Addressing Inequality for a More Inclusive Society”
An den beiden Haupttagen des Arab-German Women Leaders Forums fanden insgesamt drei Sitzungen statt. In Session 1 wurde das Thema „Addressing Inequality for a More Inclusive Society” aufgegriffen.
Dr. Gabi Kratochwil, Geschäftsführerin von Cross Cultures, moderierte die Session. Themen waren u.a. die Vereinbarkeit von Familie und Beruf, Work-Life Balance, Teilzeitarbeit-Modelle und die Nachfolgefrage bei Familienunternehmen. Die Referentinnen gaben dabei jeweils einen sehr persönlichen Einblick in ihren beruflichen Werdegang.
Regine Sixt, Senior Executive Vice President von Sixt GmbH & Co. Autovermietung KG, gab einen Überblick über die internationalen Geschäftstätigkeiten von Sixt, ihren persönlichen Werdegang und ging auf die Rollen von Frauen im Familienunternehmen Sixt ein. Von den 5.000 Angestellten seien 2.500 in Deutschland tätig. 60 Prozent davon seien weiblich. Sixt lege Wert auf Weiterbildung, etwa in Form von Sprachkursen oder IT-Training. Corporate Social Responsibility (CSR) sei ein fester Bestandteil der Unternehmenspolitik der Sixt-Gruppe. Die Förderung von Aktivitäten für ein nachhaltiges und sozial verantwortliches Engagement durch das Unternehmen und seine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter entspreche dem Selbstverständnis sowie dem Leitbild und Wertesystem von Sixt. Die Themen Energie und Umwelt sowie ehrenamtliche Mitarbeit und Engagement im gemeinnützigen Bereich stünden dabei im Mittelpunkt ihrer Aktivitäten. Frau Sixt stellte hier die Regine Sixt Kinderhilfe Stiftung vor, die sich für die weltweite Verbesserung der Lebensumstände von Kindern und Jugendlichen einsetze. Dabei engagierten sie sich national und international für die Bekämpfung von Armut und die Förderung von Bildung.
Mona Almoayyed, Managing Director von YK Almoayyed & Sons, Bahrain, sprach über die Besonderheiten und die Gastfreundlichkeit Bahrains. In Bahrain gebe es ein Gleichgewicht zwischen Männer und Frauen in der Arbeitswelt, was sich beispielsweise an gleichen Gehältern zeige. Vier Frauen seien derzeit ins bahrainische Parlament gewählt worden. Im Schura-Rat gebe es ca. zehn Frauen. 40 Prozent der Arbeitskräfte seien Frauen, in manchen Ministerien wie dem Gesundheitsministerium hielten sie die Mehrheit und 37 Prozent der bahrainischen Frauen seien im Finanzwesen angestellt. Frauen spielten damit eine wichtige Rolle für die bahrainische Wirtschaft. Trotzdem gebe es noch viele Herausforderungen. Der Zugang von Frauen zu den Sektoren Bauwesen, Fischerei oder Landwirtschaft sei noch sehr schwer. Über 70 Prozent der Arbeitslosen seien Frauen, die Unternehmen seien noch zurückhaltend bei der Anstellung von Frauen. 30 Prozent der Angestellten ihres Unternehmens seien Frauen. Sie würden unterstützt durch verschiedene Förderprogramme, die ihnen den Zugang zum Management erleichtern sollten. Eine Herausforderung für Frauen blieben verbesserte Arbeitsbedingungen zur Vereinbarkeit von Familie und Beruf.
Nach Einschätzung von Alia al Rifai, CFO bei Siemens LLC, bewege sich die die arabische Welt in die richtige Richtung hinsichtlich der Rolle von Frauen in der Geschäftswelt. Obwohl die Statistiken zeigten, dass die Zahl der weiblichen Arbeitnehmerinnen zunehmen würde, stelle sich die Frage, warum der Anteil im Senior Management immer noch relativ gering sei. Frau al Rifai ging auf die wichtige Bedeutung der Familie ein, die Frauen in ihrem Rollenverständnis prägen würden. Mit der richtigen Umgebung seien die Entwicklungsmöglichkeiten enorm. Ein Unternehmen biete die Plattform für Entwicklung, doch die Familie sei entscheidend für den beruflichen Werdegang. Sie spüre einen Wandel in den jüngeren Generationen, die zunehmend offener seien. Siemens engagiere sich unter anderem durch Trainings von Studenten und mehrjährige Programme für Hochschulabsolventen. Der Arbeitgeber könne Geschäftsfrauen fördern, indem sie die richtigen Arbeitsbedingungen zur Verfügung stellen.
Souad Benkredda, Global Markets, Deutsche Bank, stellte drei Merkmale vor, die sie für wichtig erachte für Frauen in der Geschäftswelt. Authentizität sei wichtig, d.h. nicht Rollen zu imitieren oder nachzuahmen, sondern man selbst zu sein. Zweitens sei Leistung (Performance) wichtig. Sie rief dazu auf, sich auf die Stärken zu konzentrieren. Individualität sei dabei eine Stärke, keine Schwäche. Das dritte wichtige Merkmal sei, Verantwortung für sich selbst zu übernehmen. Frau Benkredda ermutigte dazu, sich über die eigenen Prioritäten bewusst zu werden. Ihre Priorität sei die Familie gewesen, doch gleichzeitig sei sie ambitioniert gewesen, Familie und Beruf unter einen Hut zu bekommen. Eine Mutter zu sein oder einen Migrationshintergrund zu haben, sei bereichernd. Um beides erfolgreich zu bewältigen, seien eine gute Organisation sowie die Unterstützung der Familie notwendig.
Dr. Afnan Al-Shuaiby, Secretary General & Chief Executive, Arab-British Chamber of Commerce, wies darauf hin, dass Bildung und die Unterstützung durch die Familie entscheidend für den beruflichen Erfolg seien und sprach über ihren beruflichen Werdegang. Sie gab zu bedenken, dass neben Bildung und Familie auch die Unterstützung des Landes wichtig sei. So sei sie von Saudi-Arabien für ihre jetzige Position nominiert worden. In dem Königreich seien 40 Prozent der Assets im Besitz von Frauen. Jedoch sei es wegen praktischer Fragen, wie etwa die richtigen Ansprechpersonen zu finden sind, oftmals noch eine große Herausforderung, Start-Ups zu lancieren.
Session 2 „From School to Work“
Session 2 widmete sich dem Thema „From School to Work: Arab Initiatives and how to Learn from the German Example”. Die Sitzung wurde von Cornelia Frettlöh moderiert, Senior Fachplanerin Afghanistan, Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit. Neben der Unterstützung der Familie sei Bildung sehr wichtig, so Frau Frettlöh. Die duale Berufsausbildung sei hier eine sehr gute Möglichkeit, den Zugang zu Bildung zu erleichtern. Frau Frettlöh fasste die größten Herausforderungen in der Berufsausbildung zusammen. Unternehmen würden sich manchmal sorgen, wie die ausgebildeten Facharbeiter nach der Ausbildung gehalten werden könnten. Ein weiterer wichtiger Aspekt sei qualifiziertes Ausbildungspersonal für die duale Berufsausbildung zu finden. Nach wie vor hätte die theoretische akademische Ausbildung eine höhere Anerkennung als die praktische nicht-akademische Ausbildung. Die deutsche Berufsausbildung ließe sich nicht 1 zu 1 auf andere Länder übertragen. Viel eher gehe es darum, welche Lehren sich aus dem deutschen Beispiel ziehen lassen würden. Frau Frettlöh sprach sich für eine frühe Berufs- oder Karriereberatung an Schulen aus, um eine frühe Orientierung zu ermöglichen.
Dr. Assia Bensalah Alaoui, Ambassador at Large of His Majesty Mohamed VI King of Morocco, begrüßte den Fortschritt in Marokko in der wirtschaftlichen Entwicklung. Die vielen bereits umgesetzten Initiativen seien ermutigend. Derzeit seien sechs Ministerinnen in der Regierung. Im Privatsektor sei der Trend auch sehr positiv. Junge Absolventinnen mit einer internationalen Ausbildung wären auf dem Arbeitsmarkt vorhanden und würden auch zunehmend Leitende Positionen einnehmen. Der Wechsel zwischen Ausbildung und Berufseintritt sei sehr schwer. Dr. Alaoui sprach die große Herausforderung an, besonders in ländlichen Gebieten die Alphabetisierungsrate zu erhöhen. Ausbildung werde im Vergleich zur universitären Bildung immer noch als zweite Option angesehen. Sie wünsche sich, dass die Wahrnehmung der Ausbildung sich verbessere. Früher sei eine Lehre im Familienbetrieb gängig gewesen. Auch bei Führungspositionen stamme die größte Erfahrung aus der Familie. Die marokkanische Regierung unterstütze die Ausbildung von Mädchen stark. Marokko sei als Investitionsstandort sehr attraktiv, doch oftmals gebe es noch Schwierigkeiten ausreichend qualifiziertes Personal zu finden. Marokko habe viele Projekte und Initiativen, um Frauen zu fördern, wovon Dr. Alaoui die wichtigsten vorstellte. Unternehmertum müsse aktiv gefördert werden. Eine Kooperation zwischen den Universitäten und der Industrie sei auch sehr wichtig. Dr. Alaoui warb dafür, stärker für Frauen Lobbyismus zu betreiben, das heißt, sich für sie einzusetzen.
Birgit Thomann, Abteilungsleiterin Bundesinstitut für Berufsbildung (BIBB), Abteilung „Internationalisierung der Berufsbildung/Wissensmanagement“, gab einen umfassenden Überblick über die spezifischen Charakteristika der deutschen dualen Berufsausbildung. Deutschland habe im Vergleich zu vielen anderen Ländern eine relativ geringe Arbeitslosenquote unter jungen Erwachsenen. Deshalb erfreue sich das deutsche Ausbildungssystem einer wachsenden Beliebtheit im Ausland und stoße vermehrt auf Interesse. Die Berufsausbildung genieße auch in Deutschland hohes Ansehen. Während in Deutschland nur 14,1 Prozent (Frauen) bzw. 17 Prozent (Männer) der Erwerbstätigen einen akademischen Abschluss hätten, läge der Anteil derjenigen mit einer abgeschlossenen Berufsausbildung bei rund 50 Prozent. Das duale System kombiniere die praktische Ausbildung in einem Betrieb mit der theoretischen Ausbildung in der Berufsschule. Die Betriebe verstünden die Lehre als Investition in ihre zukünftigen Mitarbeiter, die einen Zugewinn für das Unternehmen bedeuten würden. Hinsichtlich der Geschlechter sei die Zahl der weiblichen Auszubildenden seit den 90er Jahren sehr stabil. Eine Diskrepanz sei bei der Berufswahl klar erkennbar. Bei mehr als 300 Berufsausbildungsmöglichkeiten konzentrieren sich Frauen stärker auf eine Auswahl beliebter Berufe. Bei männlichen Auszubildenden herrsche eine größere Diversität. Bei der Berufsausbildung sei der Schritt nicht von der Schule zur Arbeit, sondern von der Schule zur Berufsausbildung (1. Schwelle) und dann in den Arbeitsprozess (2. Schwelle). Der schwierigere Schritt sei von der Schule zur Ausbildung. Einmal in der Ausbildung, sei der Kontakt zur Arbeitswelt meistens etabliert und der Einstieg geschafft. Ein Großteil der Ausgebildeten erhalte danach eine Anstellung als qualifiziertes Fachpersonal. Die Bindung, die während der mehrjährigen Ausbildung zwischen Auszubildendem und Ausbilder entstehe, sei nicht zu unterschätzen. Sie plädierte dafür, junge Absolventen beim Übergang von der Schule in die Lehre zu unterstützen.
Dr. Astrid Ohl-Loff, Lehrbeauftragte Abteilung: Ökonomie, Pädagogische Hochschule Schwäbisch Gmünd, stellte Stärken und Schwächen der deutschen Berufsausbildung vor. Stärken seien die Verbindung zu Unternehmen, das hohe Maß an Bildung und spezialisierter Bildung und die geringe Arbeitslosenquote unter jungen Erwachsenen. Allerdings bestehe die Schwäche des Systems darin, dass viele der Unternehmen nur für ihre speziellen Anforderungen ausbilden würden und damit den Wechsel zu anderen Firmen erschwerten. Die Ausbildung sei nicht nur ein Übergang von der Schule zum Berufsleben, sondern auch eine Garantie für Jobsicherheit auf lange Sicht, da die jungen Menschen qualifiziert ausgebildet würden. Zudem würde durch dieses Programm eine Gleichstellung der Geschlechter gefördert, da Frauen neue berufliche Perspektiven eröffnet würden. Die Universität Ludwigsburg hätte jüngst einen neuen Arabisch-Deutschen Master eingeführt, welcher dem arabischen Management das Knowhow über das deutsche TVET-Programm zuführen solle.
Session 3 „Women in SMEs“
Session 3 „Women in SMEs“ wurde moderiert von Sana Bardawil, Regional Communications Manager, MENA, Shell EP International Upstream International Middle East. Frau Bardawil begrüßte die zahlreichen Initiativen zur Förderung arabischer Frauen in der Arbeitswelt.
Dr. Astrid Nelke, Geschäftsführerin bei know:bodies, Gesellschaft für integrierte Kommunikation und Bildungsberatung mbH, betonte die Relevanz von klein- und mittelständischen Unternehmen (KMU) für die deutsche Wirtschaft. 2011 hätten 2 Mio. KMU 99.3 Prozent aller Unternehmen repräsentiert. In diesem Sektor wären mehr als die Hälfte aller deutschen Arbeitskräfte tätig (24,9 Mio.). 14.000 Firmen seien außerdem Mitglied im Deutschen Mittelstandsbund (DMB), dessen Aufgabe es sei für KMU einzutreten. Hier spielten Frauen eine wichtige Rolle. Wie Frau Nelke ausführte, sei für sie der Zugang zu Führungspositionen in großen Unternehmen immer noch äußerst schwierig. So warb sie für Netzwerk-Möglichkeiten, wie beispielsweise die „Vereinigung für Frauen im Management“, da Kontakte und gegenseitige Unterstützung neben erworbenen Kompetenzen wichtig seien.
Nelly Kostadinova, Mitglied im VdU-Bundesvorstand, gab einen umfassenden Überblick über die aktuelle Arbeitsmarktsituation deutscher Frauen. 28 Prozent der selbstständig beschäftigten Personen in Deutschland seien weiblich und 70 Prozent der Frauen seien derzeit in Beschäftigung. Frauen erhielten jedoch 22 Prozent geringeres Gehalt als Männer in vergleichbaren Positionen. Außerdem hätten die 30 DAX-Unternehmen nur wenige Frauen im Vorstand. Sie erklärte, je größer die Geschlechtergerechtigkeit in der Arbeitswelt sei, desto größer sei der wirtschaftliche Gewinn. Laut einer Studie von Goldman and Sachs könnten die USA neun Prozent mehr Gewinn einfahren, wäre die weibliche Arbeitsquote gleich der männlichen. Im Vergleich zum Jahr 2011 habe sich der Anteil der Frauen in Vorstandsgremien in Deutschland im Jahr 2013 auf sechs Prozent erhöht. Herausforderungen seien gleiches Gehalt bei gleicher Arbeit und die Vereinbarkeit von Beruf und Familie. Frau Kostadinova sprach über ein dreijähriges Programm mit Beginn im Jahr 2010, finanziert durch den European Social Fund (ESF), um Frauen in Führungspositionen zu bringen.
Dr. Ingy Rasekh, Managing Partner, Mena Associates in association with Amereller Rechtsanwälte, teilte ihre Erfahrungen mit über Geschlechtergerechtigkeit in der Arbeitswelt in Ägypten. Es gebe viele Hochschulabsolventen, die nach Abschluss Schwierigkeiten hätten, eine Anstellung zu finden. Hier würden sie mit gezielten Programmen zum erleichterten Arbeitsmarkteintritt ansetzen. KMU seien in Ägypten sehr wichtig für den Berufseintritt von Frauen. Sie leisteten einen entscheidenden Beitrag zu Arbeitsplätzen und der wirtschaftlichen Entwicklung. Mit Hilfe internationaler Unterstützung würden viele Projekte in Ägypten zur Unterstützung von KMU umgesetzt, wie z.B. die Etablierung von TVET-Schulen. Eine Herausforderung sei, die Mittel zielgerichtet an bedürftige Gruppen zu geben.
Najah Zuhair Osaily, Administrative & Financial Manager, Hebron, Palästina, sprach über die Lage der KMU in Palästina. Sie stellte die vielen Vorteile von KMU vor. Sie seien flexibel und könnten sich schnell an die Gegebenheiten des Marktes anpassen. In Palästina würde die Wirtschaft fast ausschließlich auf dem privaten Sektor basieren, der wiederum hauptsächlich aus Familienunternehmen bestehe. Es gäbe eine junge, motivierte, gut ausgebildete Generation an Frauen, die allerdings nur 16 Prozent der Arbeitskraft präsentiere. Sie appellierte an die anwesenden Zuhörerinnen mit gemeinsamen Anstrengungen eine Zukunft für die palästinensische Wirtschaft zu schaffen.
Hanan Saab, Managing Director, Pharmamed, sprach über die wirtschaftlichen Herausforderungen der arabischen Welt. Sie teilte ihre Erfahrungen in Bezug auf instabile Wirtschaft mit und riet den Anwesenden flexibel auf Änderungen zu reagieren. Ziel solle es sein eine Plattform für Geschäftsfrauen zu etablieren, die ihnen Informationsaustausch und einen Netzwerk-Aufbau ermögliche. Außerdem sprach sie über die zukunftsorientierte Bedeutung von Vorbildern zur Motivation, Unterstützung und Inspiration jüngerer Generationen und rief zur Zusammenarbeit zwischen Frauen auf.
Closing Session
Dr. Kratochwil und Sana Bardawil, Regional Communications Manager, MENA, Shell EP International Upstream International Middle East (UK), würdigten in der Closing Session die strategischen und akademischen Erkenntnisse der einzelnen Vorträge. Frau Bardawil hob besonders die Expertise der deutschen Sprecherinnen bzgl. des deutschen Berufsausbildungssystems hervor. Da es auch in Deutschland Jahrhunderte gedauert habe, den heutigen Stand zu erreichen, gäbe es auch in den arabischen Ländern noch einen langen Weg zu beschreiten, besonders um Gedankenstrukturen aufzubrechen. Zudem wünsche sie sich, dass mehr Platz für Frauen in der Wirtschaft geschaffen werde und sie dabei die Chance erhielten authentisch zu bleiben. Das Forum hätte die Möglichkeit geboten, Brücken zu schlagen und sie sähe ein großes Potenzial für weitere derartige Veranstaltungen. Besonders in Zeiten der Umbrüche in der arabischen Welt habe der private Sektor mit seinen KMU einen großen Beitrag zur wirtschaftlichen Stabilität leisten können und sei somit unterstützenswert. Auch Dr. Kratochwil zeigte sich angetan von der Vielfalt der angesprochenen Fortschritte, betonte aber auch Herausforderungen, wie zum Beispiel familiäre Unterstützung, soziale Strukturen usw. Sie hätte große Inspiration verspürt und auch großes Interesse an einem internationalen Austausch wahrgenommen. Frau Al Kaylani schloss das Forum mit Danksagungen an die Ghorfa, den Sprechern, Moderatoren und den Gästen ab.
Neben den Sitzungen gab es ausreichend Gelegenheit für B2B Meetings. Für die arabischen Teilnehmerinnen fand zusätzlich zu den Sessions ein Rahmenprogramm statt. So standen ein Besuch des Bundestages, des Filmparks Babelsberg sowie des Siemens Gasturbinenwerks auf dem Programm.
Programm
presentation: Dr. Astrid Nelke – Women in small and medium-sized enterprises in Germany
presentation: Najah Zuhair Osaily – Palestinian Women and SMEs
mediacenter.dw.de/german/video/item/1188863/Frauen_wollen_sich_durchsetzen/