„Tourismus ist mehr als ein Wirtschaftsfaktor.“ Was Ghorfa-Präsident Dr. Thomas Bach zur Eröffnung des Arab-EU Tourismusforums als Erster aussprach, zog sich wie ein Motto durch nahezu alle Reden und Debattenbeiträge. Der Tourismus bringe Menschen und Kulturen zusammen, baue Brücken zwischen ihnen, so Dr. Bach weiter. Diese Brückenfunktion und nicht die einer Grenze zwischen europäischer und arabischer Welt komme gerade dem Mittelmeer zu, einer Jahrtausende alten Kulturregion, so Dr. Bach weiter. Nach einem durch die Weltwirtschaftskrise bedingten Einbruch biete der Tourismus in den arabischen Ländern, vor allem Nordafrikas und des Nahen Ostens wieder Anlass zu Optimismus, fuhr der Ghorfa-Präsident fort. Für 2010, zitierte Dr. Bach die Welttourismusorganisation UNWTO, werden für die arabischen Mittelmeeranrainer fünf bis neuen Prozent Wachstum erwartet, doppelt so viel wie die weltweit prognostizierte Steigerungsrate.
Eingebettet in den Zusammenhang der EU-Mittelmeer Partnerschaft EuroMed widmete sich das Ghorfa-Tourismusforum am 10. März erstmalig der Zusammenarbeit auf europäisch-arabischer Ebene. Veranstaltet wurde das Forum auch 2010 wieder im Rahmen der Internationalen Tourismusbörse (ITB) in Berlin. Sie verzeichnete, wie der Geschäftsführer der Messe Berlin GmbH, Raimund Hosch, den 200 Teilnehmern verriet, auch dieses Jahr mit 11.127 Ausstellern aus 187 Ländern einen neuen Rekord.
Ossama Abdulmajed Shobokshi, Botschafter des Königreichs Saudi-Arabien und Doyen der Botschafter der arabischen Länder in Berlin. Er rief in Erinnerung, dass der Tourismus gerade in der arabischen Welt durch Pilgerreisen auf eine lange Tradition zurückblicken könne und wies darauf hin, dass zwei arabische Staaten, nämlich Ägypten und Irak, zu den ersten fünf Ausstellerländern der 1. Berliner Tourismusbörse im Jahre 1966 gehörten. Außerdem ging er auf die Gegenwart des deutsch-arabischen Tourismus, seine Strukturen, Entwicklungen und Destinationen ein. Dabei nannte er interessante Fakten, etwa dass der größte Teil der Reisenden aus den Golfstaaten, nämlich 75 Prozent, Deutschland zu Urlaubszwecken besuche oder um Freunde und Verwandte zu treffen. Nur 25 Prozent reisen aus geschäftlichen Gründen.
UNWTO-Generalsekretär Taleb Rifai zählte zu den wichtigsten Aspekten des Tourismus, Verständigung und Frieden zwischen den Menschen zu schaffen sowie die regionale Entwicklung zu befördern, denn Nachbarn – und dies gelte gerade für den Mittelmeerraum – seien aufeinander angewiesen und profitieren voneinander. Zudem stelle der Tourismus gleichzeitig ökonomische und ökologische Herausforderungen.
Mit der Notwendigkeit, neue regionale Kooperationen zu gründen, brachte Ernst Burgbacher, Parlamentarischer Staatssekretär im Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie und Tourismusbeauftragter der Bundesregierung, eine weitere Herausforderung des Tourismus ins Gespräch. Damit spielte er einerseits auf die Union der Mittelmeerländer an und zum anderen auf eine Freihandelszone EU/ Mittelmeer/ GCC-Staaten, die mit 800 Millionen Menschen zur größten Freihandelszone weltweit werden könne.
Nachhaltigkeit und soziale Verantwortung standen im Mittelpunkt des ersten Podiums mit den Tourismusministern Jordaniens und Libanons, Maha Khatib und Fady Abboud, sowie der Tourismusorganisation Zyperns, Phoebe Katsouris. Die jordanische Ministerin würdigte den Tourismus als Mittel gegen Armutsbekämpfung und Migration und mahnte an, dass Nachhaltigkeitserwägungen auch von der Privatwirtschaft selbst und nicht nur durch staatliche Rahmenvorgabenangestellt werden müssen. Nachhaltigkeit müsse geplant werden, so Ministerin Khatib mit Blick auf die stark besuchte Weltkulturerbestätte Petra, um die Balance zwischen Massen- und Kulturtourismus zu erhalten, Frau Katsouris pflichtete dem uneingeschränkt bei. Notwendig seien Good Governance und Kooperationen im Wege der Public Privat Partnership. Dies führe zu neuen Entwicklungen und Ideen. Der Tourismus sei ein wichtiger Bestandteil der gesamten Entwicklung eines Landes.
Für den aufstrebenden Tourismus seines Landes, der zu 60 Prozent durch Reisende aus Europa repräsentiert werde, wünschte sich der libanesische Minister eine Erhöhung des Anteils des organisierten, des Packagetourismus.
Die Experten des zweiten Diskussionsforums erörterten Finanzierungsmöglichkeiten für Tourismusprojekte im Mittelraum. Als besonders innovative Branche bezeichnete den Tourismus Pierre Deusy von der Generaldirektion für Auswärtige Beziehungen der EU-Kommission. Als besonders wichtig für dessen Entwicklung hob er die Arbeit mit den jeweiligen lokalen Behörden und Gebietskörperschaften hervor. Campbell Thomson, Berater der Europäischen Entwicklungsbank, stellte deren umfangreiche Arbeit für die Entwicklung des Tourismus vor, die besonders der Privatwirtschaft und Infrastrukturprojekten zugute komme. Aus der Finanzierungspraxis berichtete der Dieter Semmelroth, Finanzierungschef der TUI AG, die in den Mittelmeerländern fast 240 Hotels mit über 100.000 Betten unterhält.
Eine Million Hotelbetten seien im südlichen und östlichen Mittelmeer im Bau, fügte Prof. Dr. Djamal Benhacine von der Hochschule für Angewandte Wissenschaften München hinzu. Dies führe dort zu einem vergleichsweise moderneren Standard als in den anderen Mittelmeerregionen, die schon seit längerer Zeit über eine entwickelte Tourismusinfrastruktur verfügen. Zu bedenken sei auch der höhere Altersdurchschnitt der Reisenden aus dem europäischen Raum höher, was andere touristische Bedürfnisse zur Folge habe.
Zu nachhaltigem Tourismus gehören Definition und Ausbau der eigenen Ressourcen. Der Mittelmeerraum habe mit seiner langen Geschichte viel zu bieten, sagte Francesco Ianello von der Europäischen Kommission in den Abschlussworten des Forums. Er nahm die einführenden Bemerkungen des Ghorfa-Präsidenten auf. Der Tourismus sei nicht nur wirtschaftlich, sondern auch sozial von Bedeutung. Wenn man sich gegenseitig kenne, fallen Barrieren.