Bereits zum 14. Mal hat am 14. und 15. September das Arab-German Health Forum in Berlin stattgefunden. Es war das erste große Event der Ghorfa im Jahre 2021, welches nach langer Pause wieder mit persönlicher Beteiligung stattfinden konnte. Welche enorme Bedeutung der Gesundheitssektor und somit das Forum hat, wurde schon in den Eröffnungsreden deutlich. Dr. Peter Ramsauer, Präsident der Ghorfa und Bundesminister a.D. betonte, dass der Gesundheitssektor einer der Schlüsselsektoren in deutsch-arabischen Beziehungen sei und vielfältige Möglichkeiten für Kooperationen biete. Der libanesische Botschafter Dr. Mustapha Adib wies daraufhin, dass erfolgreiche Kooperationen und Partnerschaften die Grundsteine seien, auf denen aufgebaut werden müsse, wenn man künftigen globalen Gesundheitsherausforderungen gemeinsam begegnen wolle. Dr. Khaled Hanafy, Generalsekretär der Vereinigung der arabischen Industrie- und Handelskammern und Dean des Arabischen Diplomatischen Korps zeigte auf, dass Healthcare nicht nur ein zentrales gesellschaftliches und politisches Thema ist, sondern ebenso ein Bereich mit enormem wirtschaftlichen Potential, in dem weiters Wachstum erwartet wird. Der Wandel des Healthcare-Sektors in der arabischen Welt und insbesondere in Ländern wie den Vereinigten Arabischen Emiraten, Saudi-Arabien oder Ägypten eröffne großartige neue Märkte. Wichtig sei es nun, verschiedene neue Perspektiven einzunehmen und anstelle des klassischen Import/Export-Ansatzes im Healthcare Sektor strategische Allianzen zu formieren. Dieses neue Denken unterstrich auch Roland Göhde, der Vorstandsvorsitzende der German Health Alliance mit seinem Appell nach einer Stärkung der bilateralen Kooperationen in Kombination mit multilateralen Initiativen.
Panel: Vaccines and Pandemic Management Strategies: Lessons Learned and Ways forward
Wolf Schwippert, Rechtsanwalt bei Schwippert Law Office, moderierte das Panel „Pandemie Management Strategien“ sowie Impfungen. Dr. Saad Jaber, früherer Gesundheitsminister von Jordanien, bot dem Publikum einen aufschlussreichen Überblick über Jordaniens Pandemie-Management. Er verdeutlichte, dass Jordanien von Anfang an sehr proaktiv auf die Pandemie reagiert hat und die Kapazitäten des Landes hinsichtlich der medizinischen Ausrüstung und Personal schnell erhöhen konnte. Während das Land im März 2020 kaum über Tests, geschultes Personal oder Gesichtsschutz verfügte, wurden im August bereits täglich zehn Millionen Masken produziert sowie ca. 6.000 Ärzte und Pfleger im Umgang mit dem Corona Virus geschult. Die Impfkampagne hat Jordanien mit den Geflüchteten im Land begonnen; ein starkes Signal, dass in der Pandemie vorrangig die vulnerabelsten Gruppen geschützt werden müssen. Aktuell kämpft das Land gegen kursierende nachteilige Gerüchte und Vorurteile, um die Impfbereitschaft zu erhöhen und somit bis Oktober eine Impfquote von 60 Prozent zu erreichen.
Auch Prof. Mircea Ariel Schönfeld, ärztlicher Leiter der Abteilung für Neurorehabilitation der Kliniken Schmieder, schilderte seine Erfahrungen der letzten eineinhalb Jahre. Während zu Beginn vor allem schwerste Fälle behandelt wurden, wurde der Kreis der Patienten einige Wochen später auf jene ausgeweitet, die neben Atemwegsproblemen auch unter kognitiven Beschwerden wie Erinnerungsverlust, dem Fatigue Syndrom oder Konzentrationsstörungen litten. Insgesamt seien 20 bis 25 Prozent aller Patienten von „Long Covid“ betroffen, weswegen es die Herausforderung der nahen Zukunft sein wird, genügend „Post Covid“- Rehabiltiationsprogramme für diese Patienten anzubieten. Dr. Gebhard von Cossel, Mitglied der Geschäftsführung bei den Sana-Kliniken, lieferte interessante Einblicke in das Pandemie-Management der Klinik und die Funktionsweise eines Emergency Panels. Besonders hob er hervor, wie wichtig es ist, die gesammelten Daten landesweit zur Verfügung zu stellen und zu verknüpfen, da Networking nicht nur für die beste Behandlung des Patienten, sondern ebenso für das Festlegen einer nationalen Strategie absolut essentiell sei. Auch Thomas Görtler von Huber Health Care sprach über die Bedeutung der Digitalisierung, womit Abläufe vereinfacht und somit wertvolle Zeit gewonnen und Ressourcen geschont werden können. Diesen Ansatz verfolgte das Göppinger Unternehmen während Corona aktiv. Deswegen sei Huber Health eine der ersten Firmen gewesen, die über ein komplett digitalisiertes Impfprogramm verfügten.
Panel: Infrastructure, Production and Distribution of Pharmaceuticals in the Arab World
Bei diesem Panel, das von Tarek Antaki (Rödl & Parter) moderiert wurde, gab Herr Prof. Arndt Rolfs, Gründer von Arcensus, spannende Einblicke in die Möglichkeiten der Genomdiagnostik. Er verwies darauf, dass genetische Krankheiten eine extreme finanzielle Last für Gesundheitssysteme weltweit darstellen und somit auch die wirtschaftliche Entwicklung von Ländern negativ beeinflusst. Der Trend der Zukunft sollte in der Vorbeugung statt der Behandlung dieser Krankheiten liegen. Das könne heutzutage durch DNA-Analyse möglich gemacht werden. Der „Genetic Disease Testing Market“ habe neben der medizinischen Innovationskraft ein wirtschaftliches Potential von 2,3 Mrd. US-Dollar. Die Zukunft der Medizin liege im Zusammenspiel der Bereiche Healthcare, der digitalen Welt und der Pharma-Industrie. Durch den technologischen Fortschritt ergäben sich neue und innovative Möglichkeiten, die unsere modernen Gesundheitssysteme bestimmen werden. Auch elektronische Geräte, wie Smartphones oder Smart Watches werden demnach eine immer größere Rolle spielen. Das kommende Modell der Apple Watch werde in der Lage sein, den Blutzuckerspiegel des Trägers zu messen. Die Genetik ermögliche eine zunehmende Individualisierung der Medizin. Durch „Genome Testing“ hat man heute die Möglichkeit, in die einzelnen Zellen des Patienten zu blicken. Rolfs: „Die arabischen Länder bieten einen interessanten Markt für pharmazeutische Unternehmen. In manchen arabischen Ländern kommen genetische Krankheiten 40 bis 60 Prozent häufiger vor; deshalb sollte dort die Strategie sein, einerseits durch medizinische Aufklärung das entsprechende Bewusstsein, aber insbesondere eine Infrastruktur für Gentests zu schaffen.“
Panel: Innovation in Building, Planning and Managing of Healthcare Facilties
Nizar Maarouf moderierte ein Panel, das sich mit der Zukunft von „Healthcare Facilities“ beschäftigte. Agnes Mwagiru von Siemens Healthineers betonte, dass Technologie eine immer größere Rolle im Gesundheitswesen spielen wird und innovative Technologien wie „Artificial Intelligence“ oder „Augmented Reality“ Einzug in die Medizin halten werden. Um zu gewährleisten, dass die Technologien richtig genutzt werden können, müsse dementsprechend natürlich das medizinische Personal geschult werden. Auch Bernd Reck, Vizepräsident der Aesculap AG, prognostiziert, dass die Komplexität von Krankenhäusern aufgrund der Technologie steigen und sich die Rolle von Krankenhäusern in der Wertschöpfungskette verändern wird. Dr. Wichels, Managing Direktor von WMC Healthcare, sieht eine Entwicklung, in der Krankenhäuser mehr und mehr zum Anbieter von Infrastruktur werden, was mit der steigenden Komplexität einhergeht. Angesichts der demographischen Entwicklung in der arabischen Welt, dem stetigen Bevölkerungswachstum in Kombination mit steigender Lebenserwartung, finden im Healthcare-Sektor große Veränderungen statt, die viele Möglichkeiten für Kooperationen bieten. Deutschland habe in diesem Bereich sehr gute Chancen, da man viel Erfahrung darin habe, gute Gesundheitsvorsorge zu vernünftigen Kosten zu leisten. Dieses Konzept könne man auch in andere Länder exportieren. Außerdem genieße Deutschland großes Vertrauen in der arabischen Welt. Wichels: „Viele deutsche Firmen sind Familienunternehmen und an langanhaltenden Beziehungen interessiert, anstatt nur profitorientiert zu arbeiten, was diese Unternehmen zu wertvollen Partnern in der Region macht.“
Panel: The future of Healthcare Education
Die Zukunft und die Herausforderungen der Ausbildung im Gesundheitswesen war das Thema des Panels, das von Dr. Claus Biermann von „area9 Lyceum“ moderiert wurde. Einer der zentralen Aspekte war die Frage, wie man das Bildungssystem verändern sollte, um Entwicklungen wie dem Ärzte- und Pflegermangel entgegen zu wirken. Insbesondere in der arabischen Welt und in Afrika werden „Healthcare Workers“ dringend benötigt, weswegen ein effizientes und qualitativ hochwertiges Training von medizinischem Personal unabdingbar ist. Ein vielversprechender Ansatz ist das „Adaptive Learning“, der von den Teilnehmern des Panels als Zukunftstrend in der Healthcare Education definiert wurde. Mit dieser Methode ist gemeint, dass sich die Vermittlung von Wissen auf unterschiedliche Lernverständnisse, Lernerfolge und auf das Verhalten der jeweiligen Schüler einstellen dementsprechend anpassen können muss.
Eine weitere Herausforderung, die der Gefäßchirurg Prof. Mahdi Ahmed Kadry sieht, ist die mangelnde Verknüpfung von theoretischem Wissen und praktischer Anwendung. Stefan Wisbauer, Co-CEO von Lecturio, definierte als eine weitere Herausforderung, dass die Ausbilder in der Medizin zwar Experten auf ihrem Feld seien, aber in der Regel keine didaktische Ausbildung haben, worunter die Lehrqualität leide. Aus diesem Grund müssten neue Bildungsmodelle und Auswahlverfahren für medizinisches Personal gefunden werden. Der Pathologe Prof. Manfred Dietel von der Berliner Charité bemerkte, dass eines der fundamentalen Probleme zudem die vielfältigen und ständig wachsenden Informationsquellen seien, was es dem Einzelnen schwer mache, Informationen zu selektieren und „up to date“ zu bleiben. Wie man in diesem Spannungsfeld die richtige Balance finden kann, sei eine offene Frage, die es noch zu diskutieren gelte. „Klar ist jedoch, dass modernere, flexiblere Systeme benötigt werden – eine Reise, die mehrere Jahre brauchen wird,“ so Prof. Dietel.
Panel: Healthcare transformation
Dieses Panel, das von Dr. Murad Daghles moderiert wurde, beschäftigte sich mit der Frage der Digitalisierung und Technologisierung des Gesundheitswesens. Laila Al-Jassmi, CEO von Health Beyond Borders, betonte, dass der Healthcare Sektor in den Golfstaaten einen enormen Wandel durchläuft. Einerseits würden viele neuen Krankenhäuser gebaut und Medical Cities errichtet, weswegen der Bedarf nach qualifiziertem medizinischem Personal steige. Andererseits wachse die Bedeutung von „E-Health“. Die Onlinegesundheitsdienste und somit auch die ärztliche Beratung über das Internet verzeichneten ein starkes Wachstum. Zu den erwarteten Entwicklungen im E-Health-Bereich zählt die Implementierung von Technologien wie Aritificial Intelligence (AI), Big Data, Blockchain oder das Internet of Medical Things (IoMT). Auch Stefan Boeckle von Kliniken Schmieder bestätigte diese Entwicklung und wies auf die neuen Möglichkeiten hin, die diese Technik bieten. Die „Schmieder App“ beispielsweise könne von Corona-Patienten genutzt werden, um sich selbst während oder nach einem Krankenhausaufenthalt zu behandeln. AI sei eine vielversprechende Option, um schneller Diagnosen zu stellen und somit mehr qualitative Zeit mit dem Patienten zu haben. Ayman El-Hussein, der Country Manager von Siemens Healthineers Kuwait, bemängelte die starke Fragmentierung von Patientendaten. Dabei könnten in Form von Clouds alle Patientendaten gesammelt und den verschiedensten Gesundheitseinrichtungen schnell und einfach zugänglich gemacht werden. Auch Michaele Kehrer von VisitBerlin war der Meinung, dass digitale Angebote wie Apps eine vielversprechende Möglichkeit sind, um Patienten, die sich zur medizinischen Behandlung ins Ausland begeben, die Reise und Behandlung zu erleichtern.
Panel: PPP and Current Governmental Programmes
Daniel Schmalz, Senior Manager von KPMG, moderierte ein Panel, das sich mit Privat-Public-Partnerships (PPP) und der Gesundheitswirtschaft in der arabischen Welt beschäftigte. Die arabischen Länder stehen allesamt vor ähnlichen Herausforderungen in ihren Gesundheitssystemen. Dazu gehören ein zunehmendes Bevölkerungswachstum, lebensstilbedingte Krankheiten wie Diabetes und eine alternde Bevölkerung. Lange Zeit wurden die Kosten für medizinische Behandlungen von den Regierungen gedeckt, doch angesichts dieser demografischen Herausforderungen müssen neue Wege und Antworten gefunden werden. PPPs sind eine lukrative Möglichkeit, um die Last des Regierungssektors zu verringern, weswegen das Interesse an solchen nachhaltigen Partnerschaften in der Region immer weiter steigt. So hat Saudi-Arabien im Rahmen seiner Vision 2030 ein ambitioniertes Programm für die Beteiligung des Privatsektors gestartet. Im Verlauf des Panels wurde jedoch deutlich, dass es sich bei PPP nicht nur um einen Investitionsmechanismus handelt, sondern, dass PPP weit mehr Möglichkeiten mit sich bringen. So verfügt der Privatsektor beispielsweise über enorm viel technische Expertise und Innovationskraft und weiß, wie diese auch umgesetzt werden können. Um eine erfolgreiche PPP zu implementieren, ist es wichtig, nicht nur finanzielle Gesichtspunkte zu berücksichtigen, sondern ebenso dafür zu sorgen, dass das Projekt einen nachhaltigen positiven Effekt hat und die lokale Gemeinschaft langfristig davon profitiert. Langanhaltende Beziehungen, Vertrauen und Respekt sind die Grundsteine einer guten PPP, ganz nach dem Motto „Give in order to get“ – geben, um etwas zurückzubekommen.
Welche Trends die Private-Public-Partnerships im Gesundheitssektor beeinflusst haben, fasste Natalia Korchakova-Heeb in sieben Punkten informativ zusammen. Die Corona Pandemie beispielsweise hat der Lukrativität von PPPs keinen Abbruch getan, sondern diese ganz im Gegenteil weiter gestärkt. Insbesondere angesichts der Fortschritte in Technologie und medizinischer Behandlung ist die Kooperation der Sektoren sehr wichtig, da der Privatsektor über die Expertise hinsichtlich Trends, Entwicklungen und Innovationen verfügt, die dem öffentlichen Sektor fehlt. Frau Korchakova-Heeb sprach darüber hinaus von einer neuen Klasse PPPS, die im Zusammenhang mit digitalen Gesundheitslösungen stehen. In Saudi-Arabien beispielsweise sind massive „Private Sector Participation“ Projekte im Gesundheitswesen geplant. Das Ziel ist nicht nur die Behandlung von Patienten mithilfe von privaten Betreibern effizienter zu machen, sondern auch einige Risiken besser beheben zu können. Diesbezüglich können Privatpartner die Digitalisierung des Gesundheitswesens besser implementieren, die sich schnell entwickelnde Technologie planen und die Risiken der schwankenden Auslastung der Krankenhäuser optimieren. Die Erfahrung der lokalen Betreiber kann durch Partnerschaften mit internationalen Unternehmen massiv weiterentwickelt werden. Es bleibt jedoch eine Herausforderung, die richtigen Partner zu finden- eine Herausforderung, der mit Konferenzen wie dem Arab-German Health Forum begegnet werden kann.
Das 14th Arab-German Health Forum, das ganz im Zeichen der neuen Perspektiven und Möglichkeiten der deutsch-arabischen Kooperationen stand, hat durch die hochkarätigen Sprecher und Gäste die Bedeutung der Ghorfa als Plattform für Gesundheitswesen und -industrie unterstrichen. Bei unserem Forum durften wir nicht nur Diplomaten aus verschiedensten Ländern, sondern auch hochrangige angesehene, hatten die 120 Teilnehmer die Gelegenheit, die Inhalte des Tages noch einmal zu diskutieren und zu vertiefen. Ole Per Maaloey, Managing Director von Siemens Healthineers im Nahen Osten und Südafrika, hielt eine Dinner-Speech. Darin erläuterte er die Perspektiven der Kooperationen und Zusammenarbeit für Siemens Healthineers in der arabischen Welt.
Das 14th Arab-German Health Forum war ein wichtiger Beitrag zur Normalisierung der Arbeit der Ghorfa gegen Ende der Pandemie. Es bot unseren deutschen und arabischen Mitgliedern eine ausgezeichnete Möglichkeit, sich persönlich in Berlin zu treffen und sich auf persönlicher Ebene über die neusten Entwicklungen, Perspektiven und Möglichkeiten im Healthcare-Sektor auszutauschen. Das Forum wurde allseits als ein großer Erfolg und Re-Start für viele weitere Veranstaltungen verstanden, auf denen die deutsch-arabischen Beziehungen weiter vertieft und ausgebaut werden können.