In den letzten Monaten hat das Interesse an algerischen Öl- und Gasvorkommen zugenommen, da die europäischen Länder interessiert daran sind, Importe aus Russland zu ersetzen. Die brennende Frage wird darin bestehen, ob Algerien die Gelegenheit ergreifen kann, die Beziehungen zu Europa neu zu gestalten, indem sich das Land zum führenden Gaslieferanten des Kontinents entwickelt. Algerien verfügt über 3 % der weltweit nachgewiesenen Gasreserven, ist aber noch nicht vollständig erforscht. MEED schätzt ein, dass das Land über die drittgrößten nicht-konventionellen Gasvorkommen der Welt verfügen könnte.
Algerien verfügt zwar über eine umfangreiche Pipeline-Infrastruktur, die es mit Europa verbindet, aber seine Fähigkeit, die russischen Ausfuhren zu ersetzen, wird bisher durch Verzögerungen bei der Erschließung von Gasvorkommen und fehlende Investitionen in neue Projekte behindert. Bemerkenswert ist daher, dass nach MEED-Informationen das staatliche Öl- und Gasunternehmen Sonatrach die Erkundung von drei Kohlenwasserstofffvorkommen bekannt gegeben hat, und zwar von zwei Gasfunden und einen Ölfund. Der erste Gasfund erfolgte durch eine Bohrung im Gebiet Ain Iker im Südwesten von Algerien. Das zweite Vorkommen, ein Ölvorkommen mit Begleitgas, wurde im Rahmen von Operationen von Sonatrach und Eni in der Wüste im Süden des Landes entdeckt. Während eines Tests wurden 1.300 b/Tag Öl und 51.000 m³/Tag Gas gefördert. Die dritte Entdeckung resultiert aus einer Bohrung von Sonatrach in der Region Bechar im Südwesten des Landes, aus der eine „signifikante Gasproduktion“ entstehen könnte.
Im Juli 2022 hat Sonatrach mit drei internationalen Konzernen eine Vereinbarung über die gemeinsame Nutzung der Gasproduktion für die Blöcke 404 und 208 im Berkin-Becken im Osten des Landes unterzeichnet. Das Abkommen hat Sonatrach mit dem US-amerikanischen Unternehmen Occidental, dem französischen Unternehmen TotalEnergies und dem italienischen Unternehmen Eni geschlossen. Die Vereinbarung für die Blöcke 404 und 208 ist die jüngste in einer Reihe von neuen Vereinbarungen, die in Algerien angekündigt wurden. Gleichfalls im Juli unterzeichnete Algerien einen Dreijahresvertrag mit dem französischen Unternehmen Engie über Gaslieferungen durch die Medgaz-Pipeline.
Kürzlich erwarb das deutsche Energieunternehmen Wintershall Dea einen weiteren Anteil von 11,25 % am Gasprojekt Reggane Nord von der italienischen Edison und erhöhte damit ihren Gesamtanteil an dem Projekt auf 30,75 %. Das im Südwesten Algeriens gelegene Projekt Reggane Nord umfasst eine Gruppe von sechs Gasfeldern, von denen das erste Ende 2017 in Betrieb genommen wurde. Algeriens staatliches Energieunternehmen Sonatrach verfügt über einen Anteil von 40 % und der spanische Konzern Repsol über 29,25 % der Anteile an diesen Gasfeldern.
Im März 2022 unterzeichnete Sonatrach eine Vereinbarung mit seiner Treibstofftochter Naftal über den Bau einer 424 Kilometer langen Pipeline, die Flüssiggas in dem nordafrikanischen Land transportieren soll. Für die geplante Pipeline wird eine Investitionsvolumen von 360 Mio. US-Dollar geschätzt. Sie wird nach Fertigstellung entlang der algerischen Mittelmeerküste verlaufen und die Hafenstadt Arzew mit den Städten Chlef und Algier verbinden.
Die aktuellen Entwicklungen unterstreichen, dass Algerien ein erstklassiger Kandidat für eine verstärkte Energiepartnerschaft mit Europa ist. Belege hierfür bilden sein bedeutendes, aber bei weitem noch nicht erschlossenes Energiepotenzial und die bereits bestehenden Infrastrukturverbindungen zum europäischen Markt, einschließlich Pipelines und LNG-Terminals.