Trotz der aktuellen Herausforderungen durch die Covid-19 Pandemie bot das 23rd Arab-German Business Forum für deutsche und arabische Vertreter aus Wirtschaft und Politik eine einzigartige Plattform für den Austausch und die Vernetzung. Vom 26.-28. Oktober kamen im Ritz Carlton Hotel in Berlin 100 Teilnehmerinnen und Teilnehmer zusammen. Viele andere – auch und gerade aus den arabischen Ländern – waren über die virtuelle Technik zugeschaltet. Wie in jedem Jahr hat die Ghorfa das Treffen in Zusammenarbeit mit der Union of Arab Chambers, dem DIHK und dem Saudi Center for International Strategic Partnerships organisiert. Partnerland war in diesem Jahr das Königreich Saudi-Arabien.
In seiner Begrüßungsrede brachte Dr. Peter Ramsauer MdB, Ghorfa-Präsident und Bundesminister a.D., seine Freude über die rege digitale wie auch persönliche Teilnahme zum Ausdruck. Die „unübertroffene Attraktivität des Forums“ erweise sich – auch in Zeiten von Covid-19 – als wichtigste Plattform für die arabisch-deutschen Geschäftsbeziehungen. Die Ghorfa zeige damit, dass sie auch unter schwierigen Bedingungen einen zuverlässigen Service zur Unterstützung deutscher und arabischer Unternehmen biete, so Ramsauer.
Peter Altmaier, Bundesminister für Wirtschaft und Energie, hatte erneut die Schirmherrschaft für die Veranstaltung übernommen. In seiner live übertragenen Keynote Speech betonte er die dringende Notwendigkeit zur Zusammenarbeit auch in schwierigen Zeiten. Im vergangenen Jahr habe das deutsch-arabische Handelsvolumen einen beeindruckenden Gesamtwert von 45 Milliarden Euro erreicht. Auch wenn dieser Wert in 2020 aufgrund von Covid-19 um einiges geringer ausfallen werde, so habe die Pandemie doch auch dazu geführt, dass reichere und ärmere Staaten in der Krise Solidarität gezeigt haben, um ihre Volkswirtschaften in gemeinsamer Anstrengung zu stabilisieren. Man müsse aber, so Altmaier, noch viel stärker und mit vereinten Kräften solche Maßnahmen auf den Weg bringen. Treffen zwischen Wirtschaft und Politik wie das Arab-German Business Forum seien daher wichtiger denn je.
Ein wichtiges Zukunftsfeld für die MENA-Region ist aus Sicht des Ministers zweifellos die Energie- und Klimapolitik. Die arabischen Staaten, die traditionell Öl und Gas fördern, könnten mit dem Thema Wasserstoff erfolgreich in neue Bereiche vordringen. Altmaier verwies hier insbesondere auf das diesjährige Partnerland Saudi-Arabien, mit dem die Bundesrepublik Deutschland hervorragende Wirtschaftsbeziehungen pflege. Altmaier lobte aus aktuellem Anlass die saudische Regierung für die hervorragend organisierte und stets konsensorientierte G20-Präsidentschaft Saudi-Arabiens.
Als Ehrengast des Forums sprach der Finanzminister des Königreichs Saudi-Arabien, Mohammed bin Abdullah Al Jadaan, über die aktuelle Wirtschaftslage. Er verwies auf die wirtschaftlichen Rückschläge, die mit Covid-19 einhergehen, lobte aber zugleich die gute Zusammenarbeit und die herausragende Rolle, die Veranstaltungen wie das Ghorfa Business Forum als Plattform zur weiteren Stärkung der arabisch-deutschen Kooperation einnähmen. Der Aufbau qualifizierter personeller Ressourcen, Technologietransfer und die Reform des Finanzsektors bedürften einer verstärkten Zusammenarbeit. Minister Al Jadaan stellte die großen Potentiale seines Landes in den Sektoren Tourismus, Petrochemie, Bergbau, Infrastruktur, Digitalisierung und künstliche Intelligenz sowie erneuerbare Energien heraus. Die Privatisierung in diesen Sektoren schreite erfolgreich voran. Trotz Covid-19 müssten in jedem dieser Sektoren die Programme wie geplant umgesetzt werden, auch um neue Beschäftigungsfelder für die überwiegend junge saudische Bevölkerung zu schaffen.
Auch Dr. Mustapha Adib, Dean des Arabischen Diplomatischen Corps und Botschafter der Republik Libanon, lobte die hervorragende Arbeit, die das Arab-German Business Forum im Bereich der wirtschaftlichen Zusammenarbeit und Vernetzung seit mehr als zwanzig Jahren leiste. Trotz der enormen Herausforderungen für alle Länder weltweit zeigte er sich fest davon überzeugt, dass sich in den deutsch-arabischen Beziehungen aus der Krise auch neue Chancen für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Partnerschaft auf Augenhöhe ergäben. Die arabischen Länder hätten auf die globale Covid-19-Pandemie mit schnellen und strengen Maßnahmen reagiert, so Adib, die sich wiederum auf die inländische Wirtschaftstätigkeit auswirkten. Gleichzeitig aber unternehme die Mehrheit der arabischen Volkswirtschaften erfolgreiche Schritte zu deren Diversifizierung. Das Know-how und die Investitionen deutscher Unternehmen trügen zu dieser Entwicklung bei. Deutschland könne mit seiner fortschrittlichen Industrie, seiner bekannt soliden Technologie und seinem dualen Bildungssystem als nützliches Vorbild fungieren. Die langfristigen Wirtschaftsbeziehungen zwischen deutschen und arabischen Unternehmen müssten deshalb weiter intensiviert werden, um gegenseitig vorteilhafte Chancen zu bieten.
Als ein weiterer Redner der Auftaktveranstaltung lobte der herausragende saudi-arabische Unternehmer Khaled Al Juffali die Arbeit der Ghorfa. Er bedankte sich bei Bundeswirtschaftsminister Altmaier für die unablässige Unterstützung. Die deutsche Wirtschaft könne zur Realisierung der großen Projekte im Rahmen der Vision 2030 viel beitragen. Der kontinuierlich wachsende Einfluss von Unternehmerinnen in Saudi-Arabien, die Öffnung des Landes für den Tourismus, neue Städte und riesige Infrastrukturprojekte sowie ein allgemein sehr unternehmerfreundliches Umfeld machten das Königreich zu einem attraktiven Partner. Der auch in diesem Jahr stetige Anstieg deutscher Exporte nach Saudi-Arabien zeuge von dieser Attraktivität und guten wirtschaftlichen Beziehungen, ebenso wie die zahlreichen neuen deutsch-saudischen Kooperationsprojekte.
In insgesamt sieben Panels wurden an den beiden Tagen des Forums aktuelle und zukunftsrelevante Themen bearbeitet. Ein wichtiges Thema war dabei die zukünftige Ausrichtung der deutsch-arabischen Zusammenarbeit im Angesicht der Covid-19 Pandemie. Traditionell erfolgreiche Industriezweige wie die Luftfahrt oder der Tourismussektor sehen sich derzeit enormem Druck ausgesetzt. Auch im Bereich der Technik werden wir Zeuge rasanter Veränderungen hin zu digitalen Technologien. Zugleich, so Dr. Mohammad Halaiqah, Chairman des Jordan Economic and Democratic Forum, habe man im Angesicht der Pandemie aber auch erkannt, dass vor allem die traditionellen Wirtschaftszweige wie die Landwirtschaft und Logistik und der medizinische Sektor von strategischer Bedeutung für die nationalen Volkswirtschaften seien. Im Start-up-Bereich innovativer Unternehmen liege viel Potential, das gehoben werden müsse. Dieses Thema hob auch Mark Hauptmann, Mitglied des Deutschen Bundestages, besonders hervor. Die Bundesregierung werde zu diesem Zweck einen Zukunftsfonds schaffen und diesen für die nächsten 10 Jahre mit bis zu 10 Milliarden Euro ausstatten. Weitere 20 Milliarden Euro sollen zur Sitzung von Start-up-Unternehmen mittels privater Investitionen hinzukommen, um Start-up-Unternehmen zu unterstützen.
Alle Panelteilnehmer waren sich einig, dass Digitalisierung, künstliche Intelligenz und die technologische Transformation, die sich aktuell in allen arabischen Staaten vollzieht, für die kommenden Jahre ein enorm großes Potential bieten. Die Covid-19 Pandemie hat beschleunigt, dass digitale Technologien in rasantem Tempo in Bereiche wie Mobilität, Transport, Gesundheitswesen oder Bildung vordringen. „Wer den Weg der Digitalisierung erst einmal eingeschlagen hat, erkennt schnell, wie einfach sich die Früchte der Arbeit ernten lassen“, so Tom Blades, Chairman of the Executive Board bei Bilfinger SE.
Das ist vor allem im Bereich Mobilität gut zu beobachten. Auf gleich zwei Panels wurde zu den Themen Transport und Logistik und der Zukunft urbaner Infrastruktur diskutiert. Nach Einschätzung von Dr. Mansour Alturki, Deputy Minister for Planning and Information im saudi-arabischen Ministry of Transport, geht der Trend zukünftiger Mobilität zunehmend weg vom privaten Autobesitz und hin zu smarten, nachfrageorientierten Tür-zu-Tür-Beförderungssystemen. Auch im Bereich der Logistik sieht man sich aufgrund der temporär stark zurückgegangenen Nachfrage einerseits und dem Ziel der CO2-Neutralität bis 2050 andererseits großen Herausforderungen ausgesetzt, die kreative, nachhaltige Lösungen einfordern. Michael Peter, CEO von Siemens Mobility, sieht einen Teil der Lösung in der Verlagerung von Gütertransporten auf die Schiene. Zudem werde sich die Technologie hin zu „sauberen“ Flugzeugen und Autos entwickeln. Transportsysteme müssten künftig noch besser vernetzt und um neue Technologien erweitert werden. Die dafür notwendigen Investitionen sollten trotz Covid-19 möglichst nicht aufgeschoben und Chancen der Digitalisierung und Clean Mobility genutzt werden.
Auch die Chancen und Entwicklungen im Energie- und Bergbausektor und in der petrochemischen Industrie wurden angeregt diskutiert. Hier sind die Gegebenheiten in den arabischen Ländern derzeit noch sehr unterschiedlich. Länder wie Saudi-Arabien und die VAE verfügen bereits über stabile, gut entwickelte Energienetze und beschleunigen den Ausbau von erneuerbaren Energien. Andere Länder wie der Irak haben hier noch viel aufzuholen. Der Aufbau von Energienetzen erfordert hier Zeit und erfolgreiche Kooperationen zwischen Unternehmen und Regierungen. Deutsche Unternehmen können hier wichtige Partner sein, wie Dietmar Siersdorfer, Middle East and UAE CEO bei Siemens Energy, betonte. So hat man bei Siemens zehn Prioritäten für den internationalen Prozess der Energiewende identifiziert. Eine davon ist der Zugang zu einer erschwinglichen und nachhaltigen Energieversorgung, die ein grundlegendes Menschenrecht darstelle. Weltweit haben 800 Millionen Menschen noch immer keinen Zugang zu Elektrizität. Als Energieunternehmen und als Gemeinden müsse man hier dazu beitragen, Abhilfe zu schaffen, so Siersdorfer.
Roland Kaeppner, Executive Director von NEOM, Saudi-Arabien, sprach sich gegen eine allzu „dogmatische Betrachtung von CO2“ und für die Einbeziehung einer größeren technologischen Bandbreite wie beispielsweise die Erzeugung von synthetischen Kraftstoffen als Übergangslösung ein. Damit eröffne sich ein weites Feld von erneuerbaren und konventionellen Energien mit großem Potential für deutsche und arabische Unternehmen, das ausgeschöpft werden sollte.
Auch Fragen von Finanzierung, Investments und des Know-how-Transfers wurden im Verlauf des Forums angeregt diskutiert.
In der hochrangig besetzten Schlussrunde diskutierten die deutschen Botschafter in Ägypten und Bahrain, Dr. Cyrill Nunn und Kai Boeckmann mit den bahrainischen und ägyptischen Botschaftern in Deutschland, Abdulla Abdullatif Abdulla und Khaled Mohamed Galaleldin Abdelhamid und Olaf Hoffmann, Vizepräsident der Ghorfa und CEO der Dorsch Holding GmbH über Zukunftsperspektiven der deutsch-arabischen Wirtschaftsbeziehungen. Alle Sprecher betonten das zukünftige Kooperationspotential und die unbedingte Notwendigkeit einer weiteren engen Zusammenarbeit. Mit einem Dank an alle Teilnehmer für „überaus bereichernden Beiträge und anspruchsvolle Fragen und Anmerkungen“ beendete Dr. Florian Amereller, Vorstands- und Präsidiumsmitglied der Ghorfa das Forum.