Mit einem Investitionsvolumen von 6,3 Mrd. Euro sollen 30 Prozent des Energiebedarfs Tunesiens bis 2030 durch erneuerbare Energien gedeckt werden. „Dies ist eine große Aufgabe, welche nur mit Hilfe deutscher Investoren erreicht werden kann“, erklärte der Tunesische Minister für Energie und Minen, Mongi Marzoug beim Tunisian Energy Day 2016 am vergangenen Dienstag.

Die Ghorfa Arab-German Chamber of Commerce and Industry hatte das Wirtschaftstreffen anlässlich des Besuchs des tunesischen Ministers in Kooperation mit der tunesischen Botschaft in Berlin organisiert. Mehr als 80 Vertreter deutscher und tunesischer Unternehmen, sowie eine hochrangige tunesische Delegation waren dafür in das Regent Hotel gekommen.

„Obwohl Tunesien flächenmäßig das kleinste Land Nordafrikas ist, so ist das Wirtschaftspotential dafür umso größer“, erklärte Peter Ramsauer, Präsident der Ghorfa zu Beginn der Veranstaltung. Er betonte, dass Deutschland bereits heute intensive und zukunftsfähige Wirtschaftsbeziehungen mit Tunesien habe. Rund 260 Unternehmen seien derzeit mit Investitionen aktiv. „Deutschland ist der drittgrößte Handelspartner und ausländische Investor in Tunesien“, sagte der ehemalige Bundesminister.

Auch Elyes Kasri, der tunesische Botschafter in Berlin, begrüßte die hochrangige Delegation aus Tunesien und die zahlreichen Teilnehmer des Forums und betonte, dass eine wachsende Wirtschaft nur in Verbindung mit der Energiewende in seinem Land zu schaffen sei. Deutschland sieht er dabei als Vorbild und wichtigsten Partner. „Die deutsch-tunesische Energiepartnerschaft ist die Triebfeder unseres Wirtschaftswachstums“, erklärte der Botschafter.

Der parlamentarische Staatssekretär im Bundesministerium für Wirtschaft und Energie, Uwe Beckmeyer bestätigte die Aussagen des tunesischen Botschafters, dass die tunesische Wirtschaft eine enorme Dynamik besitzt. Vor allem von der gut ausgebildeten jungen Generation sei er beeindruckt. Mit unzähligen Start-ups würden die jungen Tunesier für großes wirtschaftliches Potential sorgen. Allerdings müsse, genau wie in Deutschland, ein Mentalitätswandel bei der Ausbildung stattfinden. Nicht nur die Hochschulbildung ist wichtig, sondern auch die duale, technische Ausbildung. Nur so könne dem Fachkräftemangel effektiv entgegengewirkt werden.

Aber nicht nur gesellschaftlich, sondern auch wirtschaftlich sei Tunesien ein Hoffnungsträger für die gesamte Region, vor allem im Bereich der Energie. Denn seitdem der Preis für Wind- und Solarenergie so niedrig ist, sei es nicht nur für die Umwelt sinnvoll, sondern auch wirtschaftlich maßgeblich, auf erneuerbare Energien zu setzen. Deutschland und Tunesien hätten hier gemeinsame Interessen, sagte Beckmeyer und fügte hinzu: „Die große Anzahl an Unternehmen bei dieser Veranstaltung demonstriert das große Interesse der deutschen Wirtschaft am tunesischen Markt.“

Auch Mongi Marzoug lobte den großen Investitionswillen deutscher Unternehmen in seinem Land. „Keine deutsche Firma hat während der politischen Krise Tunesien verlassen“, honorierte der Minister für Energie und Minen, in seiner Keynote. Mehr als 50.000 Arbeitsplätze stellen deutsche Unternehmen in seinem Land zur Verfügung. Die guten Wirtschaftsbeziehungen sollen weiter ausgebaut werden: „Unser Ziel ist es, ausländische Investitionen weiter zu vereinfachen“, erklärte Marzoug. Dazu würden gerade zahlreiche Reformen auf den Weg gebracht. Erst kürzlich verabschiedete der Ministerrat eine Reform zu den Erneuerbaren Energien. Neben Schiedsgerichten, die für mehr Rechtssicherheit sorgen, wurde eine neue Einspeisevergütung privater Stromerzeuger beschlossen.

Darüber hinaus seien Investitionen von mehr als 6,3 Mrd. Euro in die Erneuerbaren Energien geplant. Insgesamt sollen bis 2030 mehr als 1750 Megawatt (MW) aus Windenergie, 1510 MW aus Solar und Photovoltaik, 450 MW aus Sonnenwärmekraftwerken und 100 MW aus Biomasse gewonnen werden.

Die neue gesetzliche Grundlage für Strom aus Erneuerbaren Energien war auch das Hauptthema der anschließenden Vorträge und Diskussionen. Mohamed Habib Zgoli, Koordinator des Komitees zur Ausarbeitung und Anwendung der neuen Energie-Weisung, sowie Moncef Harrabi, Generaldirektor der Abteilung Erneuerbare Energien der Tunisian Company of Electricity and Gas (STEG ER) erklärten die Neuerungen und beantworteten Fragen.

Bis zu 30 % der erzeugten Energie könnten private Stromerzeuger künftig der STEG ER verkaufen, erklärte Zgoli. Die Preise dafür werde das Energieministerium festlegen. In einem Vertrag mit der STEG ER würden die Rahmenbedingungen für den Verkauf des Stroms festgehalten. Darüber hinaus würde die STEG ER als verlässlicher Ansprechpartner auch Unterstützung bei Projekt-Entwicklung, sowie -Durchführung anbieten.

Moncef Harrabi versicherte, dass Tunesien ein idealer Standort insbesondere für Solar- und Windenergie sei. So gebe es vor allem im Süden des Landes eine enorme Strahlungsintensität von bis zu 2300 kWh pro Jahr und Quadratmeter. Im Norden des Landes gebe es außerdem Standorte für Windkraft mit Windgeschwindigkeiten von mehr als sechs Metern pro Sekunde.

Investitionen in Tunesiens Energie-Sektor würde auch über das Land hinaus Erfolg bringen, versicherte Moncef Harrabi in seinem Vortrag. „Tunesien arbeitet intensiv an der Integration eines einheitlichen nordafrikanischen Strommarktes“, so Harrabi. Es gebe bereits fünf Verbindungen mit Algerien und zwei mit Libyen. Darüber hinaus seien die Planungen für eine Stromverbindung mit Italien weiter vorangeschritten. Auch Marzoug betonte das große Potential, das Investitionen in sein Land haben: „Tunesien kann eine Drehscheibe nach Nordafrika werden.“

Im Rahmen der Deutsch-Tunesischen Energiepartnerschaft, welche schon 2012 ins Leben gerufen wurde, gibt es bereits einen intensiven Austausch auf Regierungsebene. Ein hochrangiges Steuerungskomitee mit Sitz in Tunis organisiert die fachliche Zusammenarbeit.

3 Mrd. Euro betrug darüber hinaus das Handelsvolumen zwischen Deutschland und Tunesien im vergangenen Jahr. Dabei war die Handelsbilanz nahezu ausgewogen. Während Deutschland Waren im Gesamtwert von 1,4 Mrd. Euro lieferte, darunter vor allem Elektrotechnik und Maschinen, exportierte Tunesien in erster Linie landwirtschaftliche Produkte, Textilien sowie Phosphat. Insgesamt importierte Tunesien Waren im Wert von 1,6 Mrd. Euro nach Deutschland.

Mit Nachdruck werden die Wirtschaftsbeziehungen weiter verbessert. So konnte die Entwicklungszusammenarbeit zwischen Deutschland und Tunesien in den vergangenen Jahren intensiviert und auf die politischen Schwerpunkte der tunesischen Regierung ausgerichtet werden. Das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) hatte die Mittel für Tunesien nach der Revolution deutlich erhöht, um den Prozess der friedlichen Transformation zu unterstützen.

Durch die Zusammenarbeit sollen vor allem im ländlichen Raum Einkommensmöglichkeiten geschaffen werden. Allein 2015 hatte das BMZ insgesamt 215 Millionen Euro in die wirtschaftliche Zusammenarbeit mit Tunesien investiert, davon 186 Millionen Euro als Darlehen. Tunesien profitiert zudem von der neuen BMZ-Sonderinitiative „Stabilität und Entwicklung in Nordafrika und Nahost“.