Die traditionell gute deutsch-arabische Zusammenarbeit im Bildungssektor gewinnt an Fahrt und birgt weiterhin großes Potenzial. Das war der Tenor auf dem 2. Deutsch-Arabischen Bildungsforum am 12. und 13. Oktober 2010 in Berlin. Wie im vergangenen Jahr, als das Bildungsforum zum ersten Mal gemeinsam von der Ghorfa und iMOVE veranstaltet wurde, nahmen gut 300 Experten aus Deutschland und der arabischen Welt an dem Event teil.
Ghorfa-Präsident Dr. Bach sprach von einer „bewährten Partnerschaft“. „Wir wollen, dass wir unsere erfolgreiche Zusammenarbeit in Zukunft fortsetzen“, sagte der Ghorfa-Präsident. Die Schirmherrschaft für das Forum hatte erneut Bundesbildungsministerin Prof. Dr. Annette Schavan übernommen. Ihr Haus steht auch hinter der Initiative iMOVE, die deutsche Unternehmen beim Bildungsexport unterstützt.
„In den vergangenen Jahren haben wir einen außergewöhnlichen Zuwachs der deutsch-arabischen Kooperationen im Bildungssektor erlebt“, erklärte Dr. Bach in seiner Eröffnungsansprache. Bildung sei in Deutschland und der arabischen Welt gleichermaßen von herausragender Bedeutung, weil damit die Basis für die künftige Entwicklung der Nationen geschaffen werde. Die Regierungen der arabischen Länder hätten dies erkannt und investierten daher massiv in den Ausbau und in die Modernisierung ihrer Bildungs- und Berufsbildungssysteme. Allein die Baukosten für die aktuellen Universitätsprojekte in der arabischen Welt summierten sich auf 36 Mrd. US-Dollar.
Diese Investitionen seien nötig, weil die Bevölkerungen in den arabischen Ländern sehr jung seien, sagte Dr. Bach. Deutschland stehe für Exzellenz im Bildungssektor. Dies gelte für das duale System der Berufsausbildung, aber auch für den universitären Bereich. In Ägypten, Jordanien und im Sultanat Oman hätten sich deutsche Hochschulen erfolgreich etabliert.
Doch dominierten, so Dr. Bach, bei den Universitäten in der Region weiter amerikanische, britische und französische Anbieter: „Hier müssen wir hart arbeiten, um die Lücke zu verkleinern“, sagte der Ghorfa-Präsident. Jeder deutsche Bildungsanbieter in den arabischen Ländern, jeder Universitätscampus, jeder arabische Student in Deutschland fördere die Beziehungen zwischen den Ländern und Menschen und stärke die Freundschaft.
S. E. Prof. Dr. Ossama Abdulmajed Ali Shobokshi, Botschafter des Königreichs Saudi-Arabien und Doyen des arabischen diplomatischen Corps in Deutschland, wies darauf hin, dass nach wie vor nur sehr wenige arabische und saudische Jugendliche in Deutschland studieren. Es gelte daher, gemeinsam zu überlegen, wie man dies ändern könne. Denn jeder arbische Student in Deutschland stelle ein Investment in die Zukunft der deutschen Wirtschaft dar.
Ausgesprochen positiv bewertete Prof. Shobokshi die Zusammenarbeit zwischen Deutschland und dem Königreich im Bereich der beruflichen Bildung. Es gebe eine Vielzahl deutscher Trainingsprojekte in Saudi-Arabien. Der Botschafter nannte in diesem Zusammenhang die Gesellschaft für Technische Zusammenarbeit (GTZ), die bereits seit 1967 in dem Königreich in der beruflichen Bildung tätig ist. Seit September 2009 betreibt die GTZ für die saudische Technical and Vocational Training Cooperation (TVTC) in der Hauptstadt Riad ein Lehrerausbildungsinstitut.
Nach den Worten von Dr. Helge Braun, parlamentarischer Staatssekretär im Bundesministerium für Bildung und Forschung, ist Deutschland besser durch die Wirtschaftskrise gekommen als die meisten anderen Länder. Grund seien die innovativen Produkte, die deutsche Unternehmen anbieten, und der hohe Bildungsstandard in Deutschland. Erst kürzlich habe die OECD dem dualen System in der Berufsausbildung ein hohes Niveau bescheinigt. Allerdings, so Dr. Braun, leide Deutschland infolge der demographischen Entwicklung unter einem ausgesprochenen Fachkräftemangel. Dieses Problem könne das Land nicht aus eigener Kraft lösen und bleibe daher auf die Zuwanderung qualifizierter Fachkräfte angewiesen.
Alle arabischen Länder ermutigte der Staatssekretär, nach dem Vorbild von Saudi-Arabien und Katar massiv in die Bildung und Ausbildung ihrer jungen Bevölkerung zu investieren. Deutsche Bildungsanbieter stünden bereit, die Länder beim Ausbau ihrer Bildungssysteme zu unterstützen.
An den beiden Veranstaltungstagen fanden fünf Sitzungen zu speziellen Themenkreisen statt. In Session 1 („Education Initiatives in the Arab World – Visions for the Future”) gab Dr. Mohammed Abdulaziz Al-Ohali, stellvertretender saudischer Bildungsminister, einen Überblick über die Entwicklung in der höheren Bildung in Saudi-Arabien. Danach hat im Zeitraum 1990 bis 2009 die Zahl der Universitäten von sieben auf 32 und die Zahl der Colleges von 83 auf 487 zugenommen. In Zukunft sollen 24 neue Universitäten und 48 neue Community Colleges hinzukommen. Der Schwerpunkt der Ausbildung liege in den Fächern Medizin, Ingenieurwissenschaften und IT.
Die German University in Cairo (GUC) hat nach Angaben des Kuratoriumsvorsitzenden Prof. Dr. Ashraf Mansour inzwischen rund 7400 Studenten. Die Hochschule sei sehr praxisorientiert und arbeite eng mit deutschen Firmen und Universitäten zusammen. Etwa zwölf Prozent der Studenten absolvieren ein Praktikum in Deutschland und anderen Ländern. Auch eine von der AHK angeführte Initiative in den VAE vermittelt Praktika für emiratische Studenten in deutschen Unternehmen, wie Dirk Demtroeder, COO von Ipic-Ferrostaal berichtete. Über das ägyptisch-europäische Reformprojekt im Technical and Vocational Education Training (TVET) informierte Mohamed Ahmed Helal, Direktor der ägyptischen TVET-Organisation. Das Projekt läuft seit 2001 und hat seitdem zahlreiche Maßnahmen durchgeführt.
In Session 2 (“Vocational Training – Costs and Benefits for Industry”) erklärte Saeb Nahas, Präsident der Nahas Enterprises in Damaskus, dass Investitionen in die Ausbildung der jungen Menschen in den arabischen Staaten sehr lohnend seien. Das duale System der Berufsausbildung bezeichnete er als „sehr interessant“, weil es den Einfluss der Industrie sichere. Dr. Hussein Omran, ehemaliger syrischer Botschafter in Deutschland und Berater des Syrian-German Business Council, sprach sich für „nachhaltiges Lernen“ und mehr Interaktion im Unterricht aus.
Dr. Günter Walden vom Bundesinstitut für Berufsbildung (BIBB) präsentierte eine Kosten-Nutzen-Analyse zur beruflichen Bildung in Deutschland. Danach übertrifft der Nutzen, den die Unternehmen aus der Ausbildung ziehen, die Kosten für die Ausbildung. Dr. Nader Imani von Festo Didactic stellte Projekte des Bildungsanbieters in Libanon, Syrien und Oman vor. Wie Martin Stöck von der Siemens AG erklärte, ist sein Unternehmen mit mehr als 10.000 Auszubildenden und Studenten, einer der größten Ausbilder in Deutschland: „Das ist die Basis für unsere Zukunft“, sagte Stöck.
Der Titel von Session 3 lautete „German-Arab Cooperation in the Vocational Training Sector – Partnership for Success”. Christian Staab-Schmidt von Lucas-Nülle berichtete über ein Projekt des Lehr- und Lernmittelherstellers im Irak. Konkret ging es um den Wiederaufbau eines Ausbildungsinstitutes (Lehrpläne sowie Planung und Ausstattung der Labore). Dr. Klaus Bader-Labarre von der deutschen Non-Profit-Organisation InWEnt informierte über eine Web-basierte E-Learning-Initiative zur Lehrerausbildung in den arabischen Ländern. Tina Völkers von der Renewables Academy (Renac) AG ging auf die weltweiten Ausbildungsangebote ihrer Firma im Bereich der erneuerbaren Energien ein.
Dr. Frank Renken von der Gesellschaft für technische Zusammenarbeit (GTZ) präsentierte das technische Wörterbuch arabterm.org, das gemeinsam von der Arabischen Liga und dem Bundesministerium für technische Zusammenarbeit (BMZ) herausgegeben wird. Imane Shoukry von der ägyptischen HEDO Group porträtierte die zu HEDO zählende Egyptian Welding Academy (EWA), ein Bildungsanbieter in der Schweißtechnik.
Die von Dr. Gabi Kratochwil (General Manager CrossCultures) moderierte Session 4 befasste sich mit dem Thema “Education and Vocational Training for Women in the Arab World – Empowerment for the Future”. Laut I. E. Dr. Zainab bint Ali bin Said Al Qasmiah, Botschafterin des Sultanats Oman in Berlin, hat sich die Rolle der Frauen in ihrem Land stark gewandelt. Bis 1970 war es Frauen nicht erlaubt, Schulen oder Universitäten zu besuchen. Heute sind 57 Prozent aller Studenten an Universitäten und Colleges weiblich. Sonia Zoghlami vom deutschen Bildungsanbieter gpdm erläuterte ein Qualifizierungsprogramm namens „Fatima“. Mit diesem Angebot richte sich gpdm speziell an Frauen aus der arabischen Welt. Durch ein spezielles Modulsystem passe es sich an den Bedarf von Frauen an. Tarek Abulzahab von der German Education and Training GmbH berichtete über ein Ausbildungsinstitut für Frauen, das die Firma im Jemen aufgebaut hat. Das Projekt sei nicht zuletzt deswegen erfolgreich, weil es soziale Aspekte und die Lebensumstände der Frauen berücksichtige.
Im Rahmen von Session 5 (“Cooperation in Higher Education – Ensuring Future Talents”) gab Prof. Dr. Günter Meyer (Universität Mainz) einen Überblick über das Engagement deutscher Hochschulen in den arabischen Ländern. Ein Vorteil deutscher Universitäten sei, dass der von ihnen angebotene Fächerkanon gut auf die Erfordernisse des Arbeitsmarktes zugeschnitten seien. Prof. Dr. Rolf Granow von der Fachhochschule Lübeck stellte das Angebot von Oncampus vor: E-Learning versorgt die Lernenden berufsbegleitend mit weitgehend individuell abrufbarem, multimedial und didaktisch aufbereitetem Lernmaterial über das Internet.
Die Universität Heilbronn bietet in Zusammenarbeit mit der Cairo University (CU) zwei wirtschaftswissenschaftliche Studiengänge in englischer Sprache an, die Prof. Dr. Elias Jammal vorstellte. Der Fokus liegt auf der arabischen Welt; auch die arabische Sprache gehört zum Curriculum. Klaus Stark vom Deutschen Akademischen Austausch Dienst (DAAD) präsentierte den Master-Studiengang „Integrated Water Resources Management“, der bereits zum vierten Mal gemeinsam von einer deutschen und einer arabischen Universität angeboten wird.
|