Die wirtschaftlichen Beziehungen zwischen Deutschland und den Staaten des Golfkooperationsrates (GCC) sind hervorragend. Um das große Potenzial stärker auszuschöpfen, müssen die deutschen Firmen allerdings mehr in der Region investieren. Bislang werden die GCC-Staaten vor allem als lukrativer Absatzmarkt gesehen. Es gilt daher, eine echte strategische Partnerschaft aufzubauen. Das war der Tenor auf dem 1. GCC-Germany Investment and Business Forum am 26. und 27. Oktober 2010 in Stuttgart.

An dem gemeinsam von Ghorfa und der Federation of Gulf Cooperation Council Chambers (FGCC) in Zusammenarbeit mit dem baden-württembergischen Wirtschaftsministerium veranstalteten Forum, nahmen etwa 300 Persönlichkeiten aus Deutschland und den Golfstaaten teil. Das Event fand im Rahmen der Messe- und Konferenzplattform „Global Connect“ statt. Die Schirmherrschaft für das Forum hatte der baden-württembergische Ministerpräsident Stefan Mappus übernommen.

Zur Eröffnung der „Global Connect“ trat die Außenhandelsministerin der Vereinigten Arabischen Emirate (VAE), Scheicha Lubna Al Qasimi, als Rednerin auf. Sie versicherte, dass die Außenhandelspolitik der VAE auf einer freien Marktwirtschaft, Offenheit und der Förderung des Warenaustausches und von Investitionen basiert. Ausländische Investoren erhielten besondere Anreize. Deutschland ist laut der Ministerin 2009 der viertgrößte Handelspartner der VAE gewesen. Mehr als 700 deutsche Firmen seien inzwischen in ihrem Land vertreten.
Zur Eröffnung des GCC-Germany Investment and Business Forum sprach der baden-württembergische Wirtschaftsminister Ernst Pfister. „Die Staaten der Golfregion, allen voran Saudi-Arabien und die Vereinigten Arabischen Emirate, sind unsere wichtigsten Handelspartner in der arabischen Welt“, sagte er. Das Marktpotenzial der Golfregion sei aber längst nicht erschlossen, und für deutsche Unternehmen ergäben sich in vielen Sektoren beste Absatzmöglichkeiten. Hierzu gehörten in erster Linie der Bausektor, aber auch die Energie- und Wasserversorgung sowie die Hochtechnologiebereiche der Informations- und Kommunikationstechnologie, der Umwelttechnologie und Klimatechnik. Zudem bestehe, so Pfister, ein hoher Bedarf in der Medizintechnik und bei medizinischen Dienstleistungen. Erst Anfang Oktober hatte eine baden-württembergische Delegation unter Führung von Ministerpräsident Mappus Saudi-Arabien und Katar besucht.

Scheich Khalifa Bin Jassim Bin Mohammed Al-Thani, Präsident der Industrie- und Handelskammer in Katar, sprach sich für eine Intensivierung der wirtschaftlichen Kooperation zwischen Deutschland und den GCC-Staaten aus. Eine wichtige Voraussetzung hierfür sei, dass Deutschland und die EU ihre Märkte öffneten. Das seit 1990 verhandelte Freihandelsabkommen zwischen der EU und dem Golfkooperationsrat müsse endlich verabschiedet werden. Auch erwarteten die Golfländer eine einfachere Erteilung von Visa. Interessiert seien die Golfstaaten insbesondere an Technologien aus Deutschland.
S. E. Prof. Dr. Ossama Abdulmajed Ali Shobokshi, Botschafter des Königreichs Saudi-Arabien und Doyen des arabischen diplomatischen Corps in Deutschland, wies darauf hin, dass der Umfang der deutschen Investitionen in der GCC-Staaten und in seinem Land nach wie vor „bescheiden“ ist. Dies sei umso unverständlicher, als ein Investitionsschutzvertrag bereits seit 1999 existiere und das Königreich im „Doing Business Ranking 2010“ der Weltbank unter 183 Ländern den 11. Rang belege. Auch genössen ausländische Investoren in Saudi-Arabien die gleichen Vorteile wie Inländer. „Es ist an der Zeit, die arabische Welt nicht nur als Absatzmarkt zu sehen, sondern dort auch zu investieren“, sagte der Botschafter.

Von „großartigen“ geschäftlichen Chancen in den Golfstaaten sprach Scheich Mohammed Bin Essa Al-Khalifa, CEO des Bahrain Economic Development Board. Von Bahrain aus könnten diese gut erschlossen werden. Das Königreich sei ein wichtiges Handels- und Finanzzentrum und gelte zu Recht als Tor zu den anderen GCC-Staaten: „Von Bahrain erreicht man sehr leicht alle Märkte.“ Die bahrainische Volkswirtschaft entwickle sich stabil, das Land verfüge über gut ausgebildete und kostengünstige Arbeitskräfte und unterstütze ansiedlungswillige Firmen nach Kräften. „Wir wünschen uns eine Vertiefung der wirtschaftlichen Beziehungen mit Deutschland“, sagte Al-Khalifa.

Nach den Worten von Dr. Jürgen Friedrich, Geschäftsführer von Germany Trade & Invest, ist das deutsche Engagement in den GCC-Staaten gemessen an dem Potenzial bislang gering. Es gäbe nur wenige deutsche Investitionen in der Region. Zugleich seien die Ungleichgewichte im Warenaustausch zu Ungunsten der Golfländer groß. Deutsche Firmen müssten sich nicht zuletzt wegen des immer härteren Wettbewerbs mit  fernöstlichen Anbietern stärker in der Region engagieren. „Die Deutschen müssen genau passende Angebote liefern und sich als Systemanbieter profilieren“, sagte Dr. Friedrich.

Robert M. Hartung, CEO und Vorstandssprecher der centrotherm photovoltaics AG, plädierte dafür, dass deutsche Firmen und am Golf beheimatete Unternehmen gemeinsam eine „industrielle Perspektive“ im Bereich der erneuerbaren Energien erarbeiten. Es gelte, gemeinsam die Standards zu setzen und gemeinsam zu global Playern aufzusteigen. Richtungsweisend sei ein Auftrag, den centrotherm in Katar gewonnen habe, sagte Hartung. Sein Unternehmen baue dort für das deutsch-katarische Joint Venture Qatar Solar Technologies eine Siliziumfabrik auf. Deutscher Partner des Gemeinschaftsunternehmens sei die SolarWorld AG. „Lassen Sie uns schnell handeln“, sagte Hartung.

Im Anschluss an die Eröffnungsveranstaltung des 1. GCC-Germany Investment and Business Forums und am Tag darauf fanden insgesamt sechs Sitzungen statt, in denen über die Potenziale der Zusammenarbeit, aktuelle Projekte und die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen in einzelnen Golfstaaten referiert wurde.

So wurde unter anderem über die Investitionsbedingungen, Entwicklungspläne Diversifizierungsstrategien und Großprojekte in den GCC-Staaten informiert. Die Schwerpunktbereiche der Entwicklungspläne, in denen sich deutsche Firmen erfolgreich engagieren können, wurden ausführlich dargestellt.

Am zweiten Tag des Forums standen der Markt für Ingenieurdienstleistungen bzw. Infrastruktur- und Bauprojekte in den GCC-Staaten im Mittelpunkt. Hier böten sich für deutsche Firmen exzellente Chancen, lautete der Tenor. Ebenfalls hervorragende geschäftliche Perspektiven wurden dem Gesundheitsmarkt am Golf bescheinigt. Schließlich sind auch die Informations- und Kommunikationsdienstleistungen auf Wachstumskurs. Abschließend wurden die rechtlichen, finanziellen und kulturellen Rahmenbedingungen in den Golfstaaten erörtert.

Die Veranstaltung bot den Teilnehmern eine hervorragende Plattform, Investitionsmöglichkeiten sowie deren Rahmenbedingungen und damit die Chancen einer strategischen Wirtschaftskooperation beider Regionen zu diskutieren. Die Teilnehmer der Konferenz bestätigten, dass beide Seiten in wachsendem Maße daran interessiert sind, deutsche Unternehmen als strategische, wirtschaftliche und technologische Partner zu gewinnen.

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