„Der Gesundheitssektor ist eine der wichtigsten Säulen der deutsch-arabischen Wirtschaftsbeziehungen.“ Mit diesen Worten begrüßte der Generalsekretär der Ghorfa, Abdulaziz Al-Mikhlafi, erneut mehr als 250 Entscheidungsträger aus Wirtschaft, Politik und Wissenschaft zum deutsch-arabischen Gesundheitsforum. Bereits zum 11. Mal fand die Veranstaltung, die in Kooperation mit VisitBerlin organisiert wurde, statt. Hochrangige Gäste aus den arabischen Ländern, wie auch aus Deutschland bekräftigten bei der Opening Ceremony die gute Zusammenarbeit zwischen Deutschland und den arabischen Ländern im Gesundheitssektor, sowie die Bedeutung dieses Sektors für die Volkswirtschaften.

Nicht nur in den Bereichen Wissenstransfer und Handel ist der Sektor ein wichtiger Wachstumstreiber. Auch der Gesundheitstourismus sei eine wichtige Säule der arabisch-deutschen Kooperation. Das gelte insbesondere auch für die Vereinigten Arabischen Emirate, wie Ali Abdulla Al-Ahmed, Botschafter der VAE in Berlin als Vertreter des diesjährigen Partnerlandes, in seiner Keynote deutlich machte. Allein aus dem Emiraten seien im vergangenen Jahr um die 6.000 Patienten für Behandlungen nach Deutschland gekommen, sagte der Botschafter. Er verdeutlichte zudem, dass im Rahmen der Vision 2030 die Potenziale für deutsch-emiratische Kooperationen in dem Sektor noch weiter ansteigen werden.

Der libanesische Botschafter in Berlin und Doyen des arabischen diplomatischen Korps, Mustapha Adib, bestätigte diese Einschätzung. Angesichts der rasant wachsenden Bevölkerung und weiterhin zunehmenden Volkskrankheiten, wachse auch der Bedarf an medizinischer Versorgung was ein enormes Wachstum des Marktes mit sich bringt. Nach den neusten Zahlen würden die Ausgaben in diesem Bereich bis 2022 allein in den GCC-Staaten von derzeit 76,1 Mrd. US-Dollar auf 104,6 Mrd. US-Dollar in 2022 ansteigen. Er lobte außerdem die Beziehungen als sehr freundschaftlich und nannte als gutes Beispiel die Zusammenarbeit im Bildungssektor. In zahlreichen Programmen würden arabische Ärzte in Deutschland zu Fachärzten ausgebildet.

Von den guten Beziehungen in dem Sektor würden beide Seiten profitieren, erklärte Ralf Ostendorf, Director Market Management bei VisitBerlin. Immerhin sei die Gesundheitswirtschaft auch in Deutschland eine der wichtigsten Branchen. 12 Prozent trägt sie zum Bruttoinlandsprodukt bei und beschäftigt sieben Mio. Menschen. Dabei sei gerade die Gesundheitsbranche in Berlin zunehmend international und habe sich mit der Initiative „Health excellence – Medizinhauptstadt Berlin“ von VisitBerlin zu einer Spitzendestination entwickelt. „Die Regierung von Berlin unterstützt ausdrücklich Medizintourismus und Gesundheitsindustrie“, fügte er hinzu.

In den letzten Jahren seien vor allem arabische Gäste vermehrt nach Berlin gekommen, wie auch Boris Velter, Staatssekretär für Gesundheit im Berliner Senat, bestätigte. Er verwies darauf, dass Berlin hervorragende Standort-Bedingungen für den internationalen Medizintourismus, wie auch für die Gesundheitsindustrie allgemein, bietet. Insgesamt 130 Krankenhäuser und Ärztezentren, 70 Reha-Zentren, 22.000 Krankenhausbetten, 9.200 Ärzte sowie 900 Apotheken und 35 Forschungszentren bieten Potenziale nicht nur für den Medizintourismus, sondern auch für Ausbildung und Kooperationen. Er erklärte: „Das 11. Arab-German Health Forum wird dazu beitragen, die arabisch-deutsche Zusammenarbeit im Gesundheitssektor weiter auszubauen.“

In insgesamt sechs Sessions diskutierten die Teilnehmer des Forums über die aktuellen Entwicklungen des Marktes, Hauptschwerpunkte waren hierzu die beiden Themen Gesundheitstourismus und die Effekte von Sport sowie der aktuelle Stand der Technik und Möglichkeiten des Wissenstransfers.

In Session eins standen zunächst die VAE im Zentrum der Debatte, wobei auch hier der Gesundheitstourismus ein Schwerpunktthema war. Dass die Emirate anstreben, ein regionaler und auch überregional bekannter Anlaufpunkt für Medizintourismus zu werden, zeigen diverse Großprojekte. So entsteht beispielsweise in Sharjah eine Healthcare City, welche nach dem Prinzip einer Free Zone besonders attraktive Investitionsbedingungen auch für ausländische Unternehmen bietet. Dr. Abdel Aziz Al Mheiri, Director der Sharjah Health Authority, machte in seiner Präsentation deutlich, dass Sharjah im Gesundheitsbereich bereits wichtige internationale Standards einhält und übertrifft. Dementsprechend wurde das Emirat auch von der Welt-Gesundheitsorganisation (WHO) akkreditiert.

Dass mit dem Aufbau solcher Healtcare Cities auch deutsche Technologie gefragt ist, veranschaulichte Hermann Kamp, CEO der ClinicAll Germany GmbH. So werde die Softwarelösung zum digitalen Management der Patientendaten von ClinicAll bereits in einigen Krankenhäusern der Region genutzt. „Es ist sehr beeindruckend, was in den emiratischen Krankenhäusern bereits digital umgesetzt wird“, erklärte Kamp und fügte hinzu, dass noch einiges in diesem Bereich möglich sei.

Wie groß das Vertrauen in deutsche Gesundheitstechnologie ist, zeige sich aber auch an den Tourismuszahlen. So hätten allein im vergangenen Jahr mehr als 6.000 emiratische Patienten rund 225 Mio. Euro in Deutschland ausgegeben, wie Abdullah Bin Nasser, Medical Attaché im Generalskonsulat der Vereinigten Arabischen Emirate in Deutschland, erklärte. Die emiratische Botschaft in Berlin sowie die Konsulate in München und Bonn stünden hier beratend bereit.

Insbesondere Berlin biete internationale Gäste ein ideales Umfeld für Behandlungen von Weltklasse. Mehr als 21.000 ausländische Patienten nutzen nach Angaben von Michaela Kehrer, Medical Tourism Manager bei VisitBerlin, die hervorragende Versorgung durch 90 Krankenhäuser mit 9.200 Ärzten und 40.000 Krankenpflegern in der deutschen Hauptstadt.

Der Botschafter selbst verfolgte die Debatte. Jedoch mahnte er an, dass die bürokratischen Hürden für Gesundheitstouristen in Deutschland weiter abgebaut werden könnten.

Eine Lösung hierfür zeigte sich in der zweiten Session, in welcher, moderiert von Prof. Dr. Dr. Franz Peren von der Universität Bonn-Rhein-Sieg, der Gesundheitstourismus im Allgemeinen diskutiert wurde. So sei Zertifizierungen ein wichtiges Element um den Gesundheitstourismus effektiv und transparent zu gestalten, wie Feridoon Sergizzarea, General Manager von TÜV Inter Cert GmbH, in seiner Präsentation veranschaulichte. Mariam Ozod-Hamad von Vivantes International Medicine bestätigte diesen Eindruck. Als erstes unter dem Label „Quality Medical Tourism“ zertifizierte Klinik habe Vivantes bisher gutes Feedback bekommen. Zudem konnten durch die Zertifizierung die internen Prozesse verbessert werden, wie Ozod-Hamad sagte.

Dr. Waleed Khalifa Al Manea, Undersecretary im Ministerium für Gesundheit in Bahrain hatte mit einer Keynote die zweite Session eingeleitet. Dabei veranschaulichte er, welche Potenziale der Gesundheitssektor in der GCC-Region für deutsche Unternehmen hat. So gehöre Bahrain, wie alle Staaten des Golfkooperationsrates, zu den Ländern mit den höchsten Risikofaktoren für chronische Krankheiten, die durch schlechten Lebensstil hervorgerufen werden, erklärte Al Manea und fügte hinzu: „Die Rollte der privaten Gesundheitsanbieter zu stärken ist eine nationale Priorität und der regulatorische Rahmen wird daher derzeit angepasst, um Investitionen in dem Bereich zu begünstigen.” Schon heute verfügt Bahrain über einen sehr liberalen Markt, wie der Staatssekretär bekräftigte. So ist kein bahrainischer Shareholder nötig um ein Unternehmen zu gründen.

Bereits heute sind viele deutsche Unternehmen in der Region tätig. Beispiele für die gute Zusammenarbeit gaben Eva Kluge, Director of Sales and Business Development der Air Alliance Medflight GmbH und Dr. Carl Fuerstenberg vom SRH Klinikum Karlsbad. Immer komplexere Behandlungen seien beispielsweise bei Operationen an der Wirbelsäule möglich. Auch für arabische Patienten bieten beispielsweise die SRH Kliniken Karlsbad in Deutschland optimale Behandlungen Auch sei der Transport von Patienten ein zunehmend wichtiges Geschäft angesichts der zunehmenden Globalisierung und dem wachsenden Markt für Gesundheitstourismus. Von letzterem möchte beispielsweise auch Ägypten profitieren, wie Prof. Dr. Gamal Saied von der Cairo University veranschaulichte.

Erstmals bei einem Ghorfa-Gesundheitsforum wurde am zweiten Konferenztag das Thema Sport und Medizin in den Fokus gerückt. In gleich zwei Sessions des zweiten Konferenztages konnten sich die Teilnehmer mit renommierten Experten hierzu austauschen. Dabei wurde deutlich, dass Bewegung und Sport eines der wichtigsten Zukunftsthemen in der arabischen Welt ist. Aufgrund des Klimas und mangelnder Angebote sei Bewegung nach wie vor Mangel und ein Hauptgrund für die zunehmenden gesundheitlichen Probleme wie Fettleibigkeit.

Einig waren sich die Experten in beiden Panels, dass besonders durch gezielte Ernährung und individuelle Beratungen nicht nur die Heilung vieler Leiden herbeigeführt werden kann, sondern auch Krankheiten vorgebeugt und so die Leistungsfähigkeit der Gesellschaft gesteigert werden kann. Dr. Markus Neumann, Boardmember der German Healthcare Partnership, moderierte zunächst die dritte Session zum Thema „Mass Sport and Rehabilitation“, in welcher die mehrmalige Olympiasiegerin Maria Hoefl-Riesch über ihre Erfahrungen in dem Bereich berichtete.

Nicht nur während ihrer aktiven Karriere war die Ernährung ein wichtiger Bestandteil des erfolgreichen Trainings der Ausnahmeathletin. Auch heute sei diese wichtig, um gesund zu bleiben. Die ehemalige Skirennläuferin verfolgt hierbei insbesondere die Therapie nach dem Lans Med Concept, welches auf den Prinzipen des Arztes F. X. Mayr aufbaut und in den Medizin-Resorts von Lanserhof entwickelt und angewendet wird. Dabei gehe es darum, individuell ein ganzheitliches Konzept von Ernährung, Bewegung und Erholung zu gestalten, wie Dr. Elke Benedetto-Reisch, medizinische Direktorin des Lanserhof am Tegernsee, erklärte. Die Ansätze der individuellen Ernährungsberatung seien auch im Breitensport wichtig, wie Philipp Wessely, Gründer der Beratungsfirma Life is Motion, bestätigte. Er betonte, dass die allgemeine Gesundheitsvorsorge viel vom Profisport lernen könne.

Schon seit 2007 wird in Katar verstärkt auf Sportförderung gesetzt. Damals eröffnete mit der Aspire Zone ein Schlüsselprojekt in der Region. „Wir begleiten Athleten bei ihrem Weg, ihr Maximum an Performance zu erreichen, um bis 2020 eine weltweit führende Position im Bereich der Sportmedizin und Bewegungswissenschaft zu erreichen“, erklärte Dr. Khalid Al Khelaifi, Operateur am Aspetar Hospital in der Aspire Zone, die Vision der Einrichtung, und verwies auf die großen Sportveranstaltungen, welche demnächst in Katar stattfinden werden. Diese hätten immer auch einen positiven Effekt auf die Gesellschaft eines Landes, da die Bürger motiviert würden, selbst sportlich aktiv zu werden. Tatsächlich wird die Aspire Zone nicht nur von Top-Athleten aus der ganzen Welt besucht, sondern auch von normalen Bürgern, für die die Sportstätten zugänglich sind.

Sportmedizinisch relevant ist in Qatar aber nicht nur die Aspire Zone. Auch das Anti Doping Lab Qatar hat bereits über die Grenzen hinweg Bekanntheit erlangt, wie Dr. Mohammed Alsayrafi, General Manager des Labors, in seiner Präsentation veranschaulichte.

Dass der neue Sport-Enthusiasmus in der Region ausgenutzt werden müsse, verdeutlichte Marcus Höfl, CEO der MHM Group, in Session vier. Sponsoring, Medien, Verbände und die Gesellschaft müssen zusammengebracht werden, erklärte Höfl und stellte erneut klar, dass Sport gesamtgesellschaftlich relevant ist. „Sport und Gesundheit sind eng miteinander verknüpft und Sport reduziert die Kosten für Gesundheit“, sagte der Manager.

Nach wie vor die wichtigste Branche in den arabisch-deutschen Wirtschaftsbeziehungen ist der Technologie-Sektor. Das gilt besonders auch im Bereich Gesundheit, weshalb sich die fünfte Sesssion mit diesem Thema befasste. Jad Ayoub, Managing Director bei Bioscentia International, moderierte die Diskussion. Dabei waren sich die Experten einig, dass verlässliche Medizintechnik nicht nur in den reicheren arabischen Staaten stark nachgefragt wird, sondern insbesondere in den von Krisen geprägten Ländern dringend benötigt werde. Mit Lösungen im Bereich e-Health könne hier sehr viel erreicht werden, erklärte Prof. Dr. Dr. Fried Oelschlegel, Chairman von Germed Ltd. So könne durch das Internet und moderne telemedizinische Verfahren effektiv Know-how in die Region transferiert werden.

Aber auch technische Lösungen können helfen, wie die mobile Mobilitätsstation von PS Trade veranschaulichte. Christian Schneider, Managing Director bei PS Trade erklärte die Technik hinter dem autonomen und mobilen Anhänger, in welchem ambulante Behandlungen sowie Untersuchungen durchgeführt werden können und lud die Teilnehmer der Session ein, die Station vor dem Hotel zu besuchen. Ebenso vor Ort zu besichtigen war der Da Vinci Operationsroboter, welchen Prof. Dr. Ahmed Magheli, Direktor der Urologie im Vivantes Klinikum, vorstellte. Die Operationstechnik mit dem hochmodernen Gerät sei minimalinvasiv, also besonders schonend für den Patienten. Damit könne nicht nur die Infektionsgefahr nach einer Operation verringert werden, sondern auch die Regenerationszeit, erklärte er die Vorteile der Technik.

Prof. Dr. Mahdi Kadry erinnerte daran, dass trotz aller technischer Fortschritte Training und Forschung in der Region wichtig seien. Die ethischen Grundsätze der medizinischen Berufe erfordern es, dass auch in den Entwicklungsländern Unterstützung in dem Bereich geleistet werden müsse. „Forschung muss dort stattfinden, wo sich Krankheiten ausbreiten“, erklärte der Mediziner.

Wie dieser Anspruch in der Praxis umgestzt werden kann, darüber diskutierten die Teilnehmer der Session sechs. Im Detail ging es daher um die Gewährleistung einen effektiven Wissenstransfer in die Region. Weitergabe von Know-how sei das wichtigste Thema in den deutsch-arabischen Beziehungen, erklärte der Moderator Jürgen Hogrefe, „denn das Thema hilft dabei, das gesamte System zu überdenken“.

Dabei sei es wichtig, das Wissen über Technik und Behandlungsmethoden nicht kommentarlos weitergegeben werde, wie aus dem Vortrag von Prof. Dr. Wolfgang Harth, Direktor der Dermatologie am Vivantes-Klinikum, und Dr. Yasmeen Alwaheed, hervorging. Auch andere Aspekte müssen beim Wissenstransfer berücksichtigt werden. „Einfach nur kopieren und einfügen funktioniert nicht, da die Menschen und die Kulturen unterschiedlich sind“, erklärte Stefan Friedrich, Partner im Bereich Healthcare bei KPMG, während der Diskussion. Dr. Anwar Obeidat, CEO von Madina International Trading bestätigte diese Einschätzung. Die Erfahrungen und Umstände in den arabischen Ländern sind vielfach anders, einige der Beteiligten sind noch nie in einer größeren Stadt gewesen“, gab Obeidat zu bedenken. Hier müsse dringend auch weiterhin ausgebildet werden.

Herr Jürgen Hogrefe dankte den zahlreichen Anwesenden die bis zum letzten Panel geblieben waren. Das gut organisierte Forum sei erneut sehr erfolgreich gewesen und habe auch vielfältige Weise die Potenziale, aber auch die bevorstehenden Hürden der deutsch-arabischen Kooperation im Gesundheitsbereich aufgezeigt. Mit einer Einladung zum Business Forum im Juni beendete er das Forum.

Für weitere Informationen: www.health.ghorfa.de