Nachfrage und Angebot bildeten den roten Faden des 8. Arabisch-Deutschen Bildungsforum. In Zusammenarbeit mit iMOVE, der Initiative zum Bildungsexport des Bundesministeriums für Bildung und Forschung, begrüßte die Ghorfa am 27. und 28. März 2019 erneut rund 150 Gäste in Berlin. Kooperationen im Bereich Bildung und Ausbildung standen im Fokus des erfolgreichen Events.

„Investitionen in die Jugend als Säule der Gesellschaft sind wichtiger denn je“. Dieser Feststellung, die Dr. Ashraf Mansour, Gründer und Präsident der German University in Kairo, seiner Ansprache beim diesjährigen Bildungsforum voranstellte, veranschaulicht eindrücklich, warum arabisch-deutsche Kooperationen in Bildungssektor erfolgreich und gefragt sind. Angesichts 400 Millionen Einwohnern, von welchen fast die Hälfte unter 30 Jahre alt ist, spielt Bildung eine hervorgehobene Rolle in den Entwicklungsplänen aller arabischen Länder. Deutsches Know-how ist gleichzeitig sehr gefragt.

Bereits zum 8. Mal trafen sich hochrangige Repräsentanten arabischer und deutscher Unternehmen, sowie Bildungsexperten und Vertreter von Anbietern aus den Bereichen Bildung, Berufsbildung und Training zum Arab-German Education and Vocational Training Forum in Berlin.

Während des zweitätigen Forums standen deutsch-arabische Partnerschaften im Vordergrund und die Frage, was deutsche Anbieter mit ihrem Know-how beim Ausbau der arabischen Bildungssysteme beitragen können. Auch über das deutsche duale Ausbildungssystem wurde in diesem Zusammenhang ausführlich diskutiert.

Wie im deutschen Bildungssystem üblich, bot das Programm des Forums anschauliche Elemente über die praktische Berufsbildung in Deutschland. So konnten sich insbesondere die arabischen Teilnehmer bei Site Visits am ersten Tag einen Eindruck über das deutsche Duale System in der Praxis machen. Das Siemens Professional Education Center sowie das Kompetenzzentrum für Sanitär, Heizung und Klima (SHK) der Berliner Handwerksinnung begrüßten hierzu die arabischen Delegationen in ihren Ausbildungsräumen.

Auftakt im Bildungsministerium

Zum Auftakt der Site Visits waren die arabischen Teilnehmer zu Gast im Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF). Frithjof A. Maennel, stellvertretender Leiter der Abteilung Internationale Bildung und Forschung, begrüßte die Gäste. Ebenso hieß die Abteilungsleiterin Berufsbildung International im Bundesinstitut für Berufsbildung (BIBB), Birgit Thomann, die Delegation willkommen.

Der Generalsekretär der Ghorfa, Abdulaziz Al-Mikhlafi, betonte bei dieser Gelegenheit, dass die Zusammenarbeit im Bildungsbereich bereits erfolgreich sei. Jedoch gebe es nach wie vor viel zu tun, weshalb er die Anwesenden ermutigte, mehr über das deutsche Bildungssystem zu erfahren und mögliche Kooperationen in die Wege zu leiten.

Professor Dr. Hubert Ertl, Forschungsdirektor und stellvertretender Präsident des BIBB, erläuterte den Gästen die Kosten und Nutzen der beruflichen Bildung. Sein Vortrag mit dem Titel Beyond the Numbers – the role of cost/benefit analyses in the debate on actractiveness of training in Germany” beeindruckte die Gäste nachhaltig, sodass Sie das Thema auch am Abend und am Folgetag immer wieder in die Diskussion einbrachten.

Einblick in die Praxis der dualen Bildung

Nach der Theorie am Vormittag erhielten die Gäste am Nachmittag einen Einblick in die praktische Ausbildung junger Menschen im Rahmen der deutschen dualen Berufsbildung. Zunächst besichtigte die Gruppe das Siemens Professional Education (SPE) Center. Ein weiterer Besuch galt dem SHK Kompetenzzentrum.

In beiden Bildungseinrichtungen gewannen die arabischen Gäste einen hervorragenden Einblick in die Umsetzung der dualen Ausbildung. Die Besichtigungen und Gespräche vor Ort verdeutlichten, wie die Unternehmen in die Ausbildung in Deutschland involviert sind und welche Motivation die Firmen haben. So unterstrich das Besuchsprogramm sehr anschaulich die theoretischen Ausführungen durch Professor Ertl am Vormittag.

Zum Ausklang des ersten Tages trafen sich die arabischen und deutschen Teilnehmerinnen und Teilnehmer am Abend bei einem Netzwerk-Empfang, um in offener Atmosphäre neue Ideen für Kooperationen auszutauschen. Zwei Keynotes von Dr. Mustapha Adib, Botschafter der Republik Libanon und Doyen des arabischen diplomatischen Korps, sowie von Dr. Ashraf Mansour, Gründer und Präsident der German University in Kairo, lieferten hierzu wertvolle Gedankenimpulse.

So betonte Dr. Mustapha Adib den Wert der Bildung als Rückgrat der Wirtschaft und der Gesellschaft. Adib nannte beispielhaft den Bereich der erneuerbaren Energien als eine Branche, in der ein großer Bedarf an Fachkräfteausbildung besteht. Dr. Ashraf Mansour erinnerte daran, dass in der heutigen Zeit die Grenzen immer näher zusammenrücken. Dafür braucht es große Sicherheit und Stabilität in den Gesellschaften, wodurch das Investment in die Jugend als Säule der Gesellschaft wichtiger ist denn je.

Während der Podiumsdiskussionen am zweiten Forumstag ging es gezielt um die Formulierung von Bedarfen und die Vorstellung von erfolgreichen Beispielen der internationalen Berufsbildungszusammenarbeit. Während der Opening Ceremony begrüßten zunächst Abdulaziz Al-Mikhlafi, Birgit Thomann (BIBB) und Inga Hennicke vom Bundesministerium für Bildung und Forschung die Anwesenden.

Birgit Thomann betonte, dass es in der internationalen Berufsbildungszusammenarbeit nicht darum geht, das über Jahrzehnte gewachsene deutsche duale System auf andere Länder zu übertragen. Stattdessen müssen duale Elemente lokalisiert werden, um im Zielland erfolgreich für Gesellschaft und Wirtschaft wirken zu können. Sie appellierte an die Anwesenden, sich in den kommenden Runden zu Wort zu melden, mit den Sprecherinnen und Sprechern zu diskutieren und damit das 8. Arabisch-Deutsche Bildungsforum mit Leben zu füllen.

Auch die deutsche Regierung unterstützt diese Art von Zusammenarbeit, wie Inga Hennicke betonte. Der arabisch-deutsche Austausch werde von ihrem Ministerium hochgeschätzt. Und die Zusammenarbeit der Partner iMOVE und Ghorfa schaffe sinnvolle Synergien für die arabisch-deutsche Zusammenarbeit in der Berufsbildung, so Hennicke.

Im Rahmen des anschließenden Symposiums gaben arabische Vertreter einen Einblick in die Bedarfe und Aktivitäten in ihrem jeweiligen Land. Die deutschen Vertreter stellten zudem erfolgreiche Beispiele aus ihrer internationalen Geschäftstätigkeit in der beruflichen Bildung vor. Krisitine Faenger von der BMBF-Initiative iMOVE moderierte das Symposium.

Zunächst rückte Dr. Fadi Jawad, Generaldirektor der Eurotech Training & Consulting in Kuwait, die Auswirkungen der digitalen Revolution auf die Berufsbildung in den Fokus. Menschliche Anpassungsfähigkeit und technische Entwicklung stünden sich hier gegenüber, was eine lebenslange Qualifizierung erfordere, damit Arbeitskräfte mit der sich stetig veränderten Technik mithalten können.

Prof. Dr. Waheeb Ahmed Al Khaja, Board Member und Chairman des bahrainische Education Committee, stellte in diesem Zusammenhang die Frage, wie die deutsche Expertise helfen kann, die Berufsbildung in Bahrain zu verbessern. Die duale Ausbildung gelte im Königreich als vorbildlich und man analysiere, ob und wie diese implementiert werden kann. Als Beispiel für den hohen Bedarf an Qualifizierung und Fachkräfteentwicklung nannte Al Khaja unter anderem Gewerke rund um die Bereiche Kraftfahrzeuge, Schweißen und Wasser.

Ein mögliches Konzept stellte Ahmed El Saadany, Head of Siemens Professional Education – Middle East and Africa vor. Für den Betrieb seiner Kraftwerke benötigt Siemens kontinuierlich Fachkräfte. Das bedeutet eine ständige Herausforderung für das Unternehmen.

Inzwischen gibt es die Egyptian German Technical Academy, die auch mithilfe deutscher Fördergelder entstanden ist und ein breites Angebot für Ausbildung, Fortbildung, Quereinsteiger bereithält. Ende 2019/Anfang 2020 sollen die ersten Schülerinnen und Schüler anfangen.

Uwe Möller, Projektmanager der KWS Kraftwerkschule, informierte über ein weiteres Beispiel aus der Türkei, bei dem 38 Kandidaten für ein Gas- und Dampfturbinen-Kraftwerk (Combined Cycle Power Plant CCPP) geschult wurden. Die Qualifizierung verlief so erfolgreich, dass im Anschluss zehn erfahrene türkische Ingenieure zu Ausbildern ausgebildet wurden. Dies könnte auch für die arabischen Länder ein interessantes Konzept sein.

Zwei Beispiele aus Ägypten stellten Daniel Klee, International Long Term Expert, IHK-Projektgesellschaft mbH, und Sherine Salamony, Director Communication & External Relations Department, German University in Cairo (GUC) vor. So bietet die IHK Projektgesellschaft eine Ausbildung von Spezialisten für Personalberatung und Personalbeschaffung an. Die Absolventen durchlaufen einen IHK-zertifizierten Kurs mit 160 Stunden Training, das in 13 Wochen in Teilzeit absolviert wird.

Sherine Salamony erläuterte, zudem das Konzept der GUC, die ebenfalls in der Berufsbildung sehr aktiv ist. Wegen des Praxisbezugs und der Erhöhung der Beschäftigungsfähigkeit junger Menschen war die berufliche Bildung von Beginn an eine Säule der GUC. Für die berufsbildenden Kurse sucht die GUC stets die Nähe und Kooperation mit Unternehmen.

Trotz der zahlreichen positiven Beispiele gebe es bei der Aus- und Fortbildung sowohl in den arabischen Ländern, als auch in Deutschland, allerdings noch viel zu tun. Hierauf fokussierte die zweite Session des Forums. In einer Keynote erklärte Prof. Dr. Claudia Warning, Director General im Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ), dass Berufsbildung eine gesellschaftliche Aufgabe ist, die nur gelingen kann, wenn alle an einem Strang ziehen: Eltern, Wirtschaft und Staat. Ihr Ministerium fördere dauerhafte und nachhaltige Entwicklungen. Eine qualitativ hochwertige Ausbildung brauche jedoch Zeit und Gründlichkeit. Zudem müsse dringend die Attraktivität von Berufsbildung im Gegensatz zur universitären Bildung verbessert werden.

Vom Status Quo der Berufsbildung in Marokko berichtete Youssef Cheikhi Director of Communication, Office de la Formation Professionnelle et de la Promotion du Travail (OFPPT). Weiterentwicklung und Verbesserung der beruflichen Bildung seien im Fokus der Regierung. Denn in Marokko gebe es ein großes quantitatives und qualitatives Ungleichgewicht zwischen arbeitssuchenden jungen Menschen und dem Angebot an Arbeitsplätzen. So stehen rund 200.000 Universitätsabsolventen nur 80.000 Arbeitsplätze gegenüber.

Eine weitere Herausforderung sei es, qualifizierte Ausbilder zu finden, die die Trainings durchführen können, wie Carlo Humberg, Business Development Manager, TÜV Rheinland Akademie GmbH, erklärte. Während der Arbeit in Saudi-Arabien sei dies zu berücksichten, so Humberger.

Heiderose Moossen, Manager Vocational Training der GUtech in Oman, gab in diesem Zusammenhang zu bedenken, dass in vielen arabischen Ländern die Industrie, abgesehen von den Bereichen Öl und Gas, noch sehr jung ist. Es sei auch lange nicht in die Ausbildung investiert worden, was sich heute in den großen Problemen Arbeitslosigkeit und Fachkräftemangel mit allen Konsequenzen für Gesellschaft und Wirtschaft zeigt.

Bei einem abschließenden Blick in die Zukunft, um den Moderatorin Maria Rueter bat, stellten die Diskutanten auf dem Podium folgende Aspekte in den Mittelpunkt: Thorsten Ende erinnert an die gesellschaftliche und unternehmerische Verantwortung und betont, dass Siemens unerschütterlich an die duale Ausbildung „glaubt“, auch im internationalen Kontext in lokalisierter Art und Weise.

Heiderose Moossen machte zudem deutlich, dass Kurssysteme immer nur das abbilden, was die Industrie jetzt gerade braucht. Sie wirken also rückwärtsgerichtet. Es werden aber Konzepte benötigt, die es jungen Menschen erlauben, darauf ihre Zukunft aufzubauen. Für Youssef Cheikhi liegt der Schlüssel zum Erfolg der Berufsbildung darin, dass in allen Phasen der Ausbildung und Entwicklung von Ausbildungen erfahrene Praktiker involviert sind.
Zuletzt wünschte sich Carlo Humberg bessere Synergien sowohl hinsichtlich der deutschen und lokalen Expertise als auch im Hinblick auf die jeweiligen Rahmenbedingungen vor Ort. Durch die optimale Nutzung dieser Synergien lassen sich passende lokalisierte Ausbildungen entwickeln.