Unter dem Motto „Energiewende in den arabischen Ländern“ kamen in Berlin fast 300 arabische und deutsche Entscheidungsträger aus Politik und Wirtschaft zum 10th Arab-German Energy Forum zusammen. Die Ghorfa hatte das Forum gemeinsam mit dem 10th Desert Energy Leadership Summit am 25. und 26. November organisiert. Peter Altmaier, Bundesminister für Wirtschaft und Energie, hatte die Schirmherrschaft übernommen. Auch eine hochrangige marokkanische Delegation, angeführt von Mohammed Ghazali, Generalsekretär im Ministerium für Energie, Minen und Umwelt, war angereist.

„Fast 75 Gigawatt (GW) an zusätzlicher Energiekapazität werden in den kommenden fünf Jahren in den Arabischen Ländern ans Netz gehen.“ Mit diesem einfachen Tatsache veranschaulichte der Doyen das arabischen diplomatischen Korps, Mustapha Adib, direkt zu Beginn des 10. Arab-German Energy Forum, den enormen Stellenwert, welchen der Energie-Sektor in den arabischen Ländern hat. Und er fügte hinzu, dass der Bedarf an weiterer Energie auch in den kommenden Jahren weiter enorm steigen werde.

Um die Potentiale dieser Entwicklung weiter für die deutsch-arabischen Wirtschaftsbeziehungen nutzbar zu machen, hat die Ghorfa nun zum 10 Mal das arabisch-deutsche Energie-Forum organisiert, gemeinsam mit dem ebenfalls zum 10. Mal stattfindenden Desert Energy Leadership Summit der DII. Unter dem Motto „Energy Transition in the Arab World“, waren etwa 300 hochrangige Entscheidungsträger aus Wirtschaft, Politik und Diplomatie der Einladung der Ghorfa und der Dii gefolgt und in Berlin zusammengekommen.

Dr. Peter Ramsauer, Präsident der Ghorfa, und Paul van Son, CEO von Dii, hatten die Teilnehmer begrüßt.  „Energiewende betrifft nicht nur einzelne Menschen, einzelne Länder oder einzelne Kontinente. Die Energiewende bedeutet, Menschen, Länder und ganze Kontinente zu verbinden“, erklärte Paul van Son in seiner Begrüßungsrede und Dr. Ramsauer fügte hinzu, dass Deutschland mit seiner breiten Expertise im Bereich der Energiewende einen wertvollen Beitrag für eine zukunftsfähige und nachhaltige Energieversorgung leisten könne.

Die deutsch-arabischen Partnerschaften im Energiesektor seien in jedem Fall auch für die deutsche Regierung von hohem Stellenwert, wie aus der Rede des Staatssekretärs im Ministerium für Wirtschaft und Energie, Andreas Feicht, hervorging. Die Potenziale in der Region seien in jedem Fall hoch und als Nachbarn spielen die arabischen Länder eine wichtige Rolle. Dabei verwies der Staatssekretär, insbesondere das deutsche Interesse an grünem Wasserstoff aus der Mena-Region in Zukunft weiterwachsen werde. „Wirtschaftliche Zusammenarbeit ist der Schlüssel zum Erfolg“, sagte Andreas Feicht.

Ein herausragendes Beispiel für die fruchtbare Zusammenarbeit in dem Sektor ist die deutsch-marokkanische Energie-Partnerschaft. Eine große Delegation aus dem Königreich, angeführt vom Generalsekretär im marokkanischen Ministerium für Energie, Minen und Umwelt, Mohammed Ghazali, war eigens zu dem Forum in die deutsche Hauptstadt gereist. „Energie ist eine globale Herausforderung“, gab auch Ghazali in der Eröffnungsrede zu bedenken und verwies insbesondere auch auf den Klimawandel, welcher in Marokko zunehmend sichtbar wird. Der Gneralsekretär betonte, dass Marokko seine Bemühungen im Bereich der Energiewende in strategische Zusammenarbeit mit Deutschland weiter vorantreiben werde. Entscheidend seien hierbei die Weiterentwicklung von Speichermöglichkeiten, sowie der Energie-Preis.

„Noch im Jahr 2015 hat uns niemand geglaubt, dass fünf Cent pro Kilowattstunde möglich sind, zwei Jahre später waren wir schon bei drei Cent und die letzte Ausschreibung in der Region habe weniger als 1,7 ct/kWh ergeben“, gab Thomas Altmann, Vice President im Bereich Technology bei der saudischen ACWA Power, in diesem Zusammenhang zu bedenken. Die Preisentwicklung der vergangenen 10 Jahre sei enorm erklärte der Manager des saudischen Energieriesen in seinem Statement. Insbesondere im Hinblick auf die Erzeugung von entsalztem Wasser kommt der niedrige Energiepreis einer Revolution gleich, sagte Altmann und fügte hinzu: „Es geht hier nicht mehr nur um die Erzeugung von günstigem Strom, hier entsteht einen Mehrwert für jede Volkswirtschaft.“

Sowohl beim Galadinner, an welchem der Bundesminister a.D. und Executive Director des United Nations Environment Programme (UNEP), Prof. Dr. Dr. Klaus Toepfer, sowie Peter Terium, Chef der Energiesparte von NEOM, eine Rede hielten, als auch bei den zahlreichen hochrangigen besetzten Podiumsdiskussionen hatten die Teilnehmer der Veranstaltung die Gelegenheit, Kontakte zu knüpfen und Informationen aus erster Hand zu bekommen. An den insgesamt zwei Tagen standen die Themen „Energiewende und der Weg zu einem emmissionsfreien Energiesystem“, sowie die Innovationen und Technologien für einen Wandel des Öl- und Gas-Sektors hin zu einem nachhaltigen Energiemix im Fokus. Energie-Erzeugung, -Verteilung und Speicherung, wurden dabei genauso diskutiert wie Aspekte der Finanzierung, Forschung und Bildung.

Top-Manager der Energiebranche geben exklusive Einblicke

Tiefe Einblicke bot insbesondere das Top Executive Panel am ersten Tag des Forums. Hochrangige Unternehmensvertreter bedeutender Energie-Unternehmen in der arabischen Welt und Deutschland diskutierten hier, moderiert von Frank Wouters, Director des EU-GCC Clean Energy Technology Network, über ihre Erfahrungen mit der Energiewende, sowie über die damit zusammenhängenden Herausforderungen und Prognosen.

“Wir wissen in Marokko, was Klimawandel bedeutet – und wir müssen schnell handeln: Daher dürfen wir nicht auf das Ende der Energiewende warten, sondern müssen eine ‘Wende innerhalb der Wende’ anstoßen”, erklärte zunächst Mustapha Bakkoury, Präsident des marokkanischen Energieunternehmens Masen, in seiner Keynote. In den vergangenen 10 Jahren sei in Marokko schon viel erreicht worden. Immerhin erreichen die Erneuerbaren Energien in dem Land bis Ende 2020 den Prognosen zufolge bereits einen Anteil von 40 Prozent. Nach dem Ausbau der Kapazitäten sei es nun aber vor allem wichtig, die Effizienz zu steigern und nachhaltige Wirtschaftsmodelle zu finden. Die Herausforderung dabei sei in erster Linie die Umsetzung, so Bakkoury: „Es reicht nicht, Visionen zu haben, sondern es braucht konkrete und umfassende Pläne sowie ambitionierte Ziele.“

Die Speaker des Panels stimmten dieser Sichtweise zu. „Die Geschäftsmodelle in dem Sektor ändern sich fast jeden Tag“, gab Said Elhadi, CEO der marokkanischen NAREVA Holding zu bedenken und Rory O’Neill, CEO von EuropaGrid fügte hinzu, dass es angesichts der rasanten Entwicklung besonders wichtig sei, Vertrauen und Transparenz aufzubauen.

Prof. Dr. Ad van Wijk, Professor an der technischen Universität Delft stellt klar, dass Europa in jedem Fall auf die Länder Nordafrikas angewiesen sei, denn ohne Wasserstoff sei eine Energiewende in Europa nicht möglich und nur in den Ländern der Sahara gebe es geeignete Voraussetzungen für die Produktion von ausreichend Wasserstoff. Immerhin könne künftig mit Hilfe von Solarstrom und dem Ausbau der Entsalzungskapazitäten auch das für den Prozess nötige Wasser günstig in den arabischen Ländern zur Verfügung gestellt werden, wie auch Suliman Al Sayyari, Board of Director bei der saudischen Shuaibah Water & Electricity Company bestätigte. „Zusammen können wir hier eine erstklassige Kreislaufwirtschaft schaffen,“ erklärte der Prof. van Wijk.

Deutsche Unternehmen haben diese Idee bereits aufgegriffen, wie Dietmar Siersdorfer, CEO von Siemens Middle East, und Dr. Reinhold Achatz, veranschaulichten. Achatz verwies darauf, dass Thyssenkrupp in Zukunft auf grünen Wasserstoff angewiesen sei, um auch in der deutschen Stahl-, Chemie- und Zementindustrie den CO2-Ausstoß reduzieren zu können. Das sei schließlich ein wichtiges Ziel des Unternehmens. Bis es soweit sei, gebe es jedoch nach wie vor viel zu tun, gab Dietmar Siersdorfer zu bedenken. Die Vereinigten Arabischen Emirate seien zwar schon sehr weit in dem Bereich, andere Länder stünden aber noch am Anfang. „Vor allem die Prozesse auf Regierungsebene sind noch zu langsam, um viel bewegen zu können“, erklärte der Manager.

Effizienz steigern auf dem Weg zu emmissionsfreiem Energiesystem

Vor allem zwei Aspekte prägten die Diskussionen des zweiten Forumstages. So ging es zunächst, moderiert von Michael Wuennemann (General Manager bei Tractebel Energy) darum, wie eine Energieversorgung verwirklicht werden kann, die zu 100 Prozent emmissionsfrei ist. In einem zweiten Panel, moderiert von Dr. Murad Daghles (Partner, White & Case Law Firm), wurde allerdings auch darüber diskutiert, welche Innovationen und Lösungen in der Öl- und Gas-Branche nötig sind, um mit einem nachhaltigen Energiemix die Energiewende zu begleiten.

Prof. Breyer, machte zu Beginn des ersten Panels klar, warum Energieversorgung ohne CO2-Emmissionen langfristig unumgänglich sind. Nur so könnten die Auswirkungen des Klimawandels begrenzt werden. Und auch aus wirtschaftlicher Sicht sei emmissionsfreie Energieversorgung sinnvoll, erklärte der Wissenschaftler.

Die Experten waren sich jedoch einig, dass auf dem Weg zu einer emissionsfreien Energieversorgung auf die konventionellen Energiequellen nicht einfach verzichtet werden könnte: So plädierte die Unternehmensvertreter Fred Wendt (Managing Director, ILF Consulting Engineers) sowie Manuel Kuehn (Senior Vice President, Siemens Middle East) auch für die Modernisierung der bestehenden Öl- und Gas-Infrastruktur. Diese müsse mit Hilfe von Effizienzsteigerungen für den Übergang zu einer emmissionsfreien Energieversorgung genutzt werden, sagte Kuehn. Auch Prof. Dr. Jochen Kreusel (Market Innovation Manager, ABB Power Grids), stimmte dem zu, dass es nicht mehr darum gehe, immer günstigere Energiekapazitäten zu schaffen, sondern die bestehenden Energie-Reserven nachhaltig in die Netze zu integrieren.

Wie ein solcher Weg funktionieren könnte, verdeutlichte Raad Al Haris, der als Berater im irakischen Energieministerium die Energiestrategie des Landes maßgeblich betreut. So kündigte er zunächst an, dass Irak die Ausschreibung eines zweiten Solarprojekts mit der Kapazität von 750 Megawatt (MW) plane. Gleichzeitig sollen aber auch die Effizienz der bestehenden Kraftwerke gesteigert werden. So sollen in den kommenden Jahren die Gaskraftwerke zu sogenannten Gas- und Dampf-Kombikraftwerken (combined cycle power plants) umgebaut werden.

Tatsächlich wird in den meisten arabischen Ländern bereits an ambitionierten Plänen gearbeitet um durch flexible wirtschaftliche Rahmenbedingungen auf neue Technologien und Strategien reagieren zu können. Nur so könne ein nachhaltiges Energienetz aufgebaut werden erklärte Mohamed Al Dabbas (Senior Advisor, Arab Renewable Energy Commission (AREC)). „Wir müssen Subventionen abbauen, die Infrastruktur verbessern, finanzielle Unterstützung liefern, Kapazitäten entwickeln und die Lücke zwischen Innovation, Forschung und Umsetzung schließen“, erklärte Dabbas.

Die deutsche Regierung unterstützt diesen Prozess, wie Pater Stein, (Mitglied des deutschen Bundestages) und Ellen von Zitzewitz (Vizedirektorin im Bundesministerium für Wirtschaft und Energie) in ihren Statements verdeutlichten. Deutschland habe Energie-Partnerschaften mit vielen arabischen Ländern wie Marokko, Tunesien, Algerien, den VAE und Ägypten gegründet „und die Liste wird erweitert“, sagte Frau Zitzewitz. Dabei stünden Themen wie lokale Wertschöpfung. Dezentralisierung sowie systemische Integration und die Liberalisierung der Märkte im Fokus.

Öl- und Gassektor ist Antrieb für Investitionen in Erneuerbare

Wie wichtig Öl und Gas auch in den kommenden Jahren noch sein wird, wurde im zweiten Panel verstärkt hervorgehoben. Dabei ging es insbesondere darum, wie der Sektor zur Energiewende beitragen kann, denn die Panelisten stimmten darin überein, dass es auch in den kommenden Jahrzehnten einen bedeutenden Markt für Öl und Gas geben werde. Die Frage sei eher, wie sich Öl und Gas den Markt aufteilen“, erklärte Fabrizio Bottas (Commercial and Tendering Director, Saipem) und fügte hinzu: „Wir brauchen hier neue Geschäftsmodelle.“

Die Digitalisierung sei der Schlüssel zum Erfolg, prognostizierte Ali Vezvaei (CEO, Ecolo). Intelligente Logistik, Automatisierung und die Nutzung aller digitaler Daten eines Chemie- oder Kraftwerkes würden die Prozesse in den kommenden Jahren revolutionieren und die Effizienz enorm steigern.

All diese Entwicklungen seien für die arabischen Länder in jedem Fall eine gute Nachricht, prognostizierte Prof. Dr. Friedbert Pflüger. Denn mit den Einnahmen aus dem Öl- und Gasgeschäft könne die Energiewende nachhaltig finanziert werden. „Die meisten arabischen Staaten haben bereits bewiesen, dass sie diese kluge Strategie verfolgen.“

Ein weiteres Beispiel für diese Potenziale ist Algerien, wie in dem Beitrag von Nabil Kafi (General Supervisor of Energy Activities, Sonelgaz) deutlich wurde: Mit bis zu 3.000 Sonnenstunden biete Algerien mit die besten Voraussetzungen für Solarenergie weltweit. Zudem gebe es Regionen mit sehr guten Windbedingungen. Dabei sieht die Strategie des Landes vor, die erneuerbaren Energien auch mit den vorhandenen Ressourcen zu verbinden, erklärte Kafi und wies auf eine Aussschreibung hin, welche demnächst veröffentlicht werden soll. Demnach soll eines der Gaskraftwerke des Landes mit einer 150 MW umfassenden Photovoltaik-Anlage ausgestattet werden, um den CO2-Ausstoß des Landes zu reduzieren.

In interaktiven Roundtables hatten die Teilnehmer des Forums schließlich die Möglichkeiten, die neuen Entwicklungen des Energie-Sektors zu besprechen und konkrete Geschäftsmodelle zu entwickeln. In insgesamt sechs Arbeitskreisen zu den Themen Blockchain und Smart Cities, Energiespeicherung, Finanzierung und Investment, Energieeffizient, Entwicklung und Forschung, sowie zu Energieübertragung und -Verteilung standen hierzu die Experten aus den Podiumsdiskussionen, sowie weitere Energie-Experten für Gespräche zur Verfügung. Wie bei allen Foren der Ghorfa, nutzten die Teilnehmer diese Gelegenheit, um Kontakte zu knüpfen, Ideen auszutauschen und mögliche Geschäfte anzubahnen.