Die Berufsausbildung in den arabischen Ländern wird künftig einen höheren Stellenwert erhalten. Das war der Tenor auf dem 7th Arab-German Education and Vocational Forum am 5. und 6. Oktober in Berlin. Zahlreiche Experten wiesen darauf hin, dass die berufliche Bildung bei den jungen Menschen in der Region nach wie vor Imageprobleme habe.
Zur Eröffnung des Forums wies Bundesbildungsministerin Prof. Dr. Johanna Wanka in diesem Zusammenhang auf die positiven Erfahrungen Deutschlands hin. In früheren Jahren sei die Bundesregierung von der OECD wegen der relativ geringen Akademikerzahl kritisiert worden. Das habe sich inzwischen geändert. Mittlerweile erkenne die OECD die Erfolge der dualen Berufsausbildung ausdrücklich an. Hierzulande sei die Jugendarbeitslosigkeit so niedrig wie in keinem anderen europäischem Land. Zu Recht gelte die duale Ausbildung zudem als ein wichtiger Grund für die hohe Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Wirtschaft.
Die Ministerin hatte in diesem Jahr erneut die Schirmherrschaft für das Bildungsforum übernommen. Es wurde wie in den Vorjahren von der Ghorfa in Zusammenarbeit mit iMOVE, der Initiative der Bundesregierung für den Bildungsexport, veranstaltet. An der Veranstaltung nahmen etwa 300 hochkarätige Experten und Entscheidungsträger aus Deutschland und der arabischen Welt teil. Sie wurden zum Auftakt des Forums von Ghorfa-Generalsekretär Abdulaziz Al-Mikhlafi und iMOVE-Leiter Ulrich Meinecke begrüßt.
Wie Ghorfa-Präsident Dr. Peter Ramsauer in seiner Eröffnungsansprache erklärte, weist die deutsch-arabische Kooperation im Bildungssektor seit Jahren eine positive Dynamik auf. Gute Bildung entscheide nicht nur maßgeblich über die Zukunft junger Menschen, sondern auch über die Wettbewerbsfähigkeit ganzer Volkswirtschaften. Die arabischen Staaten investierten daher hohe Summen in die Bildung. Für deutsche Dienstleister, die in der arabischen Welt hohes Ansehen genießen, eröffnen sich vor diesem Hintergrund weiter hervorragende geschäftliche Chancen.
Abdulrahman Al-Khulaifi, katarischer Botschafter in Berlin und Doyen des arabischen diplomatischen Korps in Deutschland, wies darauf hin, dass die Bevölkerung in den arabischen Ländern rasant wachse. In der Folge nehme die Zahl der jungen Menschen laufend zu. Gegenwärtig sind bekanntlich etwa die Hälfte der Einwohner in der Region unter 25 Jahre alt. Viele Länder hätten daher die berufliche Bildung in ihre nationalen Visionen aufgenommen.
Nael Al Kabariti, Präsident der Generalunion der arabischen Kammern und der jordanischen Handelskammer, wünschte sich einen Ausbau der Bildungszusammenarbeit zwischen Deutschland und den arabischen Ländern. Vor allem müssten die arabischen Staaten die deutsche Expertise in Berufsbildung stärker nutzen.
Laut Prof. Dr. Reinhold Weiß, Vizepräsident des Bundesinstitutes für Berufsbildung (BIBB), dient die Bildungskooperation der wirtschaftlichen Entwicklung und Stabilität in den arabischen Ländern. Zugleich sei sie ein wichtiger Beitrag zur Bekämpfung der Ursachen für Flucht und Migration.
Dr. Ahmed bin Fahd bin Ibrahim Al Fuhaid, Präsident der Technical and Vocational Training Corporation (TVTC) in Saudi-Arabien, ging auf die ambitionierten bildungs- und arbeitsmarktpolitischen Ziele ein, welche die saudische Regierung in der „Vision 2030“ und dem „National Transformation Program 2020“ (NTP) formuliert hat. So soll der Anteil der saudischen Arbeitskräfte im Privatsektor (derzeit lediglich 15 Prozent) deutlich erhöht und der Frauenanteil an den Erwerbstätigen verdoppelt werden. Laut NTP soll die Arbeitslosenquote bis 2020 von zwölf auf neun Prozent gesenkt werden. Vorgesehen ist, die Zahl der jungen Menschen in Berufsbildungsprogrammen auf 950.000 zu verneunfachen. Hierbei sollen ausländische Bildungsanbieter eine tragende Rolle spielen.
Im Rahmen des Forums fanden vier Sitzungen statt, in welchen die Implikationen von Bildung und Berufsausbildung in verschiedenen Sektoren diskutiert wurden. So ging es in der ersten Session darum, wie junge Menschen zu Fachkräften im Energie-Bereich ausgebildet werden können. Uta Zähringer, Direktorin der Renewables Academy in Deutschland, leitete die Diskussion. Positive Beispiele in Saudi-Arabien würden zeigen, wie mögliche Berufsbildung ablaufen könnte. So stelle Carlo Humberg von der TÜV Reinland Akademie und Projekt-Manager des National Industrial Training Institute (NITI) das Programm des NITI vor, das der TÜV in Kooperation mit der TVTC in Saudi-Arabien betreibt. Insgesamt 1200 Studenten durchlaufen derzeit dieses Programm, das praktische technische Ausbildung für Berufe im Energie-Sektor vermittelt. Humberg betonte, dass es sich nicht um reinen Transfer von Know-how handelt, sondern dass das duale Bildungssystem hier an die Anforderungen in Saudi-Arabien angepasst worden sei. Nada Alsheaiby, Human Resources Business Partner von Siemens in Saudi-Arabien, erklärte dazu, dass gerade in Saudi-Arabien solche technischen Trainings wichtig seien um der hohen Arbeitslosenquote zu begegnen. Qualifizierte Fachkräfte seien dafür nötig, sagte Alsheaiby und erklärte, dass 95 Prozent der Universitätsplätze bereits mit einheimischen Schulabsolventen besetzt würden. Diese müssten nach dem Studium auf den Arbeitsmarkt vorbereitet werden. Gerade bei weiblichen Absolventen sei das wichtig. Denn immerhin 5,8 Mio. weibliche Universitätsabsolventen seien arbeitslos, was allerdings auch großes Potenzial für die Wirtschaft bedeute.
Dass Bildung angesichts der Diversifizierungsprozesse in der Region besonders wichtig sei, verdeutlichte Dr. Thamer Mahmoud Al Ani, Direktor der Abteilung Economic Relations der Arabischen Liga, bei seiner Keynote zu Beginn der zweiten Session. Viele Staaten wollen ihre Wirtschaft in eine wissensbasierte Ökonomie umwandeln. Die arabischen Länder könnten dabei auch auf ihre lange zurückreichende Kultur bauen. Insbesondere im Tourismussektor stünden Wissen, Kultur und Arbeitsplätze eng miteinander in Verbindung. Markus Milwa, International Relations-Manager bei der Paul Christiani GmbH & Co, moderierte die Session und verdeutlichte, dass die arabischen Länder enormes Potenzial im Tourismussektor hätten. 53,3 Mio. Menschen seien 2015 in die Länder gereist. Dies eröffne enorme Perspektiven für Ausbildungsberufe.
Hochrangig besetzt war auch die dritte Session, in welcher Saida Ounissi, Staatssekretärin im tunesischen Bildungsministerium referierte. Ein großer Vorteil in ihrem Land sei, dass es ein „Employment and and Vocational Training Ministry“ gebe, erklärte die Staatssekretärin. „Damit haben wir sehr gute Erfahrungen gemacht.“ Nach ihren Angaben hat in dem Land der Ausbau der beruflichen Qualifizierung zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit Priorität. Dabei gelte Deutschland als Vorbild. Die Regierung wolle das Image der Berufsausbildung verbessern, die Programme auf ländliche Gebiete ausweiten und den Privatsektor stärker integrieren. In den nordafrikanischen Ländern, aus denen viele junge Leute nach Europa fliehen, sei das besonders wichtig, betonte Kristine Schinkmann, Export Advisor bei iMove, die die Session moderierte.
Auch die höhere Bildung sollte nicht vernachlässigt werden, darüber waren sich die Teilnehmer der Session 4 einig. Kirsten Freimann, Senior Advisor der Deutschen Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) in Palästina, erklärte, dass es wichtig sei Hochschulbildung mit praktischer Ausbildung zu verknüpfen. Ein Schlüsselelement dabei sei, dass auch die Unternehmen selbst in die Ausbildung ihrer Fachkräfte investieren. Vivantes Berlin ist ein Beispiel dafür. Die Robotertechnologie, welche die Operations-Abteilung des Klinikkonzerns anbietet, funktioniere nur mit entsprechend ausgebildeten Personal, erklärte Dr. Colin Krüger von Vivantes.
Dass die Unternehmen vor Ort in die Ausbildung involviert werden müssen, war auch der Tenor der Abschlusssitzung, welche von Ulrich Meinecke, moderiert wurde. Berthold Breid, CEO der Renewables Academy AG, erklärte: „Es ist wichtig, nicht nur mit Unternehmen vor Ort, sondern in realen Projekten zu arbeiten.“ Dr. Jürgen Holz von der Terra Sola Group AG fügte hinzu, dass nur lokale Ausbilder die notwendige Motivation bei ihren eigenen Projekten habe. Deutschland könne die Ausbilder ausbilden und vor allem bei der Qualitätssicherung der Ausbildung eine wichtige Rolle übernehmen. So erklärte Nada Alsheaiby: „Die Deutschen sollten eine Vision erstellen von dem, was eine Person nach der Ausbildung sein kann.“ Das würde die Attraktivität einer Ausbildung gegenüber einem Studium erhöhen. Dr. Abdulrahman Alhumeidhi, Berater in Bildungsfragen im Ministerium für Bildung in Saudi-Arabien, verdeutlichte, dass die aktuellen Reformprogramme eine gute Chance für mehr Bildung seien. So soll beispielsweise die Zahl der Auszubildenden im Rahmen der Saudi-Vision 2030 von aktuell 120.000 auf 850.000 angehoben werden. Auch Deutschland könne hier viel beitragen. Alhumeidhi mahnte jedoch: „Die kulturellen Unterschiede sind sehr wichtig. Sie müssen bei der Ausbildung in der Region berücksichtigt werden.“
Weitere Informationen zur Konferenz erhalten Sie unter www.education.ghorfa.de und www.imove-germany.de.