„Der Gesundheitssektor ist eine der wichtigsten Säulen der deutsch-arabischen Wirtschaftsbeziehungen.“ Mit diesen Worten begrüßte der Generalsekretär der Ghorfa, Abdulaziz Al-Mikhlafi, am Mittwoch, den 22. März, mehr als 250 Entscheidungsträger aus Wirtschaft, Politik und Wissenschaft zum deutsch-arabischen Gesundheitsforum. Bereits zum 10. Mal fand die Veranstaltung, die in Kooperation mit VisitBerlin organisiert wurde, statt. Der Generalsekretär der Ghorfa, sowie Burkhard Kieker, CEO von VisitBerlin, begrüßten die Gäste zu dem Forum, das unter der Schirmherrschaft des regierenden Bürgermeisters von Berlin, Michael Müller, stand. Hochrangige Gäste aus den arabischen Ländern, wie auch aus Deutschland bekräftigten bei der Opening Ceremony die gute Zusammenarbeit zwischen Deutschland und den arabischen Ländern im Gesundheitssektor, sowie die Bedeutung dieses Sektors für die Volkswirtschaften.
So erklärte Dr. Amr Abdelhady Sharaf, Generalsekretär des Higher Committee of Medical Specialities am Gesundheitsminsterium der Arabischen Republik Ägypten, dass Gesundheit die Grundlage jeder Volkswirtschaft sei. Er stellte klar, dass nur mit einem guten Gesundheitssystem Volkskrankheiten, aber auch ansteckende Krankheiten wie Hepatitis effektiv bekämpft werden können. Ägypten habe hierfür besondere Anstrengungen unternommen und werde auch in Zukunft große Investitionen tätigen.
Der bahrainische Botschafter in Berlin und Doyen des arabischen diplomatischen Korps, Ebrahim Mahmood Abdulla, bestätigte diese Einschätzung und fügte in seiner Rede hinzu, dass der Gesundheitssektor nach wie vor großes Potenzial für die deutsch-arabischen Wirtschaftsbeziehungen beinhaltet. Angesichts der rasant wachsenden Bevölkerung und weiterhin zunehmenden Volkskrankheiten, wachse auch der Bedarf an medizinischer Versorgung.
Auch Nael Al-Kabariti, Präsident der Generalunion der arabischen Handelskammern, betonte in seiner Rede, dass Investitionen in das Gesundheitssystem nicht nur wirtschaftlich sinnvoll und von großer Bedeutung sind. „Gesundheit ist einer der wichtigsten Sektoren, weil sie das Leben der Menschen direkt berührt und ihre Lebensqualität maßgeblich verbessert“, erklärte Al-Kabariti. Er lobte außerdem die Beziehungen als sehr freundschaftlich und nannte als gutes Beispiel die Zusammenarbeit im Bildungssektor. In zahlreichen Programmen würden arabische Ärzte in Deutschland zu Fachärzten ausgebildet.
Von den guten Beziehungen in dem Sektor würden beide Seiten profitieren, erklärte die Bundestagsabgeordnete Mechtild Rawert. Der Dialog fördere das gegenseitige Verständnis. „Er ebnet Wege für die Wirtschaft, aber auch für das kulturelle Verstehen und die Freundschaft“, sagte die Abgeordnete bei der Eröffnungszeremonie. Immerhin sei die Gesundheitswirtschaft auch in Deutschland eine der wichtigsten Branchen. 12 Prozent trage sie zum Bruttoinlandsprodukt bei und beschäftigt sieben Mio. Menschen. Dabei sei gerade die Gesundheitsbranche in Berlin zunehmend international und habe sich mit der Initiative „Health excellence – Medizinhauptstadt Berlin“ von VisitBerlin zu einer Spitzendestination entwickelt. In den letzten Jahren seien vor allem arabische Gäste vermehrt nach Berlin gekommen, wie auch Boris Velter bestätigte. Er verwies darauf, dass Berlin mit den Vivantes-Kliniken, sowie mit der Charite und dem deutschen Herzzentrum Berlin hervorragende Bedingungen für den internationalen Medizintourismus bieten. Jährlich kommen bis zu 21.000 ausländische Patienten in die Hauptstadt und das soll weiter ausgebaut werden: „Das 10. Arab-German Health Forum wird dazu beitragen, die arabisch-deutsche Zusammenarbeit im Gesundheitssektor auszubauen.“
Hochkarätige Podiumsdiskussionen liefern Informationen aus erster Hand
Nachdem bereits in der Opening Ceremony die großen Potenziale des Gesundheitstourismus, sowohl in Deutschland als auch in den arabischen Ländern angeklungen war, widmete sich die Session 1 diesem Thema tiefergehend. Unter dem Ttitel “Medical Tourism: Travels for High-Class Treatment and Care” diskutierten Olaf Seiche (Business Manager, TÜV Rheinland), Anna Kinghorne (Head of International Office, Unfallkrankenhaus Berlin), Prof. Dr. Karsten Dreinhoefer (medizinischer Direktor, Medical Park Berlin Humboldtmühle) und Burkhard Kieker, welche Eigenschaften eine erstklassige medizinische Destination ausmachen und was ausländische Patienten zu einem Gesundheitssystem beitragen können.
Durch die weltweite Vernetzung sei auch der Gesundheitstourismus weltweit auf dem Vormarsch, erklärte die Moderatorin Doreen Chung (Project Manager, Health Tourism visitBerlin) zu Beginn der Session. Berlin habe sich international aber eine gute Position erarbeitet. So seien in Berlin nicht nur der medizinische Standard besonders hoch, auch die Rahmenbedingungen seien ideal, erklärte Burkhard Kieker: „Berlin ist mit mehr als 100 vertretenen Nation besonders weltoffen und bietet Kultur an 24 Stunden und 7 Tagen pro Woche“, sagte Kieker. Prof. Dreinhöfer fügte hinzu, dass Rehabilitation ein immer wichtigerer Teil des Medizintourismus sei und in Berlin seien die Möglichkeiten angesichts zahlreicher Parks, der Natur in der Umgebung und dem milden Klima zur Genesung besonders gut.
Die steigende Zahl an Ärzten arabischer Herkunft in Deutschland sei ein weiteres Argument für arabische Gäste, nach Deutschland zu kommen. Von den vielen arabischen Ärzten in Deutschland profitieren aber auch die arabischen Länder selbst, wie Dr. Reinhard Wichels während der zweiten Session erklärte. Unter dem Titel „Healthcare Solutions for Medical Centers” diskutierte er mit Dr. Michael Ruf (Spine Surgeon, SRH Klinikum Karlsbad-Langensteinbach), Dr. Saad Baradiy (Consulting Engineer, Iproplan Planungsgesellschaft) und Thomas Willemeit (CEO, GRAFT) insbesondere über den Stellenwert von Bildung und Managment im Gesundheitssektor. Die Verschränkung dieser Elemente sei essentiell, waren sich die Experten einig. Besonders wichtig beim Bau eines Krankenhauses sei es deshalb, dass die Systeme selbsterhaltend sind, und die Anwender auf sie geschult sind, wie Dr. Reinhard Wichels in der Diskussion erklärte.
Mit dem Galadinner endete der erste Tag des Forums. Peter Ramsauer, Präsident der Ghorfa, begrüßte die Gäste zu dem Abendessen im Hotel Adlon und betonte seinerseits, dass der Gesundheitssektor nicht nur wirtschaftlich einer der wichtigsten Sektoren sei. „Gesundheit trägt zur Wohlfahrt bei und das betrifft das Leben eines jeden einzelnen“, erklärte Ramsauer und fügte hinzu: „Gesundheit muss in unseren Herzen sein.“
Zwei Frauen, die in besonderer Weise für die Verbesserung des Gesundheitswesen einstehen, wurden schließlich bei dem Galadinner geehrt. In besonderer Weise würden Dr. Naifah M. Hamoudah Al-Shalan, (Fachärztin für plastische Chirurgie und Mitglied des medizinischen Dienstes der saudischen Botschaft in Berlin) und Dr. Layla Al-Ishaq (German Board Certified) für die deutsch-arabischen Beziehungen im Gesundheit einsetzen, erklärte Ebrahim Mahmood Abdulla in seiner Laudatio.
Auch am zweiten Tag bot das Forum neben vielen Gelegenheiten für B2B-Meetings Informationen aus erster Hand in zahlreichen Podiumsdiskussionen. Mit der Entwicklung des Gesundheitssektors in den Staaten des Golfkooperationsrates beschäftigte sich insbesondere die dritte Session. So wies Dr. Carsten Tschoepe (Vice Director, Cardiology and Pulmonology Charité) zunächst darauf hin, dass Herzmuskelerkrankungen in den GCC-Staaten nach wie vor überdurchschnittlich häufig vorkommen. Die Staaten seien hier auf einem Niveau, wie Deutschland vor ungefähr zehn Jahren. Moderne Behandlungs- und vor allem Analysemethoden, könnten diese Situation allerdings signifikant ändern. Um die Analyse von Herzmuskelerkrankungen effizienter zu machen, biete die Charite an, Proben per Post entgegenzunehmen und so die Behandlungszeiten enorm zu reduzieren. „Es ist einfacher die Proben zu versenden, als die Patienten“, erklärte der Mediziner.
Ein weiteres Problem, welchem aber mit deutscher Expertise begegnet werden könne, sei die Belüftung von Krankenhäusern, wie Matthias Kasprowicz (Managing Director, TROX Middle East) erklärte. Er präsentierte eine Studie, in der die Arbeitsleistung um 10% durch ein gutes Belüftungssystem gestiegen sei. Kasprowicz wies darauf hin, dass Belüftungssysteme in Krankenhäusern anders berücksichtigt werden müssen, da nur eine Strömungsrichtung erlaubt sei. Er betonte zudem, dass saubere Innenraumluft den Heilungsprozess der Patienten fördere, so dass die Patientenzahl pro Bett steige.
Dr. Naifah Hamoudah Al Shalan (Healthcare Counselor, saudische Botschaft Berlin) erklärte, dass der Gesundheitsmarkt in dem Königreich zwar noch relativ jung, aber inzwischen der größte Markt für Medizintechnologie und Gesundheitsprodukte in den arabischen Ländern sei. Dies biete große Potenziale. Das gelte auch für Katar, betonte George Annish (Managing Director, Al Danah Medical Company). Zahlreiche öffentliche Krankenhäuser wurden zuletzt errichtet und auch der private Sektor werde weiter ausgebaut, was auch deutschen Anbietern weiterhin zahlreiche Möglichkeiten eröffne.
Ein ähnliches Bild zeige sich im Pharmasektor. Auch hier gebe es viel Potenzial. So erklärte der Moderator der vierten Session, Wolf Schwippert, (Rechtsanwalt) in seinem Vortrag, dass die Pharmaindustrie in der arabischen Welt zwar hauptsächlich aus der Herstellung von Generika bestehe. Auch wäre der Markt an Importen abhängig. Jedoch sei die inländische Produktion zuletzt angestiegen. Herr Schwippert stellte Konzepte der Kooperation vor und erläuterte, dass die lokale Manufaktur rentabler als der Import wäre. Rasha Oudeh (CEO der Cedem AG) gab einen Überblick über die jordanische Pharmaindustrie. Das Land habe sich inzwischen im Mittleren Osten inzwischen eine führende Position in diesem Bereich erarbeitet. Die Pharmaindustrie habe einen großen Beitrag am Wachstum der jordanischen Wirtschaft. Weiterhin sei diese Industrie der einzige Sektor, der den Wert der Exporte für ausländische Währungen steigere.
Prof. Tomas Jelinek (Medical Director, Berlin Centre for Travel & Tropical Medicine and Scientific Director, Centre for Travel Medicine Düsseldorf) betonte die Wichtigkeit und Effektivität von Impfungen, da dies die Voraussetzung für weniger Krankheiten sei. Professor Jelinek wies daraufhin, dass Europa an erster Stelle und der Mittlere Osten an dritter Stelle als meist gereiste Länder sei.
Moderiert von Jad Ayoub (Business Director Middle East & Africa, Bioscientia) ging es in der fünften Session um Medizintechnik und IT. Wie auch in der Pharmaindustrie ist der Markt hier zu großen Teilen von Importen abhängig. Jedoch investieren die Länder auch in die eigene Produktion. Deutsche Unternehmen werden allerdings auch künftig stark nachgefragt, denn mit dem Equipment werde auch Know-how in die Länder exportiert. So habe beispielsweise Vivantes bereits zahlreiche Erfahrungen mit Roboter-assistierter Operationen gemacht, erklärte Prof. Joerg Mueller (Director for Department of Neurology and Neurorehabilitation, Vivantes). Bereits seit etlichen Jahren hat seine Klink Operations-Roboter in Anwendungt. Mit diesen seien nicht nur wesentlich schonendere Behandlungen möglich, auch die Regenerationszeit der Patienten sei kürzer, sodass die Bettenbelegung reduziert werden könne.
In seinem Vortrag über innovatives medizinisches Equipment in Zeiten von Budget-Kürzungen, ging Dr. Markus Kraemer (Country Manager Iraq and Jordan, Siemens Healthineers) auf verschiedene Finanzierungsmethoden von medizinischer IT und Equipment ein. Zwar ist insbesondere deutsche Technik kostenintensiv, Krämer machte allerdings deutlich, dass langejährige Partnerschaften und damit einhergehende Finanzierungsmethoden die laufenden Kosten reduzieren und gleichzeitig die Effizienz steigern können.
Wie mit innovativen Mitteln nicht nur einzelnen Patienten geholfen werden, sondern die Gesundheit der gesamten Bevölkerung verbessert werden kann, erläuterte Dr. Andreas Bluethner (Director Food-Fortification & Partnerships, BASF). So könne beispielsweise der in den arabischen Ländern weit verbreitete Vitamin D-Mangel durch flächendeckende Nahrungsergänzugsmittel effektiv bekämpft werden. In Zusammenarbeit mit Regierungen und Industrie könnten entsprechende Zusätze bereits in Grundnahrungsmittel integriert werden, erklärte Bluethener.
Durch technische Innovationen können auch Behandlungen in der breiten Masse effizienter gestaltet werden. Eine entsprechende Lösung stellte Volker Eckert (Business Manager Export, Philips) vor. Mit Hilfe „vernetzter Daten“ könnte langfristig auch die Bevölkerung in Regionen ohne ausreichende Versorgung durch Ärzte profitieren. So habe der Patient mit „connected care“ die Möglichkeit seine selbstständig gesammelten Daten zu verwalten und an verschiedene Experten digital zu übermitteln.
Die letzte Session gab schließlich einen kleinen Ausblick, wie die aktuellen Herausforderungen in der Region bewältigt werden könnten. Prof. Dr. Dr. Fried Oelschlegel (Chairman, GERMED) moderierte die Session und gab zunächst einen beispielhaften Überblick über das Gesundheitssystem im Sudan. Dieses unterstütze zu sehr die Eliten im Land. „Wir brauchen nicht mehr, sondern besseren Nutzen der Gesundheitsvorsorgung für alle Bürger“, erklärte der Professor. So helfe es nicht, immer nur mehr Geld zu investieren, wenn die Effizienz nicht stimmt. Bildung sei deshalb der Schlüssel zum Erfolg. Dem stimmte auch Dr. Anwar Obeidat (CEO, Madina International Trading) zu. In allen arabischen Ländern, ist die Bevölkerung besonders jung und wächst schnell. Bildung ist deshalb der Schlüssel zum Erfolg.
Dr. Gabi Kratochwil. Managing Director bei Cross Cultures und Mitglied im Präsidium der Ghorfa bedankte sich zuletzt bei allen Rednern und Teilnehmern und beendete das Forum. Es habe erneut gezeigt, wie wichtig der Gesundheitssektor ist und bewiesen, dass Deutschland und die arabischen Länder in diesem Sektor eine sehr fruchtbare Kooperation pflegen.