Im Rahmen der Internationalen Tourismusbörse ITB veranstaltete die Arabisch-Deutsche Vereinigung für Handel und Industrie (Ghorfa) am 7. März 2007 das 9. Deutsch-Arabische Tourismusforum. Die Veranstaltung richtete sich an Verantwortungsträger und Fachkräfte aus Wirtschaft und Politik im Bereich Tourismus. Die Erwartungen an das in diesem Jahr fast 400 Gäste zählende Deutsch-Arabische Tourismusforum waren dieses Mal besonders hoch, da sich mit dem Jemen als Partnerland ein touristischer Newcomer auf dem Forum präsentierte. Hierzu lud die Ghorfa den Tourismusminister des Jemen, Nabil Hassan Alfakih, ein, der in der Eröffnungsveranstaltung sprach. Die Konferenz umfasste außerdem eine Gesprächsrunde, in der über die touristischen Potentiale des Jemen und die damit verknüpften Investitionspläne diskutiert wurde. Einen weiteren Veranstaltungsschwerpunkt bildete eine Diskussionsrunde über die neuen Trends in der arabischen Tourismuswirtschaft. Neben weiteren Entscheidern und Fachleuten aus der Reisebranche sprachen während der Tagung gleich drei arabische Tourismusminister. Dies waren: Ammar Mabruk El-Lateif aus Libyen, Moussa Noureddine aus Algerien und Liwa Sumaysin aus dem Irak. Außerdem gab die Veranstaltung den Forumsteilnehmern die Gelegenheit, neue Geschäftskontakte zu knüpfen bzw. solche auszubauen.
Thomas Bach: „Tourismus ist die beste Medizin gegen Vorurteile“
Die Sprecher auf dem Forum waren sich über das äußerst hohe touristische Potential des Jemen einig. Hierauf ging auch Dr. Thomas Bach, Präsident der Ghorfa, in seiner Eröffnungsrede ein. „Der gastfreundliche Jemen lädt ein mit einem einzigartigen Reichtum an antiker und orientalischer Kultur, einer beeindruckenden Städtearchitektur und einer vielfältigen Landschaft, deren touristischer Reiz kaum zu überbieten ist“, so Bach. Bezug nehmend auf den Tourismus in der arabischen Welt stellte der Ghorfa-Präsident fest: „Die Bedeutung des Tourismus geht weit über die wirtschaftlichen Aspekte hinaus. Der Tourismus ist die beste Medizin gegen Vorurteile. Der Beitrag des Tourismus kann hier gar nicht hoch genug eingeschätzt werden. Begegnung fördert nämlich Verständigung.“
Das Deutsch-Arabische Tourismusforum wurde in Kooperation mit der Messe Berlin organisiert. Dabei erhielt die Ghorfa großes Lob vom Geschäftsführer der Messe Berlin, Raimund Hosch, der die schon neun Jahre währende Zusammenarbeit mit der Ghorfa als „stets hervorragend“ wertete. Herr Hosch machte auf die Tatsache aufmerksam, dass die ITB angesichts ihrer hohen Medienresonanz als größte Messe ihrer Art Ländern und Unternehmen die beste Möglichkeit biete, ihre Reiseziele zu bewerben. Das Potential arabischer Touristenziele, so Hosch außerdem, sei bei weitem nicht ausgeschöpft, auch wenn sich das Paradebeispiel Vereinigte Arabische Emirate bereits eines enormen Zuspruchs bei den Deutschen erfreue. An die Entwicklungsmöglichkeiten des Tourismus im arabischen Raum schloss der Botschafter von Bahrain und Doyen des arabischen Diplomatischen Corps Adel Yousef Sater an: Prognosen zufolge, so der Botschafter, würde die Touristenzahl in der arabischen Region von 41 Millionen im Jahr 2006 auf 61 Millionen im Jahr 2020 ansteigen. Gegenwärtig bestreite der der Tourismus mit 148 Mrd. US Dollar 10 Prozent des gesamten Bruttoinlandsproduktes der arabischen Länder; 10 Prozent der Arbeitsplätze würden hierdurch gesichert. Eine wichtige Rolle für den Ausbau des Tourismus in der arabischen Wirtschaftsregion spiele dabei die Zusammenarbeit zwischen öffentlichem und privatem Sektor. Des Weiteren ging der Botschafter Bahrains auf das Partnerland Jemen ein und hob die Geschichte des Landes als alte Zivilisation und Handelsdrehscheibe hervor; dies gelte auch für den Kaffee, was sich in dem Sortennamen Mokka widerspiegele, der sich von der gleichnamigen jemenitischen Hafenstadt Mokka herleite.
Der Tourismusminister des Jemen, Nabil Hassan Alfakih, befasste sich mit der neuen Politik, den Tourismus im Jemen als weiteres wirtschaftliches Standbein zu errichten. Deutlich wurde hierbei, dass angesichts der hohen touristischen Attraktivität des Gebirgslandes dem Tourismus bis vor kurzem zu wenig Beachtung geschenkt wurde. Im Jahr 2006 hat sich dies aber grundlegend geändert. Der Jemen – so erfährt man aus Regierungskreisen – hat den Tourismus als wichtigsten Wirtschaftszweig für neue Einkommen und die Schaffung von Arbeitsplätzen erkannt. Für die Entwicklung der Reiseindustrie würden jetzt ausländische Investitionen benötigt, so der jemenitische Minister. Hierzu werde im April dieses Jahres ein Investitionsplan vorgelegt. Zudem hob der Minister hervor, dass sich die Sicherheitslage im Jemen stabilisiert habe und hier deutliche Verbesserungen erfolgt seien. Dem Jemen eile der Ruf als attraktives Reiseziel für den Kulturtourismus weit voraus. Große Chancen berge aber auch, so der Tourismusminister, der Strand-, Wüsten- und Bergtourismus.
Die große Bedeutung des Deutsch-Arabischen Tourismusforums wurde besonders von Ernst Hinsken, dem Tourismusbeauftragten der Bundesregierung gewürdigt. Der deutsch-arabische Fachkongress sei mittlerweile, „nicht mehr von der ITB wegzudenken“. Hinsken stellte auch fest, dass, trotz mancherorts widriger Umstände, die Touristenzahlen in den arabischen Ländern 2006 im weltweiten Vergleich mit 4,5 Prozent überdurchschnittlich gestiegen sind. „Der Tourismus stärkt die Völkerverständigung und den Frieden“, und so Hinsken weiter, „die arabische Welt ist wegen der landschaftlichen Schönheit, des kulturellen Reichtums und der Gastfreundlichkeit ein höchst attraktives Reiseziel“.
Auf der ITB und so auch beim Deutsch-Arabischen Wirtschaftsforum war der Nachhaltigkeitsaspekt beim Tourismus ein zentrales Thema. Hierzu äußerte sich insbesondere der stellvertretende Generalsekretär der UN Tourismusorganisation UNWTO Taleb Rifai. Dieser zeigte sich zuversichtlich, dass der Tourismus sozial ausgewogen und in Verantwortung gegenüber zukünftigen Generationen gestaltet werden kann. Diesen Ausführungen ging sowohl ein Rückblick der letzten 10 Jahren als auch eine Zukunftsprognose der globalen und arabischen Tourismusentwicklung voraus. Dabei hätte das letzte Jahrzehnt bewiesen, dass der Tourismus eine der dynamischsten Branchen sei. So wuchs der Tourismus in der arabischen Welt von 2004 bis 2006 um knapp 20 Prozent. In der Zukunft sieht Al Rifai geringeres, aber dafür stabileres Wachstum. Der Tourismus sei außerdem eine wichtige Stütze einer diversifizierten Wirtschaft. Dies hätten vor allem die Staaten des Golf-Kooperationsrates erkannt.
Jemen als zukünftiges Reiseland
Die erste Gesprächsrunde im Anschluss an die Eröffnung befasste sich mit dem „neuen Wind, der im Jemen im Bereich der Tourismusinvestitionen zu spüren ist“, so der Moderator Dr. Florian Amereller der Amereller Rechtsanwälte und Vize-Präsident der Ghorfa. An dieser Sitzung nahmen teil: wiederum der Tourismusminister aus dem Jemen Nabil Alfakih, der jemenitische Unternehmer Mafouz Hayel Saeed von der Unternehmergruppe Hayel Saeed, der Großinvestor Samih Sawiris, Vorstandsvorsitzender der Orascom Hotels Development, Alwan Al-Shaibani, stellvertretender Präsident der jemenitischen Tourismusbehörde und Investor in den jemenitischen Tourismussektor sowie Prof. Dr. Oelschlegel, Vizepräsident der Saudi German Hospital Group. In der Diskussion ging es darum, den Tourismus im Jemen so zu entwickeln, dass die einzigartige Synthese des Landes aus kulturellem Erbe und bemerkenswerter Naturschönheit gewahrt bleibe. Fehler aus anderen Ländern dürften nicht wiederholt werden, so der allgemeine Tenor. Ebenso wiesen die Diskussionsteilnehmer auf die wichtige Funktion des Tourismus bei der Schaffung von Arbeitsplätzen hin. Auch ein Tourismusprojekt der Orascom, das gemeinsam mit der Hayel Saeed Group entwickelt wird, wurde vorgestellt. Dabei geht es um einen Urlaubsort, der auf der 57 Quadratkilometer großen Koralleninsel Kamaran errichtet werden soll. Der Investor Sawiris bekannte sich zum Tourismusstandort Jemen, mit seinem außergewöhnlichen landschaftlichen und kulturellen Charakter und fügte dem hinzu, dass der Jemen ganz anders sei, als dies in den Medien darstellt werde. „Touristen sind im Jemen willkommen und der Jemen ist anderen Ländern in punkto Gastfreundschaft oftmals weit voraus“, wusste Sawiris aus eigener Erfahrung.
Libyen und Algerien öffnen sich dem Tourismus
Die zweite Diskussionsrunde moderierte Dr. Erich Kaub, Vorsitzender der Dr. Kaub Group GmbH und Präsidiumsmitglied der Ghorfa. Eingeladen waren neben den schon genannten Tourismusministern aus Libyen, Algerien und dem Irak, Klaus Lengefeld, Senior Adviser bei der GTZ. Die Wirtschaft war durch Saeb Nahas, Präsident der Nahas Enterprises Group und Vizepräsident der Ghorfa, durch Peter Knappich, Regionalleiter für den Nahen Osten und Afrika, Gebeco und durch André Witschi, Vorstandsvorsitzender der Accor Hotels Germany vertreten. Die Minister der touristisch noch am Anfang stehenden Länder Libyen und Algerien stellten die Tourismuspläne ihrer Regierungen vor. Für Libyen sind hierbei Infrastrukturinvestitionen und der Ausbau von Übernachtungskapazitäten wichtig, so der Tourismusminster Ammar Mabruk El-Lateif. Deswegen sollen in den nächsten 15 Jahren Hotels mit einer Kapazität von 50 000 Betten gebaut werden. Das Mittelmeerland Algerien plant unter anderem, den Gebirgs- und Ökotourismus im Land zu stärken. Nachholbedarf bestünde, so Moussa Noureddine insbesondere bei der Einwerbung neuer Investoren. Deshalb sollen zuförderst bürokratische Hürden abgebaut werden. Mit den klangvollen Namen Uruk und Babylon und Bezug nehmend auf die Glanzepochen islamischer Kultur rief der irakische Tourismusminister Liwa Sumaysim die außerordentliche Bedeutung seines Landes für die Zivilisationsgeschichte in Erinnerung. Masterpläne für den Tourismus würden gegenwärtig entwickelt. Im Augenblick konzentriere man sich aber darauf, neue Generationen irakischer Archäologen und Historiker auszubilden, damit bestehendes Wissen nicht verloren gehe. Der Minister rief hierzu alle befreundeten Länder in Europa und aus der arabischen Welt dazu auf, den Irak zu unterstützen. Einen weiteren Punkt in der Diskussion bildeten die sozialen und ökologischen Aspekte des Tourismus. Dabei machte Klaus Lengefeld geltend, dass die GTZ große Erfahrung mitbringe bei der Entwicklung von umweltfreundlichen und armutsmindernden Tourismusprojekten. In diesem Zusammenhang plädierte der syrische Unternehmer Nahas für eine Lösung der drängenden sozialen und politischen Probleme. Hierbei könne die arabisch-europäische Partnerschaft ein wichtiger Motor sein, auch mittels Investitionen in die Arbeitsplätze schaffende Tourismusbranche.
Das deutsch-arabische Forum auf der ITB bot dem Jemen und den anderen arabischen Ländern eine Plattform für ihre Länderpräsentationen. Überdies hatten Wirtschaftsvertreter und Tourismusfachleute die Möglichkeit, sich über neue Trends zu informieren und Kontakte zu knüpfen. Die Gespräche unter den Gästen wurden am Ende des Forums bei einem Buffet mit vielfältigen Köstlichkeiten aus dem Orient fortgesetzt. Die Resonanz bei den Teilnehmern des 9. Deutsch-Arabischen Tourismusforums war einhellig positiv.