Beim vierten irakisch-deutschen Wirtschaftsforum zeigte sich, dass die wirtschaftliche Konsolidierung des Landes an Fahrt aufnimmt. Deutsche Unternehmen stehen bereit, sich in dem Land zu engagieren. Hochrangige Regierungsvertreter sprachen über aktuelle Projekte und Reformvorhaben.
„Wir brauchen nicht darüber hinwegsehen, dass der Irak eine schwere Zeit hinter sich und noch zahlreiche Herausforderungen vor sich hat.“ Dieser Feststellung von Brigitte Zypries, Bundesministerin für Wirtschaft und Energie, stimmten alle Redner des 4th Iraqi-German Business Forum zu. Gleichzeitig wurde bei dem Forum deutlich, dass sich nicht nur die Sicherheitslage in dem Land wieder verbessert hat, sondern auch die wirtschaftliche Situation. Deutschen Unternehmen bieten sich damit große Potenziale.
Von allen Seiten wurde bekräftigt, dass die guten irakisch-deutschen Wirtschaftsbeziehungen schnell wieder auf das ehemals hohe Level gehoben werden sollen. Brigitte Zypries sagte die Unterstützung Deutschlands beim Wiederaufbau zu: „Die Zukunft der irakischen Bevölkerung betrifft auch uns hier in Europa. Die Bundesregierung unterstützt den Irak daher beim notwendigen Wiederaufbauprozess“.
In Zusammenarbeit mit der irakischen Botschaft hatte die Ghorfa das Forum organisiert. Kooperationspartner waren die National Investment Commission (NIC) und die Federation of Iraqi Chambers of Commerce (FICC). Dr. Peter Ramsauer, sowie der irakische Botschafter in Berlin, Dhia Al-Dabbass, begrüßten die etwa 200 Teilnehmer zu dem Forum und ermutigten sie, Nutzen aus den großen Potenzialen beim Wiederaufbau des Landes zu ziehen. Bei einer Bevölkerung von mehr als 36 Mio. Einwohnern und einer immer besseren Sicherheitslage, seien die Möglichkeiten enorm.
Eine hochrangige irakische Delegation war angereist. Und so sprachen neben Brigitte Zypries auch der irakische Minister für Planung, Salman Al-Jumayli, sowie der Minister für Elektrizität, Qasim Muhammad Al-Fahdawi, sowie der Präsident der NIC, Dr. Sami Al-Araji, auf dem Forum. Alle Redner verdeutlichten, dass unzählige Projekte derzeit in der Planung sind und deutsches Know-how dabei sehr gefragt ist.
Salman Al-Jumayli verwies auf die umfangreichen Entwicklungspläne, welche zuletzt von der Regierung erstellt wurden. In einem ersten Fünf-Jahres-Plan, der ab 2018 umgesetzt werden soll, stehe zunächst die Phase der Stabilisierung bevor. Dies bedeutet, dass Straßen geöffnet und die öffentliche Versorgung in allen Bereichen wiederaufgenommen werden müssen. Auch ein zweiter Fünf-Jahres-Plan, der die Zeit ab 2022 berücksichtig, sei bereits entwickelt worden. Diese umfassenden Pläne seien jedoch nur im engen Zusammenspiel mit lokalen, sowie internationalen Firmen und ausländischer Unterstützung umsetzbar. „Wir wollen hier der Privatwirtschaft die Gelegenheit geben, sich intensiv zu beteiligen“, erklärte der Minister mit dem Hinweis auf zahlreiche Wirtschaftsreformen, die einerseits Bürokratie abbauen und andererseits Rechtssicherheit schaffen sollen. Dr. Al-Araji gab daran anschließend einen Überblick über vorliegende Projekte im Irak. So seien in allen Provinzen derzeit 700 Projekte mit einem Gesamtwert von 63,03 Mrd. US-Dollar in der Umsetzung oder Planung.
Einer der wichtigsten Bereiche sei der Energie-Sektor, wie auch der irakische Energieminister Qasim Al-Fahdawi in seinen Darstellungen erläuterte. Die Regierung konzentriere sich hierbei bei auf drei verschiedene Bereiche: Produktion, Transport und Verteilung von Energie. Insbesondere was die Produktion angeht, soll künftig verstärkt auch der private Sektor beteiligt werden, erklärte der Minister und betonte, dass zuletzt bereits Erfolge erzielt worden seien. So ging erst kürzlich ein neues Kraftwerk nahe Bagdad ans Netz. Bis zu 3.000 Megawatt (MW) Energie können hier produziert werden. Dabei arbeitet die Anlage im Rahmen eines Build-Own-Operate-Vertrages unabhängig während der Staat erstmals den Strom kauft. Weitere solche Vorhaben entstehen derzeit in Basra, wie der Minister erklärte.
Dass Unternehmen, die in den Irak investieren, auf die Unterstützung der deutschen Bundesregierung zählen können, verdeutlichte die Bundesministerin Brigitte Zypries. „Das irakische Volk verdient alle Unter-stützung“, erklärte die Ministerin. Bereits Anfang dieses Jahres wurden Kredite zum Wiederaufbau im Wert von 500 Mio. Euro zugesagt. Bisher sind rund 50 Mio. Euro gezahlt worden; weitere 100 Mio. Euro sollen dieses Jahr noch folgen. Zypries verdeutlichte aber auch, dass die rechtlichen Rahmenbedingungen hierzu verbessert werden sollten und appellierte, dass die derzeit geplanten Reformvorhaben möglichst schnell umgesetzt werden. Dies betreffe insbesondere die Privatisierung staatseigener Unternehmen, sowie das Bankenwesen.
Der deutsche Botschafter in Bagdad, Dr. Cyrill Nunn, fügte hinzu, dass die deutsche Botschaft gerne als Ansprechpartner zur Verfügung steht. Er wies darauf hin, dass sich auch auf der Arbeitsebene zuletzt einiges getan habe. Das sei auch bei einem Arbeitstreffen am Tag zuvor klargeworden. Im Gespräch mit der hochrangigen irakischen Delegation, die zu dem Forum angereist war, seien wichtige Fortschritte gemacht worden, insbesondere beim Thema Finanzierungsmodelle.
Welche Möglichkeiten sich sowohl irakischen, als auch deutschen Unternehmen bei der Projektfinanzierung bieten, zeigte sich in der ersten Session. Nach der Begrüßung durch den Generalsekretär der Ghorfa, Abdulaziz Al-Mikhlafi, sprachen die Teilnehmer der Podiumsdiskussion über Financing and Investment. Die Nachfrage an Krediten sei groß, stellte zunächst Faisal Al-Haimus, Chairman and Acting CEO bei der Trade Bank Iraq, fest. Allein im vergangenen Jahr seien 2.700 Akkreditive registriert worden. In diesem Jahr seien es bereits 1.400 solcher Handels-Kredite gewesen. Der Bedarf werde auch weiter steigen, fügte Dawood Abd Zayer Al-Jumayli, Vorsitzender des Iraqi National Business Council, hinzu und verwies auf den hohen Konsum in dem Land. 150 Mio. US-Dollar werde seinen Angaben zufolge täglich für Konsumgüter ausgegeben, welche zu 90 Prozent in das Land importiert werden müssen. Viele internationale Banken stünden bereit, um mit Exportkrediten Investitionen in dem Land zu unterstützen. Die deutsche Euler und Hermes sei hierfür ein gutes Beispiel.
In ihren Vorträgen erklärten Joern Grabowski, Abteilungsleiter Mittlerer Osten bei Euler Hermes, Bahador Ghezelbash von der Commerzbank AG, sowie Ralph Eckle, Direktor der deutschen UniCredit Bank AG, welche Finanzierungsmodelle sich derzeit anbieten. Die Möglichkeiten seien hier zwar zahlreich, dennoch seien nach wie vor Reformen bei den rechtlichen Rahmenbedingungen notwendig, um Finanzgeschäfte nach internationalen Standards durchzuführen. Die Voraussetzungen für Reformen seien jedoch gut. So haben inzwischen alle Rating-Agenturen den Status des Landes auf stabil geändert, wie Ralph Eckle betonte.
Unter dem Titel „Doing Business in Iraq – Legal Frameworks“ tauschten sich die Teilnehmer der zweiten Session detailliert über rechtliche Rahmenbedingungen in dem Land aus. Das hochrangig besetzte Panel wurde von Dr. Kilian Baelz, Partner bei Amereller Rechtsanwälte mbB, moderiert. Dr. Sami Al-Araji erklärte zunächst, dass die Regierung insbesondere daran arbeite, die Rahmenbedingungen auch für Kleine und Mittelständische Unternehmen (KMUs) zu verbessern. „Die großen Unternehmen, wie Siemens, sind da. Wir suchen aber auch nach Partnerschaften für KMUs“, erklärte Dr. Al-Araji.
Dr. Rudolf Gridl, Abteilungsleiter im Bundesministerium für Wirtschaft und Energie fügte hinzu, dass die deutsche Bundesregierung solche Initiativen unterstützt. Er verwies auf die Zusage der Bundesregierung, Kredite im Wert von 500 Mio. Euro für den Wiederaufbau zur Verfügung zu stellen. Dass die deutsch-irakische Zusammenarbeit bereits gut sei, honorierte auch Jaafar Al-Hamadani, Präsident der Federation of Iraqi Chambers of Commerce und der Baghdad Chamber. Er versicherte, dass die insgesamt 18 Handelskammern in den einzelnen Gouvernoraten auch Partnerschaften mit deutschen Unternehmen aktiv unterstützen.
Mit Uwe Stupperich, General Manager, M.G. International Transports GmbH, und Peter Mayr, General Manager terramar GmbH, beteiligten sich zwei Unternehmensvertreter an der Diskussion, deren Firmen seit vielen Jahren im Irak tätig sind. Beide berichteten über ihre Erfahrungen in dem Land und bestätigten, dass sich die Bedingungen zuletzt stark verbessert hätten. Insbesondere durch das Investment Protection Law, die verbesserte Sicherheitslage und eine erstarkte Industrie.
Ein wichtiger Bereich für die deutsch-irakische Zusammenarbeit ist der Gesundheitssektor, wie in Session drei deutlich wurde. Dr. Hazem Al-Jumayli, Staatssekretär im irakischen Gesundheitsministerium, gab eine Einführung in die derzeitige Lage des Sektors. Insgesamt verfüge das Land über 44.821 Betten in 260 öffentlichen Krankenhäusern. Nachholbedarf gebe es zudem in der Pharmaindustrie. Nur 15 Prozent der Medikamente würden derzeit durch die inländische Produktion gedeckt. Dies biete vor allem ausländischen Unternehmen Investitionsmöglichkeiten, was genauso bei der Ausbildung von medizinischem Fachpersonal gilt. Das bestätigte die Professorin Dr. Intihar Ahmed Al Shmmari, Head of Business Administration der Al Mustansiriyah University: „Die Institutionen brauchen mehr Zusammenarbeit“, erklärte Al-Shmmari. Vorbild sei hier die Kooperation mit der Universität Er-langen-Nürnberg. Er verwies auf Prof. Dr. Dr. Sefik Alp Bahadir, Direktor des Wirtschafts-instituts der Universität Erlangen-Nürnberg, der seinerseits die gute Zusammenarbeit mit den irakischen Partnern hervorhob. Dass auch im Privatsektor große partnerschaftliche Projekte im Gesundheitssektor verwirklicht werden, zeigte Dr. Michael Fraenzel, Managing Director bei der Karl Kolb Gmbh & Co. KG. Über drei Büros, sowie Warenhäuser und eine eigene Infrastruktur verfügt das Unternehmen im Irak. Zahlreiche Universitätslaboratorien und andere Einrichtungen konnten dadurch schon ausgestattet werden.
Das Thema Infrastructure & Construction wurde schließlich in Session vier behandelt. Moderiert von Saeb Nahas diskutierten Dr. Dirk Jankowski, Managing Director, AJG Ingenieure GmbH, Amar Shubar, Partner bei Management Partners UAE, und Wamidh Al Mousawi, CEO von Aliedad General Construction, mit Dr. Al-Araji über Potenziale im Bausektor. Insbesondere der Wohnungsbau sei eine der ersten Prioritäten, erklärte Dr. Al-Araji, genauso müssen aber auch Straßen und Brücken wiederhergestellt und ausgebaut werden, sowie Schulen und die sanitäre Infrastruktur.
Insgesamt würden in jeder Provinz etwa 25.000 zusätzliche Wohneinheiten benötigt. Die Regierung werde dafür die Grundstücke zur Verfügung stellen, versicherte Dr. Al-Araji. Insgesamt werden die benötigten Investitionen zum Wiederaufbau vom Reconstruction Fund for Areas Affected by Terroristic Operations (REFAATO) auf 100 Mrd. US-Dollar geschätzt, erklärte Amar Shubar. Dabei entfielen den Schätzungen zufolge 22 Prozent des Geldes auf Bildung, 17 Prozent auf den Wiederaufbau von Straßen und Brücken und 16 Prozent auf den Energiesektor.
Angesichts des großen Bedarfs ging es in der fünften Session um Energieversorgung. Moderiert wurde die Diskussionsrunde von Uwe Hoermann, Partner bei der Roland Berger Holding GmbH. Der Minister für Energie, Qasim Al-Fahdawi, schilderte den Ernst der Lage: So sei eine stabile Energieversorgung nicht nur für den Wiederaufbau der Wirtschaft essentiell, sondern auch für die Menschen im Land. Zwar sei schon ein großer Teil der innerhalb des Irak Vertriebenen in ihre Häuser zurückgekehrt. Jedoch sei zu befürchten, dass diese ohne ausreichende Infrastruktur und ohne Elektrizität wieder auf Zelte angewiesen seien. Mit dem neuen Kraftwerk in Bagdad und der geplanten Anlage in Basra, sei schon eine Entspannung bei den Produktionskapazitäten zu sehen. In den befreiten Regionen ginge es aber auch darum, die Netze zur Verteilung wieder instand zu setzen. Unterstützung sei hierbei in jedem Bereich gesucht.
Auch die erneuerbaren Energien werden künftig eine Rolle spielen, erklärte der Minister und nannte in diesem Zusammenhang eine elektrische Leistung von 730 bis 1.000 MW. So plane die Regierung derzeit Solar-Anlagen. Windenergie sei hingegen kein Thema. Auf die Frage von Raad Alharis, Energy Advisor im Büro des irakischen Premierministers, welches die wichtigsten Schritte in den kommenden Jahren seien, verwies der Minister auf die zahlreichen Verträge, die zuletzt unterzeichnet wurden, unter anderem mit Siemens. Musab Alkateeb, CEO von Siemens im Iraq, bestätigte, dass das Unternehmen in verschiedenen Partnerschaftsprojekten mit der Regierung die Effizienz verschiedener Kraftwerke erhöhen werde. Erst kürzlich wurde beispielsweise ein Vertrag über die Installation von Gas-Turbinen in Khormala unterzeichnet.
Bjoern Luthardt, Managing Partner der Luthardt GmbH, fügte hinzu, dass es aber auch für KMUs Investitionsmöglichkeiten gebe, insbesondere im Hinblick auf den Be-reich erneuerbare Energien, sowie bei der Verteilung der Energie. Der Minister versicherte hierauf, dass es weitere Ausschreibungen für neue Kraftwerke geben werde.
Der Generalsekretär der Ghorfa, Abdulaziz Al-Mikhlafi, beendete das Forum mit einem Dank an die Teilnehmer. Die Anwesenheit so vieler hochrangiger Regierungsvertreter, sowie Unternehmer aus Deutschland und dem Irak bis in den späten Nachmittag hinein sei ein Zeichen dafür, dass die deutsch-irakischen Beziehungen auch in Zukunft eng sein werden.